Berlin. Die Länder bekommen mehr Geld, der Bund mehr Macht. Der Bundesrat soll einem Finanzpakt zustimmen. Doch es gibt noch strittige Punkte.

Wer zahlt was im deutschen föderalen System und wer bekommt welche Kompetenzen? Darüber stritten bereits 1969 die Vertreter von Bund und Ländern erbittert, als sie ihre Finanzbeziehungen festschrieben. Auch 50 Jahre später hat die Diskussion nicht an Schärfe verloren. Die Angst vor einem zu mächtigen Zentralstaat treibt viele um.

Und doch: Nach langen und mühseligen Verhandlungen hat der Bundestag am Donnerstag einen neuen Finanzpakt zwischen Bund und Ländern verabschiedet, es ist die größte Reform der schwarz-roten Koalition in dieser Wahlperiode. Am Freitag soll der Bundesrat dem Vorhaben zustimmen.

An gleich 13 Stellen soll das Grundgesetz geändert werden. Im Kern bedeutet die Reform: Der Bund zahlt den Ländern künftig mehr Geld und darf dafür in mehr Bereichen als bisher mitreden. Konkret: Die Länder erhalten vom Jahr 2020 an jährlich 9,75 Milliarden Euro vom Bund – Tendenz steigend. Der Ausgleich erfolgt im Wesentlichen über die Umsatzsteuer.

„Reiche“ Geberländer zahlen etwas weniger

Die Länder haben diesem politischen Handel nur widerwillig zugestimmt. Es brauchte aber eine Neuregelung, weil der bisherige Finanzausgleich zwischen den Ländern und besondere Hilfen für Ostdeutschland (Solidarpakt II) 2019 enden. Außerdem hatten die „reichen“ Geberländer Bayern und Hessen gegen das geltende System geklagt, sie fühlten sich übervorteilt. Tatsächlich überwiesen Bayern, Baden-Württemberg und Hessen 2016 die Rekordsumme von 10,62 Milliarden Euro an ärmere „Nehmerländer“.

Künftig zahlen die reichen Geber etwas weniger üppig in den Solidartopf ein. Das Saarland und Bremen erhalten Sonderhilfen, spezielle Regelungen für Ostdeutschland fallen weg.

Besonders strittig bei der Reform sind zwei Punkte, an denen Kritiker eine Machtverschiebung zugunsten des Bundes festmachen:

Bundeshilfen für marode Schulen

Der Bund kann künftig finanzschwachen Kommunen „Investitionshilfen“ zur Sanierung maroder Schulen gewähren. Dafür wird das im Grundgesetz verankerte Verbot, das sich der Bund in Bildungsfragen einmischt, gelockert.

Geplant ist, dass die maroden Schulen in vielen Teilen der Republik schneller renoviert werden können. Die Angst der Kritiker: Die Hilfen für bauliche Mängel könnten Einfallstor für mehr Einfluss des Bundes in Bildungsfragen sein. Auch ein Grund, warum der prominenteste Gegner der Reform, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), gegen den „weitreichenden, monströsen Eingriff“ in das Grundgesetz wettert. Deutschland laufe „sehenden Auges in einen Zentralstaat“, und „wir singen dabei föderale Lieder“, hatte Lammert während der Beratungen gesagt und stimmte am Donnerstag als einer von drei Abgeordneten der Unionsfraktion mit „Nein“. „Die Länder werden mehr denn je zu Kostgängern des Bundes“, so Lammert. Das sei „verfassungsrechtlich wie auch finanziell hochgradig riskant“.

Neuregelung bei Autobahnen

Fast schon hysterische Züge nahm die Debatte über die neue Autobahngesellschaft des Bundes in den letzten Wochen an. Die knapp 13.000 Kilometer langen deutschen Autobahnen sollen künftig zentral gewartet werden. Die bundeseigene GmbH in Berlin mit bis zu zehn regionalen Töchtern soll ab 2021 den Bau, die Planung und den Betrieb der Autobahnen und zumindest einiger Bundesstraßen bündeln.

Die Gesellschaft bekommt einen Teil der Einnahmen aus Lkw- und Pkw-Maut, insgesamt rund zehn Milliarden Euro jährlich. Eine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen wird im Gegenzug verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Von Investoren finanzierte Projekte in umstrittenen „Öffentlich-privaten Partnerschaften“ (ÖPP) sind auch nur möglich, wenn es um eine Strecke von maximal 100 Kilometer geht.

Doch das Misstrauen ist groß. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sprach wie Lammert von einem „monströsen Eingriff“ in das Grundgesetz. Sie warf der Koalition am Donnerstag vor, die Öffentlichkeit zu täuschen. Eine Privatisierung von Autobahnen sei nicht vom Tisch, die Formulierung zu Partnerschaften mit der Privatwirtschaft sei schwammig.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wies die Kritik zurück und rief dem „Abgeordneten Lammert aus Bochum“ zu, es gebe keinen „Marsch in den Zentralstaat“. Oppermann hatte die Reform entscheidend in langen Nächten mitverhandelt. Genau wie alle Protagonisten ist auch er froh, dass das Mammut-Projekt jetzt durch den Bundestag ist. Welche genauen Auswirkungen die Reform hat, wird sich ohnehin erst Mitte der nächsten Legislaturperiode zeigen.