Berlin. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind neue Arbeitszeitmodelle nötig. Und für Kinder braucht es dringend Ganztagsbetreuung.

Kann man Kinder und Karriere vereinbaren? Der Tag hat nur eine bestimmte Anzahl von Stunden, in denen werden Kinderbetreuung und Geldverdienen immer in Konkurrenz zueinander stehen. Diesen Grundkonflikt kann keine noch so familiengerechte Gesetzgebung und auch kein Arbeitgeber lösen. Mütter und Väter müssen diese Entscheidung im besten Falle mit sich und ihren Lebensentwürfen klären. Meistens entscheidet jedoch die pure Notwendigkeit, Geld zu verdienen.

Doch Politik und Wirtschaft können die Voraussetzung dafür schaffen, dass Eltern die Möglichkeit gegeben wird, sich sowohl um den Nachwuchs zu kümmern als auch ein verlässlicher Arbeitnehmer zu sein.

Rechtsanspruch auf Ganztagsschulplatz ist notwendig

Zwar hat sich in der Politik seit dem Ausspruch von Altkanzler Gerhard Schröder zu „Frauen und Gedöns“ unter schwarz-roten Familienministerinnen vieles zum Positiven gewandelt: Elterngeld, Vätermonate, Familienpflegezeit, der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, Krippenausbau. Die großen Linien sind stimmig, auch wenn eine bessere Umsetzung etwa beim schleppenden Kita-Ausbau nötig ist. Doch das Augenmerk muss noch viel stärker auf ältere Kinder gelegt werden. Dringend erforderlich für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz.

Und damit verbunden eine effizientere Planung und Umsetzung, mehr Lehrer und Erzieherstellen. Denn auch ein zwölfjähriger Schüler, der mittags aus der Schule kommt, verbringt die fünf bis sechs Stunden bis zum Feierabend der Eltern nicht gerne allein – zu Recht. Und Teenager, die ihren besten und einzigen Ansprechpartner nach der Schule im heimischen Computer oder ihrem Smartphone sehen, werden auf Dauer zum Problem der Gesellschaft.

Präsenzpflicht in Unternehmen hat ausgedient

Auch bildungspolitisch ist eine längere Betreuung ein Gewinn: betreute Hausaufgaben, Sportgruppen, Theaterprojekte, Schülerzeitung, Programmierkurse, Forschungsprojekte, all das. Gerade in Zeiten, in denen Jugendliche mit Mi­grationshintergrund an Schulen inte­griert werden müssen. Zugegeben, dafür braucht es Geld und Personal. Aber die Mehreinnahmen des Staates können kaum sinnvoller ausgegeben werden als für Kinder und Bildung.

Doch es bedarf nicht nur der Politik, sondern auch der Bereitschaft der Arbeitgeber zum Umdenken. Nötig sind sowohl ein anderes Verständnis von zeitlicher Flexibilität im Job als auch neue Führungsmodelle. Die Präsenzpflicht in den Unternehmen als Wert an sich hat – gerade in einer digitalisierten Arbeitswelt – ausgedient. Ein Büro kann in vielen Jobs überall sein, auch im heimischen Wohnzimmer, wenn nötig. Was zählt, sind Ergebnisse von Projekten.

Auch Führungskräfte können in Teilzeit arbeiten

Ein Arbeitnehmer in Teilzeit gehört deshalb nicht insgeheim belächelt, auch die Männer nicht. Nicht jedes Unternehmen kann eine Betriebs-Kita anbieten. Aber die Bereitschaft, nach individuellen Lösungen zu suchen, braucht es, auch in Leitungspositionen. Warum nicht ein Führungstandem mit zwei Teilzeitstellen?

Und die Diskussion über flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, die Zusammenarbeit mit Babysitter-Agenturen. Die Bereitschaft, Gehalt an Eltern auszuzahlen, auch wenn diese zur Pflege ihrer kranken Kinder mal ausfallen. Respekt vor Wochenenden und Urlaub. Denn gleichzeitig hat die Wirtschaft mit Arbeitnehmern, die jeden Tag den Spagat zwischen Familie und Karriere hinbekommen, eine sichere Bank: Angestellte, die den Druck haben, ihr Kind nicht allein auf den Stufen einer Kita oder Schule sitzen zu lassen, verstehen etwas von Effizienz und Zeitmanagement: Grundvoraussetzungen für die Vereinbarkeit.