Bangkok. 82 Prozent der Ausfuhren aus Bangladesch sind Textilexporte. Doch auf dem Weltmarkt gibt es für das Land langsam deutliche Konkurrenz.

Vier Jahre ist es her, als bei einer der schlimmsten Industriekatastrophen der Neuzeit in Bangladesch beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza mehr als 1100 Menschen getötet wurden. Nun stehen Forderungen nach Verbesserungen der Sicherheit von rund vier Millionen größtenteils weiblichen Arbeiter in der Textilindustrie nicht mehr an oberster Stelle bei Gewerkschaften des Landes.

„Die Wahrung und Beibehaltung der Verbesserungen seit Rana Plaza steht für uns heute an dritter Stelle“, erklärte Kalpona Akther von der Gewerkschaftsvereinigung Bangladesh Center for Worker Solidarity (BCWS) gegenüber unserer Redaktion. „Priorität hat der Kampf, die Arbeitgeber zur Einhaltungen ihrer Verpflichtungen und um die Freiheit der Gewerkschaftsbewegung.“

Sicherheit wird aber nicht unwichtig

Die Verbesserung der Sicherheit gehört zu den wenigen Punkten der Übereinstimmung zwischen Arbeitnehmervertretungen in Bangladesch und den Fabrikbesitzer. „Rana Plaza war ein Weckruf für alle“, sagt Miran Ali, Sprecher Industriekatastrophen der mächtigen Unternehmensvereinigung „Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association (BGMEA) in Dhaka, „keine Textilindustrie investierte seither soviel in Sicherheit wie Bangladesch.“

Offenbar glauben die Fabrikanten, damit ihre Schuldigkeit getan zu haben. Denn seit Dezember 2016 gehen sie mit Hilfe der Regierung massiv gegen Arbeitnehmer vor, die damals eine Erhöhung des Mindestlohns verlangten. Eine Delegation der Europäischen Union (EU), die sich zusammen mit den USA, Kanada, der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) im sogenannten „Bangladesh Sustainability Compact“ zusammengeschlossen hat, geht bei einem Besuch in Bangladesch nun Vorwürfen nach: Wurde abgesehen von Verbesserungen bei der Arbeitssicherheit nichts umgesetzt von einem vier Jahre alten Forderungskatalog des Bündnisses?

Regierung ist gegen Gewerkschaften vorgegangen

Bangladeschs Partner im Sustainability Compact verlangten am Wochenende, dass die Regierung unverzüglich Strafanzeigen gegen Gewerkschaftsführer prüft und zurückzieht, die bereits im Dezember des vergangenen Jahres verfügt worden waren. Damals hatten Arbeiter von Textilfabriken im Stadtteil Ashulia gestreikt und eine Erhöhung des Mindestlohns verlangt. Die Regierung des Landes, die eng mit Textilunternehmen kooperiert, war während der vergangenen Wochen verstärkt gegen Gewerkschaften vorgegangen.

„Es gibt nur eine kleine Gruppe von Arbeitern und Arbeiterinnen, die Ärger machen“, sagt BGMEA-Sprecher Miran Ali. Bangladesh ist mit einem Marktanteil von 36 Prozent nach China der zweitgrößte Textillieferant der Welt. Die Exporte in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar – 82 Prozent aller Ausfuhren von Bangladesch – haben den einstigen internationalen Sozialfall in einen Staat verwandelt, der im Jahr 2020 in die Gruppe der Länder mit einem mittleren Einkommen aufsteigen will.

Äthiopien als Konkurrent mit Billig-Löhnen

In den Augen der Textilunternehmen ist dieses Ziel nur erreichbar, wenn niedrige Produktionskosten beibehalten werden. „Äthiopien ist unser gefährlichster Konkurrent“, sagt Miran Ali, der selbst über ein Heer von 13.000 Angestellten herrscht, „die haben nur ein Drittel unserer Lohnkosten.“

Gewerkschaften, die auf Arbeitnehmerrechte pochen, werden von den Arbeitgebern als Bedrohung betrachtet. „Wir wollen wie in Deutschland einen einzigen Gewerkschaftsverband“, sagt Miran Ali. Gegenwärtig gibt es gerade mal 500 Betriebsgewerkschaften in den 4500 Textilfabriken des Landes. „Aber man kann höchstens 50 von ihnen als wirklich unabhängige Gewerkschaften beschreibe, die den Namen verdienen“, sagt Kalpona Akther von der Arbeitnehmervereinigung BCWS, „die anderen stecken alle in der Tasche der Unternehmer.“