Berlin. Ein amerikanischer Top-Jurist hat die Geschichte seiner Familie aufgeschrieben. Es ist eine Reise ins Land der Wähler Donald Trumps.

Es waren die Wählerstimmen aus der „weißen Arbeiterklasse“, die Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten machten. Vor allem in den am stärksten von der De-Industrialisierung betroffenen sogenannten Rust-Belt-Staaten im Osten der USA entschieden sie die Wahl – ausgerechnet für den schillernden Milliardär aus New York.

Auch J. D. Vance stammt aus dem Rust-Belt, dem „Rost-Gürtel“ der USA. „Für diese Menschen ist Armut Familientradition“, schreibt der Mann aus Ohio über seine Landsleute. Sie waren Tagelöhner, Farmpächter, Bergarbeiter, Stahlwerker, arbeiteten im Sägewerk. „Amerikaner nennen sie Hillbillys, Rednecks oder White Trash“, so Vance. „Ich nenne sie Nachbarn Freunde und Verwandte.“

Spannende Reise ins „Trump-Land“

Der Autor J.D. Vance.
Der Autor J.D. Vance. © dpa | Luke Fontana

J. D. Vance, Jahrgang 1984, hat es geschafft, der Armut seiner Heimat zu entkommen. Er studierte an der Elite-Universität Yale Jura und ist heute als Investor tätig. Sein Buch „Hillbilly-Elegie“, in dem er die Geschichte seiner Familie beschreibt, gibt gleichzeitig tiefe Einblicke in die Gedankenwelt der Trump-Wähler im Rust-Belt. Das höchst lesenswerte Buch wurde in den USA zum Bestseller und ist nun in Deutschland erschienen (J. D. Vance: Hillbilly-Elegie, Ullstein Verlag, ca. 22 Euro).

Das Urteil des Autors über „Trump-Land“: Es ist „eine Welt wahrhaft irrationalen Verhaltens“. Die Menschen, so liest sich das Buch, seien zu einem erheblichen Teil selbst Schuld an ihrer Misere. Und die Belege des Autors für dieses Verdikt über seine Heimat sind drastisch. Etwa über den Umgang mit Geld.

„Sparsamkeit ist uns zuwider“

„Wir kaufen riesige Fernseher und iPads auf dem Weg ins Armenhaus. Unsere Kinder tragen schicke Klamotten dank unserer Kreditkarten und der Notkredite, die man zu Wucherzinsen an jeder Ecke bekommt. Wir kaufen Häuser, die wir nicht brauchen. Sparsamkeit ist uns im Innersten zuwider. Wir geben Geld aus und tun so, als gehörten wir zur Oberschicht.“ Die Folge: „Kein Geld für die Studiengebühren der Kinder, keine Investition, die unser Vermögen vermehrt, nichts auf der hohen Kante, falls mal einer seinen Job verliert.“

Ähnlich vollmundig lautet Vances Urteil über das Familienleben der Hillbillys, das er selbst so oder ähnlich erlebte. Das liest sich dann zum Beispiel so: „In unseren Häuser herrscht Chaos. Mindestens ein Familienmitglied ist drogenabhängig. Unsere Kinder sind in Pflegefamilien, bleiben aber meistens nicht lange. Wir sollten uns Arbeit suchen, aber wir haben keine Lust. Wir sprechen mit unseren Kindern über Verantwortung, aber wir selbst handeln nicht danach.“

„Fast meine ganze Familie hat Trump gewählt“

Der entscheidende Punkt – und hier kommt Trump ins Spiel: Schuld sind immer die anderen. Die Regierung, Obama, die Medien oder auch mal die Chinesen. Viele Hillbillys, so Vance, glaubten den abstrusesten Verschwörungstheorien, weil sie so schön einfach und bequem seien. Vance diagnostiziert „eine tiefe Skepsis gegenüber den Institutionen, die unsere Gesellschaft ausmachen“. Eine Mentalität, die den idealen Nährboden bietet für Trumps plumpe Propaganda gegen „die da oben“. „Fast meine gesamte Familie hat Trump gewählt“, erzählte Vance in einem Interview mit dem Internetportal cleveland.com. Er selbst nicht. Aber er kann seine Hillbilly-Verwandten verstehen.