Athen. Geldgeber haben sich mit der griechischen Regierung auf Milliardenhilfen geeinigt. Für die Griechen bedeutet das weitere Einschnitte.

Das klamme Griechenland kann mit einer neuen Finanzinfusion rechnen. Auf die Menschen, die bereits im siebten Jahr unter der längsten und tiefsten Rezession der Nachkriegsgeschichte leiden, kommen allerdings weitere Opfer zu – ausgerechnet unter dem linkspopulistischen Premier Alexis ­Tsipras, der bei seiner Wahl Anfang 2015 versprach, das Land aus der Krise zu führen.

Nach monatelangem Tauziehen haben sich die griechische Regierung und die Geldgeber des Krisenlandes am Dienstagfrüh auf ein neues Paket von Spar- und Reformschritten geeinigt. Damit können die Finanzminister der Eurogruppe bei ihrer nächsten planmäßigen Sitzung am 22. Mai eine Freigabe weiterer Kreditraten für Athen beschließen.

Hilfsgelder kommen nicht bei den Menschen an

Es geht um gut sieben Milliarden Euro aus dem im Sommer 2015 geschnürten dritten Rettungspaket, das Hilfen von bis zu 86 Milliarden Euro umfasst. Die Finanzspritze käme gerade noch rechtzeitig, bevor der griechische Finanzminister im Juni und Juli knapp 8,4 Milliarden Euro für Zinsen und die Tilgung fälliger Staatsanleihen aufbringen muss.

Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos.
Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos. © dpa | Petros Karadjias

Die Hilfsgelder werden also nicht bei den Menschen oder in der griechischen Wirtschaft ankommen, sie fließen an die Gläubiger, vor allem die Europäische Zentralbank (EZB). Die Einigung kam zustande nach einer rund zehnstündigen Nachtsitzung der griechischen Delegation unter Finanzminister Euklid Tsakalotos und den Vertretern der Gläubigerinstitutionen – der EU-Kommission, des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der EZB und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Griechenland mit Reformen im Rückstand

Der bereits vor mehr als einem Jahr fällige Abschluss der sogenannten zweiten Prüfrunde des Anpassungsprogramms hatte sich immer wieder verzögert, weil die griechische Seite mit der Umsetzung zugesagter Reformen im Rückstand war. Für Verzögerungen sorgten auch Meinungsverschiedenheiten unter den Gläubigern über die künftige Rolle des IWF im Griechenland-Rettungsprogramm. Während diese Kontroverse immer noch nicht beigelegt ist, musste die griechische Seite zum Schluss in fast allen Punkten den Forderungen der Geldgeber nachgeben.

Für die Griechen bedeutet das Verhandlungsergebnis neue Einschnitte. In den Jahren 2019 und 2020 soll das hoch verschuldete Land seinen Haushalt um rund 3,6 Milliarden Euro entlasten, je zur Hälfte durch Einsparungen bei den Ausgaben und Steuererhöhungen.

Renten werden ab 2019 gekürzt

Die Renten werden ab 1.1.2019 um durchschnittlich neun Prozent gekürzt. Das bedeutet neue Entbehrungen für die Rentner, deren Bezüge im Verlauf der Krise bereits mehrfach um durchschnittlich ein Viertel beschnitten wurden. Von den 2,6 Millionen griechischen Rentnern bekommt fast die Hälfte weniger als 700 Euro im Monat. Schwieriger noch: Wegen der hohen Arbeitslosigkeit von 23 Prozent müssen sich viele Familien mit den Renten der Eltern und Großeltern durchschlagen.

Auch wer Arbeit hat, muss sich künftig weiter einschränken. Ab 2020 wird der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer von 8636 auf 5681 Euro im Jahr gesenkt. Das trifft vor allem Bezieher kleiner Einkommen. Jeder zweite Beschäftigte in Griechenland verdient weniger als 800 Euro brutto im Monat. Zum Ausgleich für die höheren Steuern verspricht die Regierung bedürftigen Familien höhere staatliche Hilfen wie Mietzuschüsse, Kindergeld und verbilligte Arzneimittel.

Die Übereinkunft sieht auch eine Lockerung des bisher sehr strikten Kündigungsschutzes vor. Davon versprechen sich die Geldgeber die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die Ladenöffnungszeiten sollen dereguliert werden, mehr Einzelhandelsgeschäfte auch sonntags öffnen. Die Regierung verpflichtet sich außerdem zu weiteren Privatisierungen.

Parlament muss noch Gesetzesänderungen billigen

All das steht in diametralem Gegensatz zu den Versprechungen, die Tsipras vor seiner Wahl machte. Die nötigen Gesetzesänderungen sollen in den nächsten zwei Wochen vom griechischen Parlament gebilligt werden. Die Zustimmung gilt als sicher, auch wenn die Maßnahmen unpopulär sind. Premierminister Tsipras, dessen Koalition aus Links- und Rechtspopulisten seit Monaten mit miserablen Umfragewerten konfrontiert ist, hofft nach der Einigung auf das Sparpaket nun auf Schuldenerleichterungen.

Mehr als eine allgemein gehaltene Zusage hierzu kann Tsipras aber beim Treffen der Eurogruppe am 22. Mai nicht erwarten. Vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will den Griechen vor der Bundestagswahl keine weiteren Zugeständnisse machen.