Berlin. Die FDP zeigt ein neues Gesicht – und übernimmt den Job der Grünen, den etablierten Parteien im Wahlkampf ordentlich Dampf zu machen.

Ist Gelb das neue Grün? Sind die Liberalen des Jahres 2017 dabei, die alte Rolle der Grünen zu übernehmen? Freiheitlich, bürgerlich, entschieden gegen rechten Populismus – und unbequem für die großen Volksparteien? Die FDP pflegt mit ihrem jungen Parteichef die Rolle des politischen Aufmischers, des antiautoritären Störenfrieds – und übernimmt damit den Job der Grünen, der Partei also, die jahrzehntelang vom Image lebte, den etablierten Parteien Dampf zu machen, Mehltau wegzublasen, Unruhe zu stiften.

Von diesem Image ist bei den Grünen nicht mehr viel übrig geblieben. Sie sind in vielen Bundesländern Regierungspartei, und dort, wo sie es nicht sind, machen Union und SPD mit ehemals grünen Positionen Politik. Atomausstieg, Klimaschutz, Frauenquote, Toleranz gegenüber Homosexuellen – alles längst Konsens. Die FDP hat erkannt, dass es im deutschen Parteiensystem hier eine vakante Stelle gibt – und hat die Zeit als außerparlamentarische Opposition genutzt, um in diese Lücke zu stoßen.

FDP will wieder glaubhaft werden

Die FDP des Jahres 2017 hat nach außen hin nichts mehr zu tun mit der zerstrittenen Truppe der letzten Monate in der schwarz-gelben Koalition, einer Truppe, die am Ende nur von ihrem Machtwillen zusammengehalten wurde. Sichtbarstes Zeichen: Die Liberalen wollen unbedingt zusammenhalten, zumindest bis zum Abend des 24. September, wenn die Bundestagswahl vorbei ist. Kein öffentlicher Zank, keine persönlichen Attacken, keine unabgestimmten Ego-Trips auf Kosten der Partei. Alle Konflikte sind dem einen Ziel untergeordnet: Wieder glaubhaft zu werden.

FDP lehnt Koalitionsaussagen im Wahlkampf strikt ab

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    Nach einer Umfrage vom letzten Wochenende treffen sich Grüne und Liberale inzwischen beide in der heiklen Zone kurz über der Fünf-Prozent-Hürde. Doch die Stimmung könnte verschiedener nicht sein: Die Grünen stürzen aktuell von einem zweistelligen Ergebnis in Richtung Keller, die Liberalen sind nach oben geklettert. Was für die einen ein historischer Tiefpunkt ist, das schlechteste Ergebnis seit 15 Jahren, ist für die anderen Grund zur Zuversicht, ja mehr noch: Die FDP geht gut gelaunt in die anstehenden Landtagswahlen, die Grünen dagegen müssen in Nordrhein-Westfalen sogar den Rauswurf aus dem Parlament fürchten.

    Bildung und Digitalisierung sind die zentralen Themen

    Die FDP ist heute „grüner“ als je zuvor: Sie fordert zwar Steuersenkungen, wie früher, doch der Markenkern der Liberalen ist heute deutlich breiter. Sie haben der Versuchung widerstanden, im rechten Spektrum zu fischen, sondern bekennen sich zu Europa, zu Toleranz und einer modernen Einwanderungsgesellschaft.

    Die beiden zentralen Themen, mit denen die Liberalen in den Bundestagswahlkampf ziehen wollen – Bildung und Digitalisierung – könnten auch grüne Themen sein, wer sich darüber hinaus die Mühe macht, die Forderungen der Parteien nebeneinander zu legen, findet manche Gemeinsamkeit – bis hin zu urliberalen Ansichten wie der Öffnung der Ehe für Homosexuelle.

    Bundestagswahlkampf mit zwei Duellen

    Das hören sie natürlich nicht so gerne – weder bei den Liberalen noch bei den Grünen, dafür pflegen sie viel zu gerne ihre Feindbilder: „Marktliberal“ schimpfen die Grünen über die FDP, umgekehrt ätzen die Liberalen, die Grünen würden sich als „Erziehungsberechtigte“ der Republik aufspielen. In NRW haben sie Koalitionen schon mal wechselseitig ausgeschlossen.

    Der Bundestagswahlkampf kennt am Ende zwei Duelle – zwischen CDU-Chefin Angela Merkel und SPD-Chef Martin Schulz und zwischen den beiden kleinen, freiheitlichen Parteien, den Grünen und der FDP. Und das ist gut so. In Zeiten, in denen die AfD mit ihrem dumpfen Dagegensein noch immer droht, drittstärkste Kraft im Bundestag zu werden, ist es wichtig, dass zutiefst demokratische, europafreundliche Parteien streitlustig die Aufmerksamkeit der Wähler fesseln.