Berlin. Die Deutschen zahlen mehr Steuern und Abgaben denn je. Damit könnte der Staat viel Sinnvolles tun – vor allem für die Digitalisierung.

Den Deutschen geht es gut. Sie sind zufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Situation, die Sorgen um den Arbeitsplatz sind gering, der Blick in die Zukunft rosarot. Angesichts der aktuellen Wirtschaftsdaten ist dieses Ergebnis einer aktuellen Umfrage nicht überraschend. Aufhorchen lassen andere Antworten.

Zum Beispiel findet mehr als die Hälfte der Befragten die Höhe der Sozialabgaben „angemessen“. Debatten über Umfang und Leistungen des Sozialstaats sind derzeit nicht zu erwarten – dafür geht es uns zu gut. Bemerkenswert ist auch, dass eine relative Mehrheit auf die Frage, was der Staat mit zusätzlich eingenommenem Geld tun soll, antwortet: „Der Staat soll die Mehreinnahmen in die Infrastruktur investieren!“ Die Forderung, das Geld an die Bürger zurückzugeben, folgt auf Platz zwei. Der Abbau der noch immer ziemlich hohen Staatsverschuldung liegt nur auf Platz drei.

Straßen und Schienen sind in schlechtem Zustand

Daraus spricht nicht nur ein offenbar unerschütterliches Vertrauen der Deutschen in ihren Staat. Erkennbar ist auch eine Erwartungshaltung: Wir zahlen mehr Steuern und Abgaben denn je und möchten, dass die öffentliche Verwaltung und die Sozialkassen damit etwas Vernünftiges anstellen.

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    Diese Erwartung aber könnte bitter enttäuscht werden, jedenfalls wenn es um die Infrastruktur geht. Straßen, Schienen und Flughäfen sind in keinem guten Zustand. Die Beispiele dafür sind nicht schwer zu finden: Brücken, die gerade vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Straßen, die jeden Stoßdämpfer in seine Einzelteile zerlegen. Oder Radwege, die wegen wuchernder Baumwurzeln nur mit dem Mountainbike zu befahren sind. In Berlin kommen noch zwei Flughäfen hinzu, die zwar funktionieren, aber das seit Jahren am Rande ihrer Kapazität.

    Tut endlich etwas mit unserem Geld!

    Zur Infrastruktur gehören im weiteren Sinne auch Kindergärten und Schulen, deren Räume inzwischen von Eltern in ihrer Freizeit renoviert werden und deren Toiletten auch mit viel Scheuermittel nicht benutzbarer werden. Der Wunsch, der Staat möge hier mehr investieren, ist in Wahrheit ein verzweifelter Ruf: Tut endlich etwas mit unserem Geld! Straßen und Brücken in Schuss zu halten, ist die Pflicht der öffentlichen Hand – und zwar nicht nur, um kilometerlange Staus zu verhindern. Rollender Verkehr ist Grundvoraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft.

    Doch es reicht nicht, Beton zu verbauen. Die Infrastruktur, auf die es in den nächsten Jahren ankommt, ist aus Glasfaser. Ohne leistungsfähige Kabel kann die Digitalisierung nicht weitergehen. In den Städten ist das kein Problem. Die Herausforderung ist, Kleinstädte und Dörfer anzubinden. Die Provinz mag unsexy sein, aber hier sitzen die erfolgreichen Mittelständler, die für die deutsche Wirtschaft so wichtig sind. Hier wohnen auch Menschen, die sich zunehmend abgehängt fühlen. Für beide ist die Digitalisierung überlebenswichtig.

    Zuständiger Minister Dobrindt tut zu wenig

    Noch aber ist Deutschland in weiten Teilen ein digitales Entwicklungsland. Freies und öffentliches Wlan ist weitgehend unbekannt – auf der Straße sowieso, aber auch in Bussen und Straßenbahnen. Der Internationale Währungsfonds hat der Bundesregierung jüngst empfohlen, mehr Geld in digitale Infrastruktur zu stecken. Doch der zuständige Minister Alexander Dobrindt (CSU) gibt nur in einem Nebensatz zu, dass noch „Herausforderungen beim Breitbandausbau“ zu meistern sind. Sein Selbstlob ist ihm wichtiger.

    Damit aber kommt man nicht weit. Sollte die Konjunktur wieder schlechter laufen, wird nicht nur der Staat seine Ausgaben überprüfen müssen. Auch die Bürger werden dann fragen: Wohin ist das Geld geflossen? Besser wäre es, es gar nicht so weit kommen zu lassen.