Ermittlungen

Der Terror ist nach Paris zurückgekehrt – aber warum?

| Lesedauer: 4 Minuten
Peter Heusch
Bestürzung über Anschlag auf den Champs Elysees

Bestürzung über Anschlag auf den Champs Elysees

Nach dem Anschlag in Paris fahndet die französische Polizei nach einem weiteren Verdächtigen.

Beschreibung anzeigen

Ein Attentäter tötet Polizisten mitten auf dem Pariser Prachtboulevard Champs-Elysées. Ermittler rätseln am Tag danach über das Motiv.

Paris.  Es ist ein grauer Audi, der vor einer auf Rot springenden Ampel auf den Champs-Elysées stoppt, hinter dem Cyril M. am Donnerstagabend kurz nach 21 Uhr seinen Wagen zum Stehen bringt. Im nächsten Augenblick muss er mitansehen, wie der Fahrer des Audis aussteigt, auf einen auf dem rechten Standstreifen stehenden Mannschaftsbus der Polizei zugeht, „als wolle er die Insassen um eine Auskunft bitten“, plötzlich ein Kalaschnikow-Schnellfeuergewehr unter seiner schwarzen Jacke hervorzieht und das Feuer eröffnet.

Ein Polizist wird von dem den Mannschaftsbus durchsiebenden Kugelhagel auf der Stelle getötet und zwei weitere schwer verletzt, bevor deren Kollegen reagieren können, das Feuer erwidern, den daraufhin zu Fuß flüchtenden Angreifer verfolgen und schließlich niederschießen. Dramatische Minuten auf der zu dieser Stunde stark belebten Prachtavenue im Herzen der Seine-Metropole, in denen wie durch ein Wunder nur eine weitere Person, eine ausländische Touristin, durch einen Querschläger leicht verwundet wird.

Sofort Anti-Terror-Ermittlungen an

Als Präsident François Hollande am späten Abend in einer kurzen TV-Ansprache von Spuren spricht, die auf einen terroristischen Hintergrund der Tat hindeuten, hat die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft schon längst die Ermittlungen an sich gezogen. Viel zu sehr ähnelt der blindwütige Angriff fünf vergleichbaren islamistischen Anschlägen, die in den vergangenen zwei Jahren auf Soldaten oder Polizisten in Frankreich verübt worden sind.

Polizist bei Anschlag in Paris getötet
Polizist bei Anschlag in Paris getötet

Auch aufgrund des in Frankreich seit November 2015 geltenden Ausnahmezustands dauert es nur wenige Minuten, bis die Champs-Elysées von einem starken Aufgebot an Sicherheitskräften weiträumig abgeriegelt sind. Über Radio und die sozialen Netzwerke fordern die Behörden dazu auf, die Prachtavenue und ihre unmittelbare Umgebung zu meiden. Vor Ort hält die Polizei die Kunden der gut besuchten Restaurants und Boutiquen dazu an, dort zu bleiben, wo sie sind und weitere Informationen abzuwarten.

Augenzeugen berichten von zweitem Täter

Weil mehrere Augenzeugen von zwei Angreifern sprechen, wird das gesamte Viertel durchkämmt. Doch nach zwei Stunden verfestigt sich die Überzeugung, dass ein Einzeltäter den Anschlag ausführte. Die Polizeipräfektur ordnet gegen 23 Uhr die Evakuierung der bis dahin zurückgehaltenen Restaurant- und Geschäftsbesucher an, deren Personalien zuvor ausnahmslos kontrolliert werden.

Zu diesem Zeitpunkt ist der getötete Attentäter bereits identifiziert. Es handelt sich um den vorbestraften 39-jährigen Franzosen Karim Cheurfi. Der in der Pariser Region beheimatete Mann hatte bereits 2001 zwei Mal Polizisten mit einer Schusswaffe angegriffen und war deswegen zu 15 Jahren Haft verurteilt wurden. Ende des Jahres 2015 kam er wegen guter Führung vorzeitig aus dem Gefängnis frei, doch die Behörden behielten ihn im Auge.

Sympathien für den Dschihad waren unbekannt

Erst im Februar wurde er unter dem Verdacht verhaftet, Pläne zur Ermordung von Polizisten zu schmieden – allerdings aus persönlichen Gründen und nicht etwa wegen bis dato unbekannten Sympathien für den Dschihad. Da die Polizei ihren Verdacht jedoch in mehreren Verhören nicht erhärten konnte, wurde er nach wenigen Tagen wieder aus dem Gewahrsam entlassen.

Noch in der Nacht auf Freitag nahmen die Ermittler drei Familienangehörige Cheurfis fest und durchsuchten seine Wohnung. Offenbar gibt es inzwischen Zweifel an einem islamistischen Hintergrund des Anschlags, obwohl sich die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu ihm bekannt hat.

Verdächtiger stellt sich in Antwerpen der Polizei

Das IS-Sprachrohr Amak nämlich wies die Tat einem Mann namens Abu Jussuf al-Beldschiki (Der Belgier) zu. Die französische Polizei löste daraufhin am Freitagmorgen eine Fahndung nach einem weiteren Verdächtigen aus. Dieser, so teilte das Pariser Innenministerium mit, sei von belgischen Behörden identifiziert worden. Unklar ist, ob es sich um denselben Mann handelt, der sich kurz darauf in Antwerpen freiwillig der Polizei stellte.

Mehr zum Thema:

Angriff auf Polizisten in Paris: Auch eine Deutsche verletzt

Arbeitslosigkeit bis Terror: Knackpunkte der Frankreich-Wahl

Was die Frankreichwahl für Brüssel und Berlin bedeutet

So wird der französische Präsident gewählt

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Politik