Berlin. Wie viel Freiheit ist beim Fußball möglich, wie viel Sicherheit für Spieler und Fans nötig und wie viel Volksnähe überhaupt vertretbar?
Wird der Fußball nach dem Anschlag in Dortmund zur Mutprobe? Das wäre krank, aber genau so dürften es die Kicker von Borussia Dortmund empfunden haben, als sie am Mittwoch ins Stadion fuhren und den Rasen betraten; aufgefordert, sich nicht „einschüchtern“ zu lassen. Die Wahrheit lag auf dem Platz, bloß anders als im Volksmund gemeint ist: Was diesmal zählte, waren nicht die Tore, nicht das Ergebnis, nicht die Handlung, sondern allein die Haltung. Fußball ist, wenn du trotzdem spielst – in Terrorzeiten.
Der Verein machte vieles richtig, nachdem am Dienstag Bomben detoniert und der Mannschaftsbus angegriffen worden war. Das Krisenmanagement war tadellos, geistesgegenwärtig, ruhig, abgeklärt, die Reaktion der Fans auch. Borussia Dortmund hat Sympathien gewonnen. Es gibt keine Tabelle dafür. Es war trotzdem Spitze. Es war kein Angriff auf den Fußball oder auf den Sport. Aber er traf einen neuralgischen Punkt. Denn Fußball ist ein Volkssport, gerade im Revier und für eine Stadt wie Dortmund identitätsstiftend.
Fußball ist ein Geschäft
Der Terrorismus lehrt uns, was wir längst haben erfahren müssen: Wir sind alle gefährdet. Jederzeit. Überall. Es gibt keine Komfortzone, keinen Promischutz und vor allem keine Schutzräume gegen Terror. Vieles am Dortmunder Anschlag ist diffus. Wer den größtmöglichen Schaden, ein Maximum an Angst und Sicherheit anstrebt, hätte in Stadionnähe zugeschlagen. Es sieht fast so aus, als wollte jemand gezielt die Mannschaft treffen. Seltsam. Dass gleich mehrere Bekennerschreiben vorliegen, ist nicht selten, aber zumindest sonderbar. Die Ungereimtheiten wollen nicht enden.
Es passt nicht zum „Islamischen Staat“, dass er ein Stück Papier am Tatort zurücklässt. Die haben ihre Kanäle im Internet und in den sozialen Netzwerken, die sie modern und professionell für ein globales Publikum nutzen. Es war wohl alternativlos, das Spiel gleich einen Tag später nachzuholen. Wer will, mag darin eine Botschaft lesen: Jetzt erst recht. So sehen es der Verein und die Politik. Zur Wahrheit gehört indes auch, dass Fußball ein Geschäft ist. Die Partie musste nicht nur nachgeholt werden, um ein Signal zu setzen, sondern auch aus profanen Motiven: Spielplan, Ticketinhaber, Logistik, Vermarktung.
Sicherheitsabstand halten
Es gelten die Gesetze des Showbiz, the Show must go on. Für die Vereine darf das freilich nicht gelten. Wenn die Untat aufgeklärt ist, muss eine schonungslose Analyse folgen, die auch die Fans hart auf die Probe stellen könnte. Denn mehr Sicherheit heißt auch mehr Distanz. Will sagen: Die Bundesliga ist im internationalen Maßstab eine vergleichsweise offene, volksnahe Veranstaltung.
Das Training ist häufig öffentlich, in den Mannschaftshotels ist es für Fans leicht, Spieler anzusprechen und um ein Autogramm oder Selfie zu bitten. Nach dem Anschlag steht all das zumindest auf dem Prüfstand und zur Diskussion, ob die Vereine einen größeren Sicherheitsabstand halten sollten – buchstäblich wie bildlich –, schon weil der nächste Anschlagsversuch nur eine Frage der Zeit ist und heftiger ausfallen könnte.
Anschlag auf BVB-Teambus in Dortmund
Das Dilemma einer Freiheitsgesellschaft wiederholt sich im Kleinen, im Sport, wie viel Freiheit ist möglich, wie viel Sicherheit nötig? Man wird Mannschaftsbusse besser sichern, verstärkt begleiten und rund um die Uhr überwachen müssen, ebenso die Unterkünfte und alles andere. Die neuralgische Zone sind die Stadien, inklusive Anfahrtswege. Wenn Böller in die Stadien hineingeschmuggelt werden können, kann das auch mit anderem gelingen. Die Sicherheit muss zwingend verbessert werden, denn Fußball darf keine Mutprobe sein, nicht für die Fans und auch nicht für die Spieler.