Berlin/Kairo. Die Anschläge von Ägypten sorgen für Entsetzen. Auch in vielen anderen Ländern sind Menschen mit christlichem Glauben in Gefahr.

In der Wohnung von Bassam Atta fehlte nichts. Der Schmuck seiner Frau war noch da, auch das Geld. Die Einrichtung war unzerstört. Der ägyptische Arzt aber wurde tot aufgefunden, erstochen mit einem Messer. „Es gab keine Anzeichen für einen Kampf“, berichtete der Nachbar, der Atta am 13. Januar dieses Jahres fand – in einer Stadt 400 Kilometer südlich von Kairo. Für die christlich-evangelikale Organisation „Open Doors“, die auf ihrer Internetseite über den Fall berichtet, deutet vieles darauf hin, dass es sich um einen religiös motivierten Mord handelt, denn der Arzt war Christ.

Durch solche Fälle, aber erst recht durch die Anschläge vom Palmsonntag mit mindestens 44 Toten und mehr als 110 Verletzten, ist deutlich geworden: Wenn am Osterwochenende der höchste christliche Feiertag begangen wird, dann ist das in Deutschland und Europa eine Selbstverständlichkeit – in vielen anderen Ländern aber werden Christen verfolgt. Zum Teil von Gläubigen anderer Religionen. Zum Teil aber auch durch totalitäre Regime, die fürchten, die Kontrolle über ihre Bürger zu verlieren.

Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche ist erschüttert

Auch aus Ägypten, wo zehn Prozent der Bevölkerung Christen sind, gab es immer wieder Berichte über religiös motivierte Gewalt. Hass auf Christen werde an Schulen und in Moscheen geschürt, beschreibt der Bischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Anba Damian, das Klima in Ägypten. Die Anschläge machten ihn wütend, sagt Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche. „Ich bin im Gebet bei den Opfern dieser fürchterlichen Angriffe. Und ich hoffe, dass alle Menschen in Ägypten und überall auf der Welt jetzt zusammen helfen, dass solch ein menschenverachtender Fanatismus, der zu solchen Taten führt, endlich überwunden wird.“

Religiöse Minderheiten im Nahen Osten bräuchten einen besseren staatlichen Schutz, fordert der höchste Repräsentant der evangelischen Kirche. „Die Behörden in Ägypten und anderen Ländern müssen Sicherheit für alle Bürger vor solchen grausamen Verbrechen garantieren. Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht.“

Dass dies nicht immer der Fall ist, zeigt eine beispielhafte Übersicht von Ländern mit christlichen Minderheiten:

Nordkorea

Nordkorea gilt seit Jahren als das christenfeindlichste Land der Welt. Der Glaube gilt im Reich von Diktator Kim Jong-un als westlich. Also bekämpft das stalinistische Regime die Religion mit aller Kraft. Viele Menschen verstecken ihren Glauben vor Nachbarn und sogar vor den eigenen Kindern. Laut dem Hilfswerk „Open Doors“ hält die Regierung Zehntausende Christen in Arbeitslagern gefangen. Dort werden sie gefoltert, viele Menschen verhungern wegen der schlechten Versorgung. Auch Christen mit kommunistischem Hintergrund sollen nicht verschont werden. Unklar ist, wie die Organisation zu ihrer Schätzung kommt.

China

Immer mehr Chinesen werden Christen. Manche Quellen gehen von inzwischen 80 Millionen Gläubigen aus. Doch auch in der Volksrepublik haben es Christen nicht leicht. Mao Tse-tung war Atheist, ließ Christen verfolgen. Heute kontrolliert die kommunistische Führung Chinas die Ausübung der Religion. So müssen sich Katholiken der „Patriotischen Kirche“ anschließen – die nicht einmal den Papst anerkennt. Für die Protestanten gibt es die „Drei-Selbst-Bewegung“. Viele Menschen vertrauen diesen staatlichen Organisationen nicht. Sie treffen sich in Untergrund- oder Hauskirchen, die jedoch verfolgt werden.

Indien

Alle großen Weltreligionen sind in Indien beheimatet. Die Mehrzahl der Menschen sind Hindus, etwa 80 Prozent. Christen und Muslime leiden in Indien zunehmend unter extremistischen Hindus. So greifen etwa „Kuh-Rächer“ (Gau Rakshaks) Christen oder Muslime an, die Rinder halten oder Rindfleisch kaufen. Bei diesen Überfällen wurden mehrere Menschen ermordet. Kühe sind den Hindus heilig. Die „Kuh-Rächer“ sind nur ein Teil eines Trends: Seit dem Sieg des hindu-nationalistischen Premierministers Narendra Modi im Jahr 2014 gehen extremistische Hindus mit Härte gegen Christen und Muslime vor – diese werden diskriminiert, geschlagen, zum Übertritt zum Hinduismus gezwungen oder ermordet.

Irak

Es gibt schon lange Christen im Irak, sie sind ein fester Bestandteil der Gesellschaft. Doch die Gemeinden werden immer kleiner: So lebten 2003, vor dem Angriff auf Diktator Saddam Hussein, noch etwa 1,2 Millionen Christen im Irak. Heute sind es nur noch etwa 250.000. Sie werden vor allem von radikalen sunnitischen Gruppen terrorisiert. Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) vertrieb, verschleppte und tötete Christen. Die Islamisten zerstörten zudem christliche Gebäude, etwa das Kloster Sankt Elias in der Nähe Mossuls. In der irakischen Politik spielen Christen kaum eine Rolle, Schiiten und Sunniten geben den Ton an.

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    Iran

    Es gibt nur wenige Christen im Land der Mullahs, und sie haben es schwer. Der Staat geht vehement gegen christliche Missionierungen vor. Muslimen, die den Glauben wechseln, drohen viele Jahre im Gefängnis oder sogar die Todesstrafe.

    Somalia

    Christen sind in einem der ärmsten Länder der Welt eine Minderheit, es gibt nur einige Hundert. Mehr als 99 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Zwar sieht die Verfassung persönliche Religionsfreiheit vor, verbietet aber die Verbreitung jeder Religion außer dem Islam. Weihnachten wurde in Somalia verboten. Der Minister für religiöse Angelegenheiten hatte Ende 2015 „null Toleranz für unislamische Feiern“ angesagt. Seit etwa zehn Jahren versucht zudem die Terrormiliz al-Schabaab einen sogenannten Gottesstaat zu errichten. Für die sunnitischen Extremisten gelten sogar moderate Muslime als Ungläubige – und erst recht Christen.

    Syrien

    Rund zehn Prozent der syrischen Bevölkerung sind Christen. Der Glaube ist in dem Land im Nahen Osten tief verwurzelt. Klöster zeugen davon. Besonders stark vertreten ist die griechisch-orthodoxe Kirche. Die säkulare Führung des Landes nimmt für sich in Anspruch, Religionsfreiheit zu garantieren. Christen konnten in Syrien lange freier leben als in vielen anderen arabischen Ländern. Doch der seit 2011 herrschende Bürgerkrieg hat für viele Gläubige so gut wie alles verändert. Die Christen leiden wie die gesamte Bevölkerung unter der Gewalt. Die Angst vor muslimischen Extremisten ist bei vielen Christen so groß, dass sie Staatschef Baschar al-Assad unterstützen. (mit dpa)