Berlin. Der Staat muss auf Rechtsextreme in der Bundeswehr mit null Toleranz reagieren. Sie dürfen dann keinesfalls mehr an der Waffe dienen.

Die Bundeswehr hat über 178.000 Soldaten. Bei 143 rechtsextremen Delikten im Jahr 2016, insgesamt 275 Verdachtsfällen, kann man nicht behaupten, die Streitkräfte hätten ein größeres Problem als die Gesamtgesellschaft. Zur Erinnerung: Die NPD hat über 300 Mandate in kommunalen Parlamenten. Und gerade erst räumte der Verfassungsschutz ein, dass Sachsen ein spezielles Problem mit Rechtsextremismus habe. Und doch dürften die braunen Umtriebe bei der Truppe viele Bürger besonders beunruhigen – und zwar zu Recht.

Das liegt daran, dass man generell an Sicherheitsbehörden höhere Anforderungen stellt und stellen darf. Wenn „Reichsbürger“, Staatsleugner, bei der Polizei arbeiten, ist man alarmiert – genauso, wenn Neonazis bei der Truppe Zugang zu Waffen haben. Zumal eine hohe Dunkelziffer zu befürchten ist. Nicht jeder Störfall wird gemeldet. Es gibt auch falsch verstandene Kameradschaft.

NSU-Terrorist Uwe Mundlos begann bei der Bundeswehr

Jeder Verdachtsfall, der sich bestätigt, beschädigt das Ansehen der Streitkräfte. Besonders bitter, ja ungerecht ist es bei der Flüchtlingspolitik. Die Bundeswehr hat bei der Betreuung der Menschen eine hervorragende Arbeit geleistet. Die wird durch fremdenfeindliche Vorfälle verdeckt und beschmutzt. Vor allem werden alte Wunden wieder neu aufgerissen. Schon der NSU-Untersuchungsausschuss hat do­­kumentiert, wie ein Rechtsextremist und späterer Terrorist Uwe Mundlos bei den Militärs seinen Weg machte.

Einige der auffällig gewordenen Soldaten hatten noch immer Zugang zu Waffen.
Einige der auffällig gewordenen Soldaten hatten noch immer Zugang zu Waffen. © REUTERS | Fabrizio Bensch

Die Truppe ist zwar ein Spiegelbild der Gesellschaft, aber die Wehrpflicht ist ausgesetzt: Man muss nicht jeden Bewerber nehmen. Zumal die Affinität der Rechten zu Waffen bekannt ist. Über die Bundeswehr verschaffen sie sich Zugang dazu, inklusive militärischer Ausbildung und Insiderwissen. Die Bundeswehr war bisher zu lax. Erst jetzt, zum 1. Juli, wird für jeden Bewerber eine Sicherheitsüberprüfung eingeführt. Der Impuls dazu war die Sorge vor Islamisten und weniger das Dauerproblem mit den Ewiggestrigen.

Man kann nicht verhindern, dass Extremisten bei der Bundeswehr landen oder sich dort radikalisieren. Umso mehr kommt es darauf an, wie die Truppe mit solchen Leuten umgeht. Da kann man der Linken-Politikerin Ulla Jelpke nur beipflichten: Wer den Hitlergruß macht, hat sich disqualifiziert, wer sich als Hitler-Fan entpuppt, muss rausfliegen. Null Toleranz.

Der MAD ist eine abgeschottete Behörde

Zur Konsequenz muss noch etwas anderes hinzukommen: Transparenz. Die Streitkräfte haben zwar einen eigenen Verfassungsschutz mit etwa 1000 Mitarbeitern, den Militärischen Abschirmdienst (MAD). Aber es wäre an der Zeit, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) dort mal die Fenster aufreißt, für Zugluft sorgt. Im Vergleich zum Bundesamt für Verfassungsschutz oder zum Bundesnachrichtendienst (BND) ist der MAD eine abgeschottete Behörde, die Öffentlichkeit scheut, wenig erklärt oder um Vertrauen wirbt. Ihr Internet-Auftritt erfüllt selbst für die Maßstäbe eines Geheimdienstes nur das rigorose Minimum an Aufklärung und Information, das man von einer modernen Behörde erwarten darf. Von der Leyens Modernisierungsoffensive hat einige Winkel offenbar noch nicht erreicht.

Die Bundeswehr ist nahezu ein Unikat: Sie ist eine Parlamentsarmee und verfolgt das Leitbild der inneren Führung – zwei Lehren aus der Geschichte. Im Idealbild ist der Soldat ein Staatsbürger in Uniform. Wenn das ernst genommen wird, müssen die Soldaten ihre Rolle in den Streitkräften und in der Gesellschaft immer wieder reflektieren. Mehr als die Medien, als die Parlamentarier, als die Bürger müssen die rechtsextremen Verdachtsfälle die Soldaten umtreiben. Die Verfassungsfeinde sind unter ihnen.