Düsseldorf/Berlin. Im Terror-Prozess um die nicht detonierte Bombe, die im Dezember 2012 im Bonner Hauptbahnhof gefunden wurde, ist das Urteil gefallen.

Der Sprengsatz im Bonner Hauptbahnhof war gut versteckt: In einer blauen Sporttasche unter einer Sitzbank an Gleis 1 lag die Rohrbombe mit 115 Gramm Sprengstoff, zusammen mit vier Gaskartuschen und einem Wecker, auf dem die geplante Detonationszeit eingestellt war: 13.30 Uhr. Marco G., ein zum Islam konvertierter Deutscher aus Oldenburg, hatte die Tasche eine knappe halbe Stunde vorher dort abgestellt. Wollte er damals am 10.Dezember 2012 ein Blutbad auf dem Bonner Hauptbahnhof anrichten?

Die Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf sind davon überzeugt: Sie verurteilten den 30-jährigen Marco G. am Montag wegen versuchten Mordes und Bildung einer terroristischen Vereinigung zu lebenslanger Haft. Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest, womit eine Entlassung aus der Haft nach 15 Jahren ausgeschlossen ist.

Die Verteidigung sprach von einer Bombenattrappe

Dass die Bombe damals nicht explodierte, war nach Ansicht der Richter nur Zufall: Die Konstruktion sei besonders empfindlich gewesen, Schüler hätten auf dem Bahnsteig gegen die herrenlose Sporttasche getreten. Als die Polizei auf die Tasche aufmerksam geworden war, evakuierte sie den Bahnhof und machte die Bombe mit einem Wassergewehr unschädlich. Einen Zünder entdeckten die Ermittler danach nicht.

Polizisten untersuchten im Bonner Hauptbahnhof Reste der zerstörten blauen Sporttasche, in der sich der Sprengsatz befunden hatte.
Polizisten untersuchten im Bonner Hauptbahnhof Reste der zerstörten blauen Sporttasche, in der sich der Sprengsatz befunden hatte. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Meike Böschemeyer

Die Verteidigung hatte deswegen behauptet, es habe sich nur um eine Bombenattrappe gehandelt – sie habe eine „letzte Warnung an die Ungläubigen“ sein sollen. Doch das Gericht sah es als erwiesen an, dass Marco G. als Einzeltäter sehr wohl eine komplette Bombe deponiert hatte. Möglicherweise habe die Zündvorrichtung aus Kleinstteilen bestanden, die schon unbeschädigt kaum aufzufinden seien – und erst recht, wenn die Konstruktion bei der Entschärfung in Einzelteile zerlegt werde wie in diesem Fall.

Al-Qaida-Anleitung zum Bombenbau

Marco G. habe sich intensiv im Internet über Zünder informiert, eine Al-Qaida-Anleitung zum Bombenbau sei bei ihm ebenso entdeckt worden wie weiterer Sprengstoff im Kühlschrank sowie eine in einem Staubsauger versteckte Pistole.

Auf die Spur kamen die Ermittler dem 30-Jährigen erst drei Monate später, als er in der Nähe des Hauses des Rechtsextremisten Markus Beisicht in Leverkusen festgenommen wurde. Bei einem DNA-Abgleich entdeckten die Beamten den Zusammenhang mit der Bombe: Denn Spuren des Sohnes und der Frau von Marco G. fanden sich an der Apparatur.

Mit der Festnahme in Leverkusen verhinderten die Ermittler damals offenbar ein Mordkomplott gegen den Rechtsextremisten Beisicht, das ebenfalls Gegenstand des am Montag beendeten Terrorprozesses war: Drei Mitangeklagte wurden wegen Beteiligung an dem Komplott und der Bildung einer terroristischen Vereinigung zu Haftstrafen zwischen neuneinhalb und zwölf Jahren verurteilt.

Attentat auf Rechtsradikalen geplant?

Die drei und Marco G. sollen als Mordkommando im März 2013 auf dem Weg zu Beisicht gewesen sein, als sie 600 Meter von dessen Wohnhaus entfernt von der Polizei gestoppt wurden – im Auto, das bereits von der Polizei mit Abhörmikrofonen „verwanzt“ war, fanden sich zwei Pistolen und Schalldämpfer. Das Gericht war überzeugt, dass die vier Verurteilten Beisicht als Chef der rechtsradikalen Anti-Islam-Partei Pro NRW erschießen wollten – nachdem die Partei mit Mohammed-Karikaturen und Demonstrationen vor Moscheen den Unmut von Islamisten auf sich gezogen hatte.

Der Prozess vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht hatte zweieinhalb Jahre und 154 Verhandlungstage gedauert, immer wieder war es turbulent zugegangen. Die Angeklagten wurden mitunter gefesselt von einem halben Dutzend maskierter Polizeibeamten auf die Anklagebank gezerrt, weil sie lieber beten wollten als am Prozess teilzunehmen. Wiederholt beschimpften die Beschuldigten die Richter oder Bundesanwälte obszön. Mitunter blieben die Angeklagten auch demonstrativ sitzen, wenn die Richter den Saal betraten, dann wieder stießen sie wüste Drohungen aus.

Seit in der Gefängniszelle von Marco G. Hinweise auf Ausbruchpläne gefunden worden waren, wurde er nur noch mit dem Hubschrauber in den Gerichtssaal und zurück transportiert. Zur Urteilsverkündung am Montag hatte der Islamist den Gerichtssaal mit dem Ruf „Allahu akbar“ (Gott ist groß) betreten. Ein psychiatrischer Gutachter attestierte ihm eine unterdurchschnittliche Intelligenz und geringe Leistungsbereitschaft. Marco G. habe fast durchweg von Sozialleistungen des Staates gelebt. Für Polizei und Justiz war er kein Unbekannter: Wegen Überfällen und Beihilfe zum Drogenhandel hatte Marco G. bereits zwei Jahre Jugendstrafe im Gefängnis abgesessen.