Berlin. Erdogans Wahlkampf zu dem Verfassungsreferendum baut auf Angst aus. Hilfe aus Deutschland kann und darf er deshalb nicht erwarten.

Dass Auslandsgeheimdienste im Ausland spionieren oder dort sesshafte Staatsfeinde beobachten, ist nicht nur nichts Besonderes – es ist deren Aufgabe. Sich pauschal darüber zu erregen, dass der türkische Dienst MIT auch in Deutschland aktiv ist, wäre einigermaßen heuchlerisch.

Problematisch wird die Sache erst durch die derzeitige Definition von „Staatsfeind“ durch Ankara. Die beschränkt sich nicht auf Islamisten oder die auch bei uns als terroristisch eingestufte kurdische PKK, nicht auf Rechtsextreme, die es auch dort gibt, oder militante Linksradikale. Im Staate Erdogans hat man es besonders auf die tatsächlichen oder vermeintlichen Anhänger der Gülen-Bewegung abgesehen, die für den gescheiterten Putschversuch im vergangenen Sommer verantwortlich gemacht wird.

Nun zählen der in den USA lebende Prediger Fethullah Gülen und seine Sympathisanten gewiss nicht zu den Erfindern von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Dafür aber, dass sie hinter dem Putschversuch vom vergangenen Sommer stehen sollen oder den Staat unterwandern, konnte Ankara bisher nur Behauptungen, aber keinen einzigen Beweis vorbringen.

Spitzelei geht auch gegen die Grundregeln der Rechtsstaatlichkeit

Bedenklicher ist noch, dass nicht nur die Gülen-Bewegung, der immerhin sektenhaftes Gebaren nachgesagt werden kann, das Terror-Etikett aufgepappt wurde, sondern dass mittlerweile jedem dieses Verdikt droht, der nicht für Erdogan und sein angestrebtes Präsidialsystem ist. So werden nicht nur innertürkische Konflikte zu uns exportiert. Die türkische Spitzelei geht auch gegen die Grundregeln der Rechtsstaatlichkeit.

Dafür Unterstützung von deutschen Behörden und Politikern zu erwarten, war einigermaßen abenteuerlich. Dass diese im Gegenteil nun Deutschtürken informieren, vor Reisen in die Türkei warnen und Beweise für bisher bestrittene türkischen Geheimdienstaktivitäten hierzulande in Händen halten, dürfte Ankara erneut in Wallung versetzen. Es passt aber auch in die derzeitige Eskalationsstrategie Erdogans im Vorfeld seines Verfassungsreferendums.

Erdogans bisherige Strategie läuft fehl

Ein Erfolg ist ihm am 16. April längst nicht gewiss. Da kommt es auch auf jede Stimme der wahlberechtigten Auslandstürken an. Seine bisherige Strategie, Angst vor Feinden zu schüren und sich als Retter der Nation zu präsentieren, hat bisher verfangen. Da nach den Verhaftungs- und Entlassungswellen seit dem Putschversuch die Feinde im Inland rar geworden sind, richtet sich Erdogans Furor seit Wochen gegen das „faschistische“ Europa im Allgemeinen und Deutschland wegen seiner großen türkischen Gemeinde im Besonderen.

Erdogan kann mit einiger Langmut in Berlin rechnen. Denn er hat sein Land zwar zum extrem schwierigen Partner entwickelt. Es bleibt aber gerade in Sicherheitsfragen auch ein ebenso extrem wichtiger Nato-Partner. Das geht vom Kampf gegen den IS über die Flüchtlingsfrage bis zur Gesamtsituation im Nahen Osten.

Es dürfte nicht allzu schwer fallen, noch Geduld bis zum 16. April zu bewahren und darauf zu hoffen, dass sich die Lage danach beruhigt und sich die Zusammenarbeit wieder auf geordneten Bahnen bewegen wird. Darauf verlassen kann sich aber niemand – egal wie das Referendum ausgeht. Dass Erdogan bei einem Nein so einfach klein beigeben sollte, ist wirklich schwer vorstellbar. Dass er bei einem Erfolg Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Demokratie zur Blüte verhelfen könnte auch. Von Europa und seinen Werten hat sich Erdogan quasi schon selbst verabschiedet. Gefragt ist nun ein tragfähiger und von Illusionen freier Plan B für die künftigen Beziehungen mit der Türkei.