London. Der polizeibekannte Täter Khalid Masood kommt aus den Midlands. Es folgten Razzien und Festnahmen in der Islamistenhochburg Birmingham.

Noch in der Nacht schlug die Polizei zu. Razzia in der Hagley Road im Stadtteil Edgebaston von Birmingham, die Ermittler drangen in eine Wohnung im zweiten Stock über einem persischen Restaurant ein. „Dort hat der Mann von London gelebt“, sagte ein Augenzeuge.

Der Mann von London – damit ist der Attentäter gemeint, der am Mittwoch nach Angaben der britischen Polizei auch ein vierten Menschen getötet hat und 40 Menschen verletzte, sieben davon schwer, darunter eine Deutsche. Die zweitgrößte Stadt Englands ist die Hochburg der Islamisten im Königreich.

Polizei spricht von acht Festnahmen

Der Terrorist brauchte nicht viel – nur ein Auto und ein Messer. Zuerst hatte er mit einem Hyundai Passanten auf der Westminster Bridge niedergemäht, eine Frau und ein Mann starben. Dann drang er in den Parlamentskomplex ein und erstach einen Wachpolizisten, bevor er erschossen wurde.

Bildergalerie - Anschlag vor dem britischen Parlament

Terroralarm in London: Die Polizei riegelte das Parlament in London nach Schüssen ab.
Terroralarm in London: Die Polizei riegelte das Parlament in London nach Schüssen ab. © REUTERS | STEFAN WERMUTH
„Wir behandeln dies als einen terroristischen Vorfall, bis wir etwas anderes wissen“, teilte Scotland Yard auf Twitter mit. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort.
„Wir behandeln dies als einen terroristischen Vorfall, bis wir etwas anderes wissen“, teilte Scotland Yard auf Twitter mit. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. © REUTERS | STEFAN WERMUTH
In der Nähe des britischen Parlaments umringten schwer bewaffnete Polizisten eine auf dem Boden liegende Person – den mutmaßlichen Angreifer.
In der Nähe des britischen Parlaments umringten schwer bewaffnete Polizisten eine auf dem Boden liegende Person – den mutmaßlichen Angreifer. © dpa | Stefan Rousseau
In der Nähe des britischen Parlaments war ein beschädigtes Fahrzeug zu sehen.
In der Nähe des britischen Parlaments war ein beschädigtes Fahrzeug zu sehen. © dpa | Yui Mok
Der Vorfall ereignete sich um kurz nach halb drei (Ortszeit) am Mittwochnachmittag.
Der Vorfall ereignete sich um kurz nach halb drei (Ortszeit) am Mittwochnachmittag. © dpa | Victoria Jones
In einem Geländewagen war der Angreifer über die Westminster-Brücke in Richtung Parlament gefahren. Auf der Brücke schwenkt der Wagen über einen Bordstein auf den Radweg und von dort aus auf den Bürgersteig.
In einem Geländewagen war der Angreifer über die Westminster-Brücke in Richtung Parlament gefahren. Auf der Brücke schwenkt der Wagen über einen Bordstein auf den Radweg und von dort aus auf den Bürgersteig. © dpa | Victoria Jones
Einem Reuters-Fotografen zufolge wurden dabei mindestens ein Dutzend Menschen verletzt.
Einem Reuters-Fotografen zufolge wurden dabei mindestens ein Dutzend Menschen verletzt. © Getty Images | Carl Court
Der Angreifer steuerte anschließend den Wagen weiter in Richtung Parlament.
Der Angreifer steuerte anschließend den Wagen weiter in Richtung Parlament. © dpa | Victoria Jones
Dort krachte der Wagen in den Zaun, der die Bridge Street vom Westminster-Palast trennt.
Dort krachte der Wagen in den Zaun, der die Bridge Street vom Westminster-Palast trennt. © dpa | Uncredited
Der Täter verletzte anschließend mit einem Messer einen Polizisten.
Der Täter verletzte anschließend mit einem Messer einen Polizisten. © dpa | Victoria Jones
Der Parlamentsabgeordnete Tobias Ellwood (M.) der Conservative Party kümmerte sich um den verletzten Polizisten. Der Beamte starb jedoch.
Der Parlamentsabgeordnete Tobias Ellwood (M.) der Conservative Party kümmerte sich um den verletzten Polizisten. Der Beamte starb jedoch. © dpa | Stefan Rousseau
Die Polizei riegelte die Straßen ab.
Die Polizei riegelte die Straßen ab. © dpa | Matt Dunham
Bewaffnete Polizisten eilten in das Parlamentsgebäude.
Bewaffnete Polizisten eilten in das Parlamentsgebäude. © dpa | Kirsty Wigglesworth
Die britische Premierministerin Theresa May wurde nach dem Angriff auf das Parlament in Sicherheit gebracht. Das teilt ein Sprecher mit.
Die britische Premierministerin Theresa May wurde nach dem Angriff auf das Parlament in Sicherheit gebracht. Das teilt ein Sprecher mit. © dpa | Victoria Jones
Nach dem Angriff eilten die Menschen vom Ort des Geschehens fort.
Nach dem Angriff eilten die Menschen vom Ort des Geschehens fort. © REUTERS | TOBY MELVILLE
Eine Frau mit ihrem Kind in der Nähe der Westminster-Brücke.
Eine Frau mit ihrem Kind in der Nähe der Westminster-Brücke. © Getty Images | Carl Court
Rettungskräfte versorgten die Verletzten.
Rettungskräfte versorgten die Verletzten. © Getty Images | Carl Court
Auch am Trafalgar Square ...
Auch am Trafalgar Square ... © dpa | Jonathan Brady
... und auf der Straße „The Mall“ waren Beamte präsent.
... und auf der Straße „The Mall“ waren Beamte präsent. © dpa | Jonathan Brady
Das Riesenrad „The London Eye“ wurde nach dem Anschlag angehalten.
Das Riesenrad „The London Eye“ wurde nach dem Anschlag angehalten. © Getty Images | Jack Taylor
Scotland Yard erklärte am Mittwochabend, dass man davon ausgehe, dass der mutmaßliche Einzeltäter „vom internationalen Terrorismus inspiriert wurde“.
Scotland Yard erklärte am Mittwochabend, dass man davon ausgehe, dass der mutmaßliche Einzeltäter „vom internationalen Terrorismus inspiriert wurde“. © dpa | Rob Pinney
Menschen brachten noch am Mittwochabend Blumen an den Anschlagsort. Mehrere Menschen sind bei dem Angriff gestorben, darunter der Polizist, der mutmaßliche Angreifer und zwei Passanten.
Menschen brachten noch am Mittwochabend Blumen an den Anschlagsort. Mehrere Menschen sind bei dem Angriff gestorben, darunter der Polizist, der mutmaßliche Angreifer und zwei Passanten. © REUTERS | HANNAH MCKAY
Premierministerin Theresa May nannte den Anschlag „krank und verkommen“. Jeder Versuch, die britischen Werte durch Terror zu besiegen, sei jedoch zum Scheitern verdammt.
Premierministerin Theresa May nannte den Anschlag „krank und verkommen“. Jeder Versuch, die britischen Werte durch Terror zu besiegen, sei jedoch zum Scheitern verdammt. © dpa | Richard Pohle/The Times
In Großbritannien gilt nach dem Anschlag weiterhin die zweithöchste Terrorwarnstufe. Das Leben werde wie gewohnt weitergehen, sagte May. „Morgen früh wird das Parlament zusammentreten wie immer.“
In Großbritannien gilt nach dem Anschlag weiterhin die zweithöchste Terrorwarnstufe. Das Leben werde wie gewohnt weitergehen, sagte May. „Morgen früh wird das Parlament zusammentreten wie immer.“ © dpa | Richard Pohle/The Times
1/24

Drei Männer soll die Polizei bei ihrer Razzia verhaftet haben. Und: Es gab fünf weitere Razzien in Birmingham und London. Insgesamt seien, gibt die Polizei am Donnerstag bekannt, acht Personen „von unterschiedlicher Nationalität“ festgenommen worden.

Der Täter war Scotland Yard schon vor Jahren aufgefallen

Die Sicherheitsbehörden hielten den Namen des Attentäters zunächst zurück. Am Nachmittag teilte Scotland Yard mit, dass er 52 Jahre alt gewesen sei. Sein Name war Khalid Masood, er stammt aus den Midlands. Er war der Polizei bekannt – wegen Gewaltdelikten und unerlaubtem Waffenbesitz. „Seine erste Verurteilung war 1983 wegen Sachbeschädigung, die letzte 2013 wegen unerlaubten Besitzes eines Messers“, heißt es in der Polizeimitteilung. Khalid Masood hatte mehrere Aliasnamen benutzt.

Zuvor hatte Mark Rowley, der Chef der Terrorabwehr von Scotland Yard, erklärt, seine Behörde sei überzeugt, „dass dieser Angreifer allein agiert hat und durch internationalen Terrorismus inspiriert wurde“. Aber auch Einzeltäter, wissen die Sicherheitskräfte, haben ein Umfeld. Komplizen, Mitwisser, vielleicht Helfer. Die müssen jetzt ausfindig gemacht werden.

MI5 stufte Täter früher als „Randfigur“ ein

Die britische Premierministerin Theresa May bei ihrer Stellungnahme zu dem Anschlag im Unterhaus.
Die britische Premierministerin Theresa May bei ihrer Stellungnahme zu dem Anschlag im Unterhaus. © REUTERS | HANDOUT

Davor hatte die Premierministerin Theresa May im Unterhaus etwas mehr zum Täter gesagt. „Ich kann bestätigen“, sagte sie, „dass dieser Mann in Großbritannien geboren wurde.“ Er war dem Inlandsgeheimdienst MI5 vor ein paar Jahren aufgefallen, wurde verhört. „Er war eine Randfigur“, sagte May. „Unsere Arbeitshypothese ist, dass der Angreifer durch islamistische Ideologie inspiriert wurde.“ Kurz danach reklamierte die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) die Tat für sich. Der Anschlag sei von einem ihrer „Soldaten“ ausgeführt worden, hieß es in einer knappen Mitteilung.

Die Spur, die die Sicherheitskräfte nach Birmingham geführt hatte, war der graue Hyundai i40. Das Auto, das zur Tatwaffe umfunktioniert wurde. Er war ein Mietwagen, den die Firma Enterprise in Birmingham als eines ihrer Autos erkannte. Dass die Spur hierhin führt, hat die britischen Sicherheitskräfte sicher nicht überrascht. In Birmingham wohnen viele britische Muslime, in einigen Stadtteilen stellen sie die Mehrheit.

Schulz: Anschlag in London ist weitere bedrückende Tat

weitere Videos

    Auch Paris-Terroristen hatten Kontakte nach Birmingham

    Mehrere verurteilte Terroristen kommen aus dieser Stadt, zur Zeit läuft mal wieder ein Prozess. Vor drei Jahren kam es zu einem nationalen Aufschrei, als bekannt wurde, dass Islamisten versucht hatten, Schulen in Birmingham zu unterwandern: Moderate Schulleiter würden durch muslimische Elternvertreter hinausgedrängt, um den Lehrplan fundamental-islamisch auszurichten. Bei mindestens 13 Schulen hatte das funktioniert. Und: Die Terroristen, die für das Massaker von Paris im November 2015 verantwortlich sind, hatten Kontakt zu radikalen Moscheen in Birmingham.

    Die Ermittler hatten Birmingham also auf dem Schirm. Dass sie den Attentäter aus dem Blick verloren, ist peinlich, andererseits verständlich. Es gibt einfach zu viele Verdächtige, die man überwachen müsste. Von den Hunderten britischen Muslimen, die aus dem Krieg in Syrien wieder zurückgekehrt sind, sind nicht alle Gefährder. Der Inlandsgeheimdienst MI5 konzentriert sich auf die Islamisten mit den am weitesten fortgeschrittenen Anschlagsplänen. Seit 2013 hat man 13 islamistische Attentate durch Zugriff verhindern können.

    Andere Gefährder fallen durchs Netz, wie jetzt Khalid Masood. Das ist verständlicher, weil er lowtech vorging – also sich nicht Feuerwaffen besorgte, sondern mit den denkbar einfachsten Waffen die Sicherheitsvorkehrungen des bestbewachten Areals im Königreich unterlaufen konnte.