Berlin. Die Genossen sind euphorisch, die Union ist verunsichert: Was können Merkel und Co. dem SPD-Kanzlerkandidaten Schulz entgegensetzen?

  • Laut einer neuen Umfrage liegt die SPD bundesweit knapp vor der CDU
  • Die Christdemokraten suchen nun nach Strategien, um gegen Schulz anzukämpfen
  • Meinungsforscher raten Merkel dazu, „gelassen zu bleiben“

Endlich angreifen oder ruhig bleiben und auf Fehler des Gegners warten? Angesichts des anhaltenden Umfragehochs für den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz ringt die Union um die richtige Strategie, ihn zu stoppen. Das Credo von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lautet: Nerven behalten, nicht zu früh das Pulver verschießen.

„Es ist jetzt an der Zeit, der SPD etwas entgegenzusetzen“, sagte dagegen Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) dem „Handelsblatt“ (Bezahlinhalt). „Die Union muss kämpfen.“ Darauf zu hoffen, dass der Schulz-Effekt ein Strohfeuer sei, werde nicht ausreichen. „Wir werden diesen Wahlkampf nicht im Stil einer Bilanzpressekonferenz gewinnen, es braucht auch Emotionen.“

SPD laut Umfrage knapp vor Union

Schulz hält sich bei inhaltlichen Positionen noch bedeckt, begeistert aber mit emotionalen Reden – quasi einem Kontrastprogramm zur rationalen und norddeutsch-spröden Kanzlerin. Die SPD liegt in der jüngsten Meinungsumfrage des Instituts Insa im Auftrag der „Bild“-Zeitung (Bezahlinhalt) bundesweit mit 32 zu 31 Prozent knapp vor der Union. Die Sozialdemokraten legten im Vergleich zur Vorwoche um einen Punkt zu, CDU/CSU blieben in der Wählergunst unverändert.

Nach Ansicht von CDU-Vize Armin Laschet muss die Union ihre Strategie mit Blick auf die Bundestagswahl jedoch nicht ändern. „Je klarer die Programmatik von Herrn Schulz wird, desto größer wird auch die Mobilisierung zu unseren Gunsten ausfallen“, sagte Laschet der „Saarbrücker Zeitung“. „In einer Zeit, in der die Menschen Sicherheit und Seriosität wollen, kommt die ruhige, sachliche und besonnene Art der Kanzlerin besser an.“

Die Spitzenkandidaten der Bundestagswahl

Sie ist zum vierten Mal angetreten und siegte erneut: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Partei CDU die Wahl gewonnen – wenn auch mit herben Verlusten: 26,8 Prozent holten die Christdemokraten. Das sind 7,3 Prozent weniger als bei der Wahl 2013.
Sie ist zum vierten Mal angetreten und siegte erneut: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Partei CDU die Wahl gewonnen – wenn auch mit herben Verlusten: 26,8 Prozent holten die Christdemokraten. Das sind 7,3 Prozent weniger als bei der Wahl 2013. © dpa | Michael Kappeler
Auch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der als Spitzenkandidat der CSU in den Wahlkampf zog, hatte das schlechte Abschneiden seiner Partei Folgen: Zwar haben alle Direktkandidaten der CSU den Sprung in den Bundestag geschafft – von der Landesliste gelang das aber keinem. Darunter auch Herrmann.
Auch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der als Spitzenkandidat der CSU in den Wahlkampf zog, hatte das schlechte Abschneiden seiner Partei Folgen: Zwar haben alle Direktkandidaten der CSU den Sprung in den Bundestag geschafft – von der Landesliste gelang das aber keinem. Darunter auch Herrmann. © dpa | Matthias Balk
Als der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD ernannt wurde, waren die Hoffnungen auf einen Machtwechsel groß. Sie zerschlugen sich: Mit Schulz als Spitzenkandidat fuhr die SPD mit 20,5 Prozent des schlechteste Ergebnis überhaupt ein.
Als der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD ernannt wurde, waren die Hoffnungen auf einen Machtwechsel groß. Sie zerschlugen sich: Mit Schulz als Spitzenkandidat fuhr die SPD mit 20,5 Prozent des schlechteste Ergebnis überhaupt ein. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
Cem Özdemir und die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gingen als Spitzenduo in die Bundestagswahl. Nachdem die Grünen laut Umfragen zeitweise um den Einzug in den Bundestag bangen mussten, holten sie am Ende souverän 8,9 Prozent.
Cem Özdemir und die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gingen als Spitzenduo in die Bundestagswahl. Nachdem die Grünen laut Umfragen zeitweise um den Einzug in den Bundestag bangen mussten, holten sie am Ende souverän 8,9 Prozent. © imago | Jens Jeske
Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wollten den Platz der Linken als drittstärkste Kraft im Bundestag unbedingt verteidigen. Zwar holten sie 9,2 Prozent und damit mehr als bei der letzten Wahl 2013. Stärkste Opposition ist die Linke aber nicht mehr. Diesen Platz nimmt nun ausgerechnet die AfD ein.
Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wollten den Platz der Linken als drittstärkste Kraft im Bundestag unbedingt verteidigen. Zwar holten sie 9,2 Prozent und damit mehr als bei der letzten Wahl 2013. Stärkste Opposition ist die Linke aber nicht mehr. Diesen Platz nimmt nun ausgerechnet die AfD ein. © dpa picture alliance | Emmanuele Contini
Christian Lindner ist das Gesicht der FDP – und konnte die FDP wieder in den Bundestag bringen. Nur die AfD konnte den Liberalen, die 10,7 Prozent holten, den dritten Platz streitig machen.
Christian Lindner ist das Gesicht der FDP – und konnte die FDP wieder in den Bundestag bringen. Nur die AfD konnte den Liberalen, die 10,7 Prozent holten, den dritten Platz streitig machen. © picture alliance / Maurizio Gamb | dpa Picture-Alliance / Maurizio Gambarini
Alice Weidel und Alexander Gauland haben die AfD als Spitzenkandidaten auf Platz drei geführt. Insgesamt holten die Rechtspopulisten 12,6 Prozent.
Alice Weidel und Alexander Gauland haben die AfD als Spitzenkandidaten auf Platz drei geführt. Insgesamt holten die Rechtspopulisten 12,6 Prozent. © picture alliance / Uli Deck/dpa | dpa Picture-Alliance / Uli Deck
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Seehofer: „Nach den Landtagswahlen durchstarten“

Aus Sicht von CSU-Chef Horst Seehofer muss die Union an ihrer Form arbeiten. „Auch wir in der CSU“, sagte Seehofer der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag). Diesen Mittwoch wird es dem Blatt zufolge ein Treffen der Unionsspitze mit Seehofer und Merkel geben – zu Terminabsprachen, gemeinsamen Inhalten und offenen Gesetzesvorhaben. „Nach den Landtagswahlen werden wir dann durchstarten“, sagte der CSU-Chef.

Der CDU-Wirtschaftsexperte Carsten Linnemann rät, stärker auf die Zukunftsängste der Menschen einzugehen. „Egal, ob solche Ängste real sind oder nicht: die Politik muss diese Sorgen aufnehmen“, sagte der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU (MIT) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Schulz tue das, aber er packe die Probleme nicht bei ihrer Wurzel. Stattdessen streue er mit nicht zielführenden, aber teuren Vorschlägen den Menschen Sand in die Augen, sagte Linnemann. „Die drei zentralen Fragen für die Zukunft sind: Ist mein Leben sicher, ist mein Arbeitsplatz sicher und ist mein Geld sicher?“ Die Union habe hier die besten Argumente auf ihrer Seite, „aber beim Bürger ist das noch nicht angekommen“.

Merkel punktet mit Stabilität und Sicherheit

Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, findet, „dass Merkel das bisher richtig macht“, und rät ihr, „besonnen zu bleiben“. Es gebe „keine Wechselstimmung, nicht wie bei Helmut Kohl im Jahre 1998“, sagte er den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“ (Dienstag). Merkels Trümpfe hießen Stabilität und Sicherheit, gerade in unsicheren Zeiten, wie sie weltpolitisch anbrechen könnten.

Für den Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen W. Falter ist Schulz’ Aufschwung in den Umfragen weniger durch Inhalte als sein Auftreten begründet. „Schulz tritt selbst als Sozialpopulist auf“, sagte er dem „Mannheimer Morgen“ (Dienstag). „Er weiß, was die Menschen hören wollen, er spricht deren Sprache, und er ist bisher nicht vom Berliner Politikbetrieb belastet. Schulz kann Allgemeines so formulieren, dass er Begeisterung erweckt.“

Schulz will nicht am Koalitionsausschuss teilnehmen

Die Union kritisiert seit Montag vor allem Schulz’ Ankündigung, trotz seiner Wahl zum SPD-Vorsitzenden nicht am Koalitionsausschuss am Mittwoch kommender Woche teilzunehmen. „Wenn Herr Schulz von Respekt spricht, sollte er auch Respekt gegenüber den anderen Parteivorsitzenden der großen Koalition zeigen und am Koalitionsausschuss teilnehmen“, verlangte CSU-Vize Manfred Weber in der „Rheinischen Post“ (Dienstag).

Schulz im Aufwind am politischen Aschermittwoch

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    (dpa)