Istanbul. Schon bisher hat die Türkei verbal mächtig auf den Putz gehauen. Ankara sprach von Nazi-Methoden. Nun zielt Erdogan direkt auf Merkel.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich „Nazi-Methoden“ vorgeworfen. „Du wendest auch gerade Nazi-Methoden an“, sagte Erdogan am Sonntag in Istanbul an Merkel gerichtet. „Bei wem? Bei meinen türkischen Geschwistern in Deutschland, bei meinen Minister-Geschwistern, bei meinen Abgeordneten-Geschwistern, die dorthin reisen“, sagte Erdogan.
Mit Blick auf Europa sagte Erdogan, dort könnten „Gaskammern und Sammellager“ wieder zum Thema gemacht werden, aber „das trauen sie sich nur nicht“. Offen ließ Erdogan, wen er mit „sie“ genau meinte.
Bundesregierung reagiert zurückhaltend
Die Bundesregierung hat bisher zurückhaltend auf die Verbalattacken aus Ankara reagiert. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete die Angriffe erneut als „absurd“. „Wir sind tolerant, aber wir sind nicht blöd“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Montag). „Ich habe meinem türkischen Kollegen deshalb ganz deutlich gemacht, dass hier eine Grenze überschritten wurde.“
Auf die Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker reagiert die türkische Regierung seit Wochen mit immer schärferen Ausfällen. Die Türken stimmen am 16. April über die Einführung eines Präsidialsystems ab, das Erdogans Machtbefugnisse stark ausweiten würde. Eine Mehrheit für Erdogan gilt jedoch nicht als sicher.
Martin Schulz warnte vor Nazi-Vergleichen
Noch vor den neuen Ausfällen Erdogans hatte SPD-Chef und -Kanzlerkandidat Martin Schulz den türkischen Präsidenten davor gewarnt, Menschen in Deutschland durch Nazi-Vergleiche gegeneinander aufzuhetzen. „Deshalb muss man auch Herrn Erdogan mit klaren Worten sagen, dass das so nicht geht“, sagte Schulz in seiner Parteitagsrede in Berlin an die Adresse Erdogans. Und auch bei einem Interview in der ARD wählte Schulz deutliche Worte: „Dass das Staatsoberhaupt eines befreundeten Landes die Regierungschefin dieses Landes in dieser Form beleidigt, ist eine Frechheit“
Man müsse Erdogan „irgendwann auch mal sagen“, dass ein Staatsoberhaupt eines Nato-Mitgliedslandes und eines Kandidatenlandes zur EU „nicht alle Gepflogenheiten der internationalen Diplomatie mit Füßen treten“ dürfe. „Das tut er aber“, sagte Schulz. „Das ist eines Staatsoberhaupts nicht würdig.“ Die Türkei sei auf dem Weg zu einem autoritären Staat.
Kritik an Äußerungen des BND-Chefs
Kritik kommt aus der Türkei auch an Äußerungen von Bruno Kahl, dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND). Kahl hatte in einem Interview mit dem „Spiegel“ Zweifel daran geäußert, dass die Gülen-Bewegung hinter dem Putschversuch in der Türkei stecke.
„Die Türkei hat auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen. Das ist ihr aber bislang nicht gelungen.“ Kahl sieht den Putschversuch zudem als „willkommenen Vorwand“ für die Massentlassungen danach, die seiner Einschätzung nach ohnehin geplant waren.
Verteidigungsminister vermutet BND hinter Putsch
Der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik hat diese Zweifel in scharfer Form zurückgewiesen. Diese Position werfe die Frage auf, „ob nicht der deutsche Geheimdienst hinter diesem Putsch steckt“, sagte Isik dem Sender Kanal 7 am Sonntag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.
Auch der Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Erdogan hatte Kahl kritisiert. Die Äußerungen seien ein weiterer Hinweis dafür, dass Deutschland die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen „unterstütze“, sagte Ibrahim Kalin am Sonntag in einem Interview mit dem Sender CNN Türk.
Der Putschversuch in der Türkei 2016
Kritik wegen Kurden-Demo in Frankfurt
Kalin bezichtigte Deutschland auch der Unterstützung von Terroristen, weil am Samstag Zehntausende Kurden in Frankfurt gegen die türkische Regierung demonstrieren durften. Bei der Kundgebung, die sich vor allem gegen das Verfassungsreferendum richtete, waren auch verbotene Porträts des Anführers der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, Abdullah Öcalan, mitgeführt worden.
Es zeuge von Doppelmoral, wenn auf der Kundgebung Symbole der verbotenen PKK gezeigt werden könnten, während zugleich türkische Minister daran gehindert würden, in Deutschland Wahlkampf zu betreiben. Die Polizei in Frankfurt kündigte unterdessen rechtliche Schritte gegen die Träger von Öcalan-Porträts an.(dpa/wck)