Washington. Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht bei ihrer ersten Begegnung, Donald Trump zu verstehen. Doch der Präsident Amerikas bleibt kühl.

Nicht drängeln. Den Neuen ankommen lassen im Amt. Abwarten, bis Konturen erkennbar werden. Angela Merkel hat alles richtig gemacht im behutsamen Angang an das weltpolitische Phänomen Donald Trump. Genutzt hat es ihr beim Antrittsbesuch in Washington am Ende wenig.

Der Hausherr blieb ausgesucht kühl, manchmal abweisend. Er verweigerte der Kanzlerin sogar den von Fotografen obligatorisch gewünschten Handschlag. Gastfreundlich geht anders.

Trump fährt weiter Achterbahn

Amerikas neuer Präsident ist seit über 50 Tagen im Amt, die sich in Wahrheit wie fünf Monate anfühlen. Woran man bei ihm ist nach der Achterbahnfahrt des Wahlkampfes, weiß immer noch niemand verlässlich. Auch Merkel nicht. Der Mann fährt weiter Achterbahn. Und regiert nebenbei. Mehr schlecht als recht. Die Umfragen sind alarmierend. Wer anders rechnet, hat alternative Zahlen. Und es spricht nicht viel dafür, dass es so bald besser wird.

Innenpolitisch brennt im Hause Trump längst der Baum. An vielen Fronten herrscht Stagnation oder Klein-Klein. Die Republikaner sind beunruhigt. Die Glaubwürdigkeit des mächtigsten Mannes der westlichen Welt ist jedenfalls für das moderat-liberale Amerika im freien Fall.

Merkel findet die Mitte zwischen Nähe und Distanz

Mit so jemandem eine transatlantische Zweck-Gemeinschaft aufzubauen, die von Putin/Ukraine über Atom-Iran bis Islamischer Staat, Nordkorea, Handel und Währung auch in Schlechtwetter-Perioden hält, ist tückisch. Wie definiert man da bei der ersten Begegnung überhaupt Erfolg?

Indem man die richtige Mitte zwischen Nähe und Distanz findet. Das hat Merkel getan. Sie hat, präzise und faktensicher, ihre Akzente gesetzt. Anders als Trump, der oft schwadroniert und sich wiederholt. Oder harte Fragen ignoriert. Zum Erfolg gehört aber auch, Gesagtes und Gehörtes mit einem nicht allzu fernen Haltbarkeitsdatum versieht. Trumps Weltbild ist von Natur aus wetterwendisch. Er lässt sich nicht in die Karten gucken. Übereinkünfte regelmäßig neu zu justieren, wird darum für Angela Merkel unerlässlich sein. Und schwierig.

Will Trump Handel oder Handelskrieg?

Waren die Treueschwüre (nach vorherigem Abrissbirneschwingen) in Richtung Nato und weltumspannende Schlichtungsinstanzen (Vereinte Nationen) vielleicht doch nur Diplomaten-Smalltalk? Hat Donald Trump wirklich verstanden und akzeptiert, dass sich die Europäische Union nicht von Hallodris wie Nigel Farage oder Geert Wilders kaputtreden lässt? Lässt er endlich auch offiziell von seiner Romanze mit Wladimir Putin ab? Will er Handel oder Handelskrieg? Partnerschaft in Führungsfragen oder den Solo-Trip?

Wie dialog- und kompromissbereit die neue Regierung abseits der Fassade von Staatsbesuchen tatsächlich ist, blieb gestern völlig offen. Gerade, was Europa angeht.

Dabei müsste dem Mann mit dem Faible fürs Autoritäre zu denken geben, dass der „Brexit“ der Briten stagniert und der fliegende Holländer bei der Wahl eine Bruchlandung hingelegt hat. Der islamfreie Wirtschafts-Nationalismus, mit dem Trumps Chefstratege Stephen Bannon Amerika gesunden und die EU aufreiben will, ist nicht das Opium, nach dem sich die Völker sehnen.

Ob Merkels Etappenziel erreicht ist, wird sich erst zeigen

Ob Merkels Etappenziel in Washington – den kapriziösen Exoten lesen lernen, einen belastbaren Draht knüpfen – aufgegangen ist, wird sich erst in Monaten herausstellen.

Allzu euphorisch muss man nicht sein. Wer die Kanzlerin als Führerin der freien Welt überhöht und in ihr eine Dompteurin sieht, die einem launischen, alten Zirkus-Löwen neue Tricks beibringt, liegt falsch. Trumps eigene Leute wachen jeden Morgen mit bangem Blick aufs Smartphone auf. Weil es gut sein kann, dass der Chef nachts wieder die Welt kurz und klein getwittert hat.