Berlin. Viele Medien sehen in den Ergebnissen der Wahl in den Niederlanden vor allem ein Bekenntnis zum liberalen Europa. Eine Presseschau.

Das Ergebnis der Niederlande-Wahl werten manche Medien als Rückschlag für Rechtspopulisten in anderen euroäischen Ländern und als Botschaft gegen Abschottung. Auszüge aus ersten Analysen:

„Faz.net“:

„Mark Ruttes Kalkül ging auf. Der Ministerpräsident war Hauptnutznießer der Eskalation mit Ankara über die Auftrittsverbote für türkische Minister. Trotzdem steht er nun vor einer schwierigen Koalitionsbildung.“

„Bild.de“:

„Ganz simpel: Der konservativ-smarte Regierungschef hat die Wahl gewonnen, der Islam- und Europa-Hasser hat sie verloren. Gut gemacht, Holland! Deutschland, ganz Europa sollte Danke sagen – und es bitte, bitte nicht beim erleichtert Aufatmen belassen.“

„Spiegel Online“:

Wahlsieger Mark Rutte.
Wahlsieger Mark Rutte. © REUTERS | YVES HERMAN

„Schon die Wahl in Österreich hat gezeigt: es gibt keinen europäischen Dominoeffekt. Trotzdem hat Le Pen immer noch reelle Chancen, französische Präsidentin zu werden. Ihr Front National ist in Frankreich viel tiefer in vielen Gesellschaftsschichten verankert, politisch zahmer und mehrheitsfähiger als die Ein-Mann-Partei des schrillen Wilders in den Niederlanden.

Aber: das Ergebnis von Den Haag ist schon ein Rückschlag für Le Pen. Hätte Wilders Platz Eins belegt, hätte sie argumentieren können, dass Rechtsaußen-Positionen salonfähig sind in Europa. Jetzt muss sie vor allem darauf hoffen, dass ihr mutmaßlicher Hauptgegner Emmanuel Macron Fehler macht oder ihn ein Skandal ereilt.“

„Sueddeutsche.de“:

„Mark Rutte hat die Wahl in den Niederlanden gewonnen – aber bis zur Regierungsbildung ist es noch ein langer Weg. An dessen Ende vielleicht gar nicht er Ministerpräsident sein wird. (...) Neben Wilders selbst werden auch Rechtspopulisten in anderen europäischen Ländern enttäuscht sein von dem Ergebnis – insbesondere angesichts der Hoffnung, die sie in diese Abstimmung gesetzt hatten. Ein Wahlsieger Wilders oder wenigstens ein deutlich besseres Ergebnis für ihn hätte sie in der Überzeugung bestärkt, in Europa auf Siegeskurs zu sein.“

„Welt.de“:

„Dass seine Rechtsliberalen erneut stärkste Kraft wurden, ist ein persönlicher Erfolg des seit sieben Jahren amtierenden Premiers. Der lange als glatt und brav unterschätzte 50-jährige Junggeselle hatte Erfolg mit seiner Strategie, die Themen von Wilders anzunehmen und in Fragen von Integration und Flüchtlingen einen harten Kurs zu fahren.

Wie ein Geschenk des Himmels kam der heftige Streit mit der Türkei hinzu, in dem Rutte entschlossen und hart, aber auch staatsmännisch agierte. (...) Das niederländische Wahlergebnis wird dem liberalen Europa der Mitte Hoffnung machen. (...) Die Niederländer haben das von Rutte erhoffte „starke Zeichen“ gesetzt.“

„La Repubblica“:

„Europa stößt einen zarten, aber tiefen Seufzer der Erleichterung aus: Die populistische Welle von Geert Wilders hat die Niederlande nicht überwältigt. Den Nachwahlprognosen von gestern Abend zufolge hat die liberale Partei des bisherigen Premierministers Mark Rutte gewonnen (...). Ein Erfolg, den er auch dank seines unnachgiebigen Verhaltens in den vergangenen Tagen der Türkei und Erdogan gegenüber verbuchen konnte (...).

Das Problem wird jetzt sein, eine stabile Regierungskoalition zu bilden. (...) Kurzum, die Verhandlungen werden lang und vielleicht kompliziert sein, das belgische Schreckgespenst ohne eine Regierung für zwei Jahre ist nur wenige Kilometer weit entfernt, und die anti-europäische und ausländerfeindliche Welle ist immer noch da, bereit, wieder anzuschwellen.“

„New York Times“:

„Wähler, die in Rekordzahlen ihre Stimme abgegeben haben, haben dennoch rechte und Mitte-Rechts-Parteien belohnt, die Teile von seiner (Wilders) kompromisslosen Botschaft für sich vereinnahmt haben. Darunter auch die Partei des Ministerpräsidenten, Mark Rutte. (...)

In den Niederlanden verrieten die Ergebnisse ein bestehendes Misstrauen dagegen, der extremen Rechten die Zügel der Macht in die Hände zu geben, auch wenn ihre Message (Botschaft) den Wahlkampf dominiert hat und wahrscheinlich die Politik der neuen Regierung beeinflussen wird.“

„Washington Post“

„Das Ergebnis wurde von anderen Politkern innerhalb und außerhalb der Niederlande als schwerer Schlag gegen den fremdenfeindlichen Populismus begrüßt. Es unterbrach eine Serie von Zerrüttungen, die mit dem Brexit-Votum begann und fortgesetzt wurden mit der Wahl von Donald Trump, der der europäischen Integration skeptisch gegenübersteht. Stattdessen wird Ministerpräsident Mark Rutte im Amt bleiben und versuchen eine Koalition zu bilden, während in den Niederlanden die berühmte Tulpensaison losgeht.

Die Abstimmung in der wohlhabenden Handelsnation wurde als Indikator für Frankreich und Deutschland gesehen, die in den kommenden Monaten wählen und ebenfalls von starken fremdenfeindlichen Stimmungen gebeutelt werden.“

(dpa)