Berlin. Ein Sozialisten-Bündnis als Antwort auf die Populisten: Die sozialdemokratischen Parteien wollen nun weltweit enger zusammenarbeiten.

Eine Frage am Ende der Diskussionsrunde hat es in sich: Wie sieht eine ideale Welt nach dem Ende des Populismus aus? SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz überlegt nur kurz: „Wir müssen jeden Tag aus der Geschichte lernen“, sagt er dann. Auch in einer idealen Welt sei das Wichtigste, die schweigende Mehrheit immer wieder zu mobilisieren, um gegen diejenigen aufzustehen, die die Mehrheit für sich beanspruchen. Gegen die Populisten also.

Eine Konferenz von rund 100 sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien in Berlin widmet sich am Montag dem Kampf gegen einen Populismus à la US-Präsident Donald Trump oder der französischen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen. Die richtige Antwort sieht Schulz auch international in seinem Kernthema: der Gerechtigkeit. „Wir müssen die Speerspitze der Gerechtigkeit sein“, schwört er die Genossen ein.

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    Nach einer Epoche der entfesselten Finanzmärkte dürften die Gesellschaften sich dem Druck zur Senkung sozialer und ökologischer Standards nicht mehr bedingungslos anpassen. Es gehe vielmehr um das Erkämpfen von sozialen Regeln für Märkte, die „zu Übertreibung und zur Gnadenlosigkeit neigen“. Populisten von rechts würden die Unzufriedenheit für sich nutzen. Diese versuchten, die erkennbaren Ungerechtigkeiten des Wirtschaftssystems den Flüchtlingen und Ausländern, notfalls auch dem Nachbarn um die Ecke, zuzuschreiben: „Sie suchen nach Sündenböcken“.

    Es ist einer der ersten Auftritte des Kandidaten, bei dem Schulz ein Bild davon zeichnen kann, welche Rolle Deutschland im Falle seiner Kanzlerschaft international spielen soll. Und Schulz, der vom Moderator schon mal als „Kanzler im Wartestand“ angekündigt wird, liefert: „Deshalb will ich als Bundeskanzler dafür sorgen, dass Deutschland in Zukunft all sein politisches und auch ökonomisches Gewicht dafür einsetzt, die Globalisierungsprozesse durch gemeinsame, verbindliche Regeln gerecht zu gestalten“, sagt er etwa.

    Globale Friedensagenda

    Abschottung sei keine Lösung: „Denn keine Mauer kann hoch genug sein, um uns auf Dauer vor globalen Problemen abzuschirmen“. Deutschland müsse vielmehr als Mittler in internationalen Konflikten auftreten, um militärische Eskalationen zu verhindern und Dialoge aufrechtzuhalten. Die Abrüstung müsse weltweit ins Zentrum einer globalen Friedensagenda rücken: „Nur wenn wir eine erneute Aufrüstungsspirale verhindern, werden wir in der Lage sein, mehr Geld für die Bekämpfung von Konfliktursachen aufzubringen.“

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      Der 61-jährige Schulz soll am kommenden Sonntag auf einem Sonderparteitag zum Vorsitzenden der SPD gekrönt werden. Der ehemalige Präsident des Europaparlaments, der seiner Partei in Umfragen gerade ungeahnte Höhenflüge beschert, nutzt die Bühne in Berlin auch, um das Internationale seiner Partei hervorzuheben. Er wechselt mehrfach fließend vom Englischen ins Französische, sucht den Schulterschluss mit den anwesenden sozialdemokratischen Regierungschefs von Portugal und Schweden.

      Kämpferische Erinnerung

      Er will auf diese Weise deutlich machen, dass sein Eintreten für mehr Gerechtigkeit keine Erfindung im Zimmer seines Wahlkampfmanagers ist, sondern eine Frage von Sein und Nichtsein, national wie international. Schulz schließt seine Rede mit einer kämpferischen Erinnerung an den Kanzler und SPD-Vorsitzenden, unter dessen Denkmal er steht: „Eine bessere Welt kommt nicht von allein“, habe Willy Brandt einmal gesagt: „Also lasst uns dafür kämpfen! Zusammen! Weltweit.“

      Doch mit der Mobilisierung muss es noch etwas besser klappen. Einigen Teilnehmer des Kongresses, darunter SPD-Generalsekretärin Katarina Barley, macht der Streik an den Berliner Flughäfen einen Strich durch die Rechnung. Und Außenminister Sigmar Gabriel, Noch-SPD-Chef, bleibt der Konferenz ebenfalls fern. Er kümmere sich daheim in Goslar um seine kranke Familie, entschuldigt sich Schulz. So sei das eben bei einem „jungen Vater“. Der 57-jährige Gabriel ist vor Kurzem noch einmal Papa einer Tochter geworden. Die braucht ihn offenbar dringender als Schulz.