Celle/Göttingen. Ein Mann aus Niedersachsen soll einen Sprengstoffanschlag geplant haben. Jetzt konnte der 26-jährige Salafist festgenommen werden.

  • Ermittler haben einen Salafisten im südlichen Niedersachsen festgenommen
  • Der Mann soll einen Anschlag auf Polizisten oder Soldaten in Deutschland geplant haben
  • Bei dem 26-Jährigen wurden Chemikalien zur Herstellung eines Sprengsatzes gefunden

Ermittler haben in Niedersachsen einen Salafisten verhaftet, der einen Sprengstoff-Anschlag auf Polizisten oder Soldaten geplant haben soll. Bei der Durchsuchung der Wohnung des 26-Jährigen aus Northeim wurden Acetonperoxid, andere Chemikalien und elektronische Bauteile zur Herstellung einer Fernzündung für einen Sprengsatz gefunden. In einer Vernehmung räumte er ein, er habe geplant, Polizeibeamte oder Soldaten in eine Falle zu locken und sie mit einem selbst gebauten Sprengsatz zu töten. Das teilten die Generalstaatsanwaltschaft Celle und die Polizeidirektion Göttingen am Donnerstag mit.

„Die Polizei hat auch hier professionell und konsequent agiert“: Göttingens Polizeipräsident Uwe Lührig.
„Die Polizei hat auch hier professionell und konsequent agiert“: Göttingens Polizeipräsident Uwe Lührig. © dpa | Swen Pförtner

Die Ermittler nahmen den Mann, der die deutsche Staatsangehörigkeit hat, wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat fest. Ein Richter erließ Haftbefehl, der Beschuldigte sitzt seit Mittwoch in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf in Göttingen ein.

Schon vor zwei Wochen gab es Festnahmen

Der Mann ist nach Erkenntnissen der Ermittler der salafistischen Szene zuzurechnen. Göttingens Polizeipräsident Uwe Lührig sagte, die Bekämpfung des Terrorismus und des Islamismus habe oberste Priorität. „Die Polizei hat auch hier professionell und konsequent agiert und alle erforderlichen Maßnahmen zeitnah mit großem Nachdruck vorbereitet und umgesetzt“, sagte Lührig.

Beim Kampf gegen Islamisten in Niedersachsen geht es plötzlich Schlag auf Schlag. Zuvor hatten die Sicherheitsbehörden trotz bekannter Brennpunkte und Gefährder zögerlicher agiert. Der Zugriff in Northeim bestätigt den neuen Kurs.

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Erst vor zwei Wochen waren in Göttingen zwei Männer unter Terrorverdacht festgenommen worden. Bei Durchsuchungen wurden auch scharf gemachte Waffen, Munition, IS-Flaggen und Datenträger beschlagnahmt. Die Polizeidirektion Göttingen geht davon aus, dass auch diese der radikal-islamistischen Szene zugerechneten Männer einen Terroranschlag geplant hatten.

Terrorverdächtige bleiben in Abschiebehaft

Weil sie noch keine konkrete Tat beschlossen haben sollen, leitete die für Terrordelikte zuständige Generalstaatsanwaltschaft Celle kein Strafverfahren ein. Gegen die beiden erging aber eine Abschiebeanordnung des Landesinnenministeriums.

Eine IS-Flagge und eine Waffe, die Sicherheitskräfte Anfang Februar bei zwei Männern in Göttingen sicherstellen konnten.
Eine IS-Flagge und eine Waffe, die Sicherheitskräfte Anfang Februar bei zwei Männern in Göttingen sicherstellen konnten. © dpa | Swen Pförtner

Nach dem 27 Jahre alten Algerier legte nun aber auch der 22 Jahre alte Nigerianer Rechtsmittel gegen die Abschiebung ein, wie ein Sprecher des Innenministeriums in Hannover am Donnerstag mitteilte. Bis zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig bleiben beide in Abschiebehaft.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius verteidigte sich gegen Vorwürfe, die jüngsten Zugriffe könnten eine Überreaktion sein. Es sei um die Abwehr einer Gefahr für die Bevölkerung gegangen – und es habe konkrete Hinweise gegeben: „Diese Hinweise haben eine massive Radikalisierung nahegelegt, wie sie auch im unmittelbaren Vorfeld von anderen schlimmen terroristischen Straftaten stattgefunden hat.“

Pistorius mahnte aber auch zur Vorsicht. „Wir haben es mit extrem dynamischen Entwicklungen im Bereich des islamistischen Terrorismus zu tun“, sagt der Innenminister. „Die Verläufe einer anfänglichen Radikalisierung hin bis zur Durchführung eines Anschlages werden immer kürzer.

Fall Safia S. als Negativbeispiel

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hatten niedersächsische Terrorfahnder noch das Nachsehen, als die radikalisierte Jugendliche Safia S. in Hannover einen Polizisten niederstach. Obwohl Beamte sie nach einer gescheiterten Syrienausreise befragten, wurde sie nicht unter Beobachtung gestellt. Auch ihre Handys und damit ihr Chatverkehr mit Drahtziehern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wurden nicht rechtzeitig ausgewertet.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD).
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD). © dpa | Julian Stratenschulte

Ein später als Mitwisser Verurteilter konnte 2016 zunächst von Niedersachsen nach Griechenland fliehen, ehe er gefasst wurde. All dies, obwohl die Bundesanwaltschaft schon damals gegen ihn auch wegen einer Verwicklung in mögliche Terrorpläne ermittelte, die zur Absage des Fußball-Länderspiels in Hannover führten.

Der Raum Göttingen/Hildesheim, wo die Terrorfahnder jetzt zuschlugen, ist den Behörden schon länger als Sammelpunkt radikaler Salafisten bekannt. 42 Prozent der aus Niedersachsen Richtung Syrien ausgereisten Personen stammen von dort. In Göttingen ist nach Erkenntnis des Verfassungsschutzes in den letzten Jahren eine junge salafistische Szene entstanden, die sich besonders aus der Anhängerschaft der verbotenen islamistischen Organisation „Kalifatstaat“ rekrutiert.

Anis Amri soll in Hildesheim aktiv gewesen sein

Und bevor es im vergangenen Sommer erstmals zu einer Razzia in der Moschee des „Deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim“ kam, den Innenminister Pistorius verbieten möchte, beobachteten Fahnder dort schon viel früher brandgefährliche Besucher. Der Berliner Attentäter Anis Amri soll nach einem Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ dort zweifelsfrei schon im Februar 2016 fotografiert worden sein. Jahrelang agierte dort der im November 2016 verhaftete Hassprediger Abu Walaa, der als salafistischer Chefideologe und als mutmaßlicher Unterstützer des IS in Deutschland gilt.

Ist der neue, harte Kurs der Ermittler nun Aktionismus, wie in der Opposition vermutet wurde, weil nach der Razzia vor zwei Wochen in Göttingen die Generalstaatsanwaltschaft die Beweislage für zu dünn hielt, um die beiden Islamisten wegen Terrors zu verfolgen? Minister Pistorius verneint das. Die Razzia sei angemessen gewesen. Und im neuen Northeimer Fall erging ja auch bereits ein Haftbefehl. (dpa)