Berlin. Angela Merkel braucht Erdogan für den Flüchtlingspakt. Doch im Fall Deniz Yücel darf die Kanzlerin keine falsche Rücksicht nehmen.

Der Bundeskanzlerin dürfte so langsam mulmig zu Mute werden, wenn sie an die Türkei denkt. Denn es wird immer deutlicher erkennbar, worauf sich Angela Merkel einließ, als sie im vorigen Jahr den Flüchtlingspakt mit Präsident Erdogan schloss. Der Präsident in Ankara, der sein Land nahezu wie ein Despot regiert, provoziert ungeniert Deutschland und die Bundesregierung – er wähnt sich unangreifbar, weil er mit einem Wort die Grenzen für die Flüchtlinge Richtung Westeuropa wieder öffnen könnte.

Zuerst der harte Verdacht gegen Imame des türkischen Islamverbandes Ditib, in Deutschland lebende Personen dem türkischen Amt für Religionsfragen als Anhänger der Gülen-Bewegung gemeldet zu haben – inzwischen ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Spionage.

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    Pressefreiheit existiert unter Erdogan nicht

    Dann die für diesen Samstag angekündigte Rede des türkischen Ministerpräsident Yildirim vor Tausenden Landsleuten in Oberhausen, bei der der Gast aus Ankara für die geplante Verfassungsänderung werben will, mit der Erdogan seine Macht weiter ausbauen will – Wiedereinführung der Todesstrafe inklusive. Ganz so als wäre der Premier daheim auf Wahlkampftour.

    Und dann noch die Verfolgung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel, der sich in türkischem Polizeigewahrsam befindet – unter anderem wegen des absurden Verdachts der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Die Pressefreiheit existiert unter Erdogan nicht einmal mehr auf dem Papier.

    Kanzlerin Merkel in der Zwickmühle

    Zu dieser Eskalation von türkischer Seite darf die Bundesregierung nicht schweigen, will sie nicht riskieren, dass ihre Glaubwürdigkeit Schaden nimmt. Sie muss im Fall Yücel klare Worte an die Adresse Erdogans richten. Doch ist sie dazu bereit? Denn auf der anderen Seite will Merkel ihren „Partner“ Erdogan nicht verprellen – siehe oben. Somit könnte auf die Kanzlerin eine weitere, politisch riskante Gratwanderung im Umgang mit dem selbstherrlichen Herrscher in Ankara warten.

    Mit dem Flüchtlingspakt zwischen der Türkei und der EU, den Merkel federführend mit ausgehandelt hat, machte sich die Kanzlerin gleichsam von Erdogan abhängig. Dafür dass die Türkei zusagte, alle neu auf den griechischen Inseln ankommenden Flüchtlinge zurücknehmen und stärker gegen Schlepperbanden vorgehen zu wollen, überweist die EU drei Milliarden Euro nach Ankara. Der politische Preis könnte deutlich schwerer wiegen.