Brüssel. Die USA erhöhen den Druck auf die Nato-Länder, ihre Wehretats aufzustocken. In der Bundesregierung ist darüber nun Streit entbrannt.

Nach der US-Drohung an die Nato-Partner bahnt sich in Deutschland ein politischer Streit über die künftigen Verteidigungsausgaben an. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sprach in den „ARD“-Tagesthemen am Mittwoch von plausiblen Forderungen der US-Regierung. Es sei nicht fair, dass die Amerikaner doppelt so viel leisteten wie alle Europäer zusammen, sagte die CDU-Politikerin. Sie hätten recht, wenn sie einen glaubwürdigen Plan für das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels einforderten.

Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Henning Otte, bekannte sich gegenüber unserer Redaktion am Donnerstag ebenfalls zum Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, und plädierte sogar für eine beschleunigte Umsetzung. „Die Sicherheitslage hat sich grundlegend verändert. Wir müssen mehr tun für die Sicherheit Deutschlands“, sagte Otte.

Koalitionspartner SPD hält wenig von höheren Rüstungsausgaben

Die SPD im Bundestag machte deutlich, dass sie nichts davon hält, die deutschen Ausgaben auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, nur weil die USA sonst ihr Engagement im Bündnis zurückfahren wollen.

Für Deutschland würde das fast eine Verdoppelung der Ausgaben bedeuten, rechnete der verteidigungspolitische Sprecher Rainer Arnold vor. Ein derart drastische Erhöhung halte er für „ehrlich abenteuerlich“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Donnerstag. „Wo sollen wir denn hin mit dem ganzen Geld?“

Linke warnt vor Rüstungsspirale gegen Russland

SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold hielte es für „abenteuerlich“, wenn Deutschland zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgäbe.
SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold hielte es für „abenteuerlich“, wenn Deutschland zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgäbe. © BM | imago/Metodi Popow

Die Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht, warnt vor einer „brandgefährlichen“ Rüstungsspirale: „Es droht eine weitere Eskalation im Verhältnis zu Russland“, sagte sie in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Donnerstag. Die Außenpolitik der neuen US-Regierung sei sprunghaft und widersprüchlich. „Dennoch dient sie der Bundesregierung als Vorwand, die Aufrüstung Deutschlands weiter voranzutreiben.“

Nach Angaben aus Nato-Kreisen müsste Deutschland eigentlich etwa 75 Milliarden US-Dollar ausgeben. Nach jüngsten Nato-Vergleichszahlen lag die Bundesrepublik zuletzt bei Ausgaben von knapp 45 Milliarden Dollar. Nach anderen Rechenmodellen wäre die relative Steigerung sogar noch größer.

Arnold: Klären, welche Fähigkeiten Deutschland braucht

Auf Druck der USA hatten sich die Nato-Partner 2014 das Ziel gesetzt, ihre Verteidigungsausgaben innerhalb eines Jahrzehnts auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu steigern. Deutschlands Quote lag zuletzt bei nur 1,2 Prozent.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr französischer Amtskollege Jean-Yves Le Drian beim Nato-Treffen in Brüssel. Die Europäer sollen mehr Geld fürs Militär ausgeben, fordern die USA.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr französischer Amtskollege Jean-Yves Le Drian beim Nato-Treffen in Brüssel. Die Europäer sollen mehr Geld fürs Militär ausgeben, fordern die USA. © REUTERS | FRANCOIS LENOIR

SPD-Politiker Rainer Arnold sagte, Deutschland erhöhe bereits seine Ausgaben und müsse diesen Weg weitergehen. Die Zwei-Prozent-Regel sei aber eher für schwächere Volkswirtschaften geeignet. „Sollte sich bei uns die Wirtschaftsentwicklung abschwächen, kämen wir auch schnell auf zwei Prozent – geholfen wäre damit aber niemandem“, sagte der Verteidigungsexperte. „Ich halte das für eine merkwürdige Debatte.“ Sinnvoller sei eine Klärung, „welche Fähigkeiten Deutschland und andere Partner jeweils einbringen können“.

Von der Leyen betont Vertrauen zu den USA

Von der Leyen betonte, dass die Bundeswehr das zusätzliche Geld sehr wohl gebrauchen könne. „Wenn wir sehen, wie viele Aufträge die Bundeswehr heute für unsere Sicherheit leistet, dann weiß ich genau, dass wir das nur durchhalten, wenn auch dauerhaft mehr in die Bundeswehr investiert wird“, erklärte sie mit Blick auf zahlreiche Auslandseinsätze.

Die Drohungen der USA gegen die Nato-Partner versuchte sie herunterzuspielen. Ihr US-Kollege James Mattis habe ihr sehr deutlich klargemacht, wie „unverbrüchlich“ die USA zu den gemeinsamen Werten der Nato stünden, sagte sie in den ARD-„Tagesthemen“. „Die Amerikaner wissen auch, was sie an Europa und ihren alliierten Freunden haben.“

Osteuropa und „Islamischer Staat“ auf der Nato-Agenda

Das Vorgehen der USA, den Plan für höhere Verteidigungsausgaben der Europäer mit einem Ultimatum einzufordern, kritisierte von der Leyen nicht direkt. Sie sagte allerdings, kostbar sei in der Nato auch „das tiefe Vertrauen, dass wir füreinander einstehen ohne Wenn und Aber“.

Am zweiten Tag ihres Treffens in Brüssel wollen die Verteidigungsminister der Nato-Staaten an diesem Donnerstag über die Fortschritte bei der Aufrüstung in Osteuropa reden. Direkt im Anschluss kommen dann die Mitglieder der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zusammen. Zu ihr gehören neben den 28 Nato-Staaten auch Länder wie Saudi-Arabien oder Jordanien. (FMG/dpa)