Berlin. Von Lkw fliegende Eisplatten gefährden den Verkehr. Das Verkehrsministerium sieht das offenbar anders. Die Kritik der Grünen wächst.

Unterschätzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die Gefahr durch Eisplatten von Lkw? Das werfen die Grünen dem CSU-Minister nach einer Antwort auf eine Kleine Anfrage vor, die unserer Redaktion vorliegt. „Dobrindt ignoriert die Gefährdung der Verkehrssicherheit durch Eisplatten von Lkw-Planen vollständig. Wahrscheinlich setzt das Bundesverkehrsministerium auf Erledigung durch steigende Temperaturen“, erklärt Stephan Kühn, Sprecher für Verkehrspolitik der Grünen im Bundestag.

Nach einem Bericht unserer Redaktion fordert er Gelder zur Einrichtung von Räumstationen für Lkw-Fahrer, an denen sie Eisplatten entfernen können . Das Ministerium sieht sich dagegen für diese Anlagen nicht zuständig.

So heftig schlagen Eisplatten in Autos ein

In diesem Auto ist einem 52-Jährigen Münchner die Nase zerschmettert worden, er erlitt zudem einen Schädelbruch. Das Geschoss war in Tirol von einem entgegenkommenden deutschen Lkw auf das Auto der Familie gekracht, die auf dem Weg in den Skiurlaub war.
In diesem Auto ist einem 52-Jährigen Münchner die Nase zerschmettert worden, er erlitt zudem einen Schädelbruch. Das Geschoss war in Tirol von einem entgegenkommenden deutschen Lkw auf das Auto der Familie gekracht, die auf dem Weg in den Skiurlaub war. © Martin Haselsberger/einsatzfoto.at | Martin Haselsberger/einsatzfoto.at
Dieser VW Up stand in im sauerländischen Meschede sogar: Während der Fahrer an einer Ampel warten musste, flog von einem vorbeifahrende Lkw eine Eisplatte auf die Windschutzscheibe. Niemand verletzt-
Dieser VW Up stand in im sauerländischen Meschede sogar: Während der Fahrer an einer Ampel warten musste, flog von einem vorbeifahrende Lkw eine Eisplatte auf die Windschutzscheibe. Niemand verletzt- © Kreispolizeibehörde Hochsauerlandkreis | Kreispolizeibehörde Hochsauerlandkreis
Windschutzscheibe durchschlagen, 75 mal 50 Zentimeter große Eisplatte große Eisplatte auf dem Beifahrersitz. Der Fahrer aus Hamburg war Ende 2014 auf der A7 Kassel - Hannover bei Göttingen alleine unterwegs. Er erlitt nur Schnittverletzungen an der Hand.
Windschutzscheibe durchschlagen, 75 mal 50 Zentimeter große Eisplatte große Eisplatte auf dem Beifahrersitz. Der Fahrer aus Hamburg war Ende 2014 auf der A7 Kassel - Hannover bei Göttingen alleine unterwegs. Er erlitt nur Schnittverletzungen an der Hand. © Polizeiinspektion Göttingen | Polizeiinspektion Göttingen
Der Mercedes von vorne.
Der Mercedes von vorne. © Polizeiinspektion Göttingen | Polizeiinspektion Göttingen
In dem Wagen saß ein Mann auf der Beifahrerseite, erlitt Verletzungen im Gesicht. Seine Frau überholte im Januar 2016 auf der Autobahn 1 in Richtung Lübeck gerade einen 40-Tonner, als das Eis geflogen kam.
In dem Wagen saß ein Mann auf der Beifahrerseite, erlitt Verletzungen im Gesicht. Seine Frau überholte im Januar 2016 auf der Autobahn 1 in Richtung Lübeck gerade einen 40-Tonner, als das Eis geflogen kam. © Polizei Ratzeburg | Polizei Ratzeburg
Hier flog Eis durch den Fiesta und blieb auf der Kofferraumablage zu liegen. Riesiges Glück für die 27-jährige Fahrerin und ihre zwei Kinder. Nur sie wurde bei dem Unfall im Kreis Herford 2010 leicht verletzt. Das Eis kam hier sogar
Hier flog Eis durch den Fiesta und blieb auf der Kofferraumablage zu liegen. Riesiges Glück für die 27-jährige Fahrerin und ihre zwei Kinder. Nur sie wurde bei dem Unfall im Kreis Herford 2010 leicht verletzt. Das Eis kam hier sogar "nur" von einem Pkw-Anhänger. © Polizei Herford | Polizei Herford
Hier hätte ein Beifahrer durch das Eisgeschoss schwer verletzt werden können.
Hier hätte ein Beifahrer durch das Eisgeschoss schwer verletzt werden können. © Polizei Münster | Polizei Münster
Erhebliche Kopfverletzungen bei der Fahrerin (37) durch Eisbrocken und Splitter der zerborstenen Windschutzscheibe: Große Eisstücke waren im Dezember im Sauerland auf der Motorhaube des Golfs zerborsten und hatten die Frontscheibe durchschlagen.
Erhebliche Kopfverletzungen bei der Fahrerin (37) durch Eisbrocken und Splitter der zerborstenen Windschutzscheibe: Große Eisstücke waren im Dezember im Sauerland auf der Motorhaube des Golfs zerborsten und hatten die Frontscheibe durchschlagen. © Kreispolizeibehörde Olpe | Kreispolizeibehörde Olpe
Vollkommen gesplitterte Frontscheibe. Kurz bevor das Eis am 2. Januar in die Scheibe des Autos auf der A61 in Rheinhessen flog, hatte eine Ladung Gefrorenes bereits die Front eines anderen Wagen zerbeult.
Vollkommen gesplitterte Frontscheibe. Kurz bevor das Eis am 2. Januar in die Scheibe des Autos auf der A61 in Rheinhessen flog, hatte eine Ladung Gefrorenes bereits die Front eines anderen Wagen zerbeult. © Polizeiautobahnstation Gau-Bickelheim | Polizeiautobahnstation Gau-Bickelheim
Schwer verletzt, 100.000 Euro Schaden: Der Fahrer einer Corvette hatte im bayerischen Landkreis Traunstein im Hagel herabfallender Eisplatten die Kontrolle über das Auto verloren und sich neben der A8 mehrfach überschlagen.
Schwer verletzt, 100.000 Euro Schaden: Der Fahrer einer Corvette hatte im bayerischen Landkreis Traunstein im Hagel herabfallender Eisplatten die Kontrolle über das Auto verloren und sich neben der A8 mehrfach überschlagen. © BRK/Markus Leitner | BRK/Markus Leitner
Der Fahrer dieses Autos im Westerwald wurde Anfang Januar mit Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma in ein Krankenhaus geflogen. Eine metergroße Eisplatte war in die Frontscheibe geflogen.
Der Fahrer dieses Autos im Westerwald wurde Anfang Januar mit Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma in ein Krankenhaus geflogen. Eine metergroße Eisplatte war in die Frontscheibe geflogen. © Polizei Westerburg | Polizei Westerburg
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Das Bundesverkehrsministerium hat keine Zahlen, wie oft es zu Unfällen kommt, weil Eisplatten von nicht geräumten Lkw in den Verkehr segeln. Das Ministerium sieht die Verantwortung dafür bei den Fahrern, die aber auch aufgrund von Regelungen der Berufsgenossenschaft oft keinerlei Möglichkeit haben, einen Auflieger zu räumen.

Verkehrspolitiker Kühn hält dagegen: „Abhilfe wäre relativ einfach möglich: Auf den größeren Rastanlagen im Autobahnnetz müssen nach österreichischem Vorbild Schneeräumgerüste aufgestellt werden.“ Der österreichischen Autobahnbetreiber Asfinag bietet an sieben Parkplätzen solche Räumstationen an.

Darum sind Eisplatten für Autofahrer so gefährlich

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    Deutschlandweit 44 frei zugängliche Räumstationen

    In Deutschland führt eine von Schwerverkehrsexperte Martin Hottinger bei der Polizei Sachsen gepflegte Liste von öffentlich zugänglichen Räumstationen 44 Standorte auf. Sechs gibt es in Niedersachsen, vier in NRW, fünf in Bayern. „Ich wünschte mir 500 Gerüste“, sagte Hottinger unserer Redaktion.

    Die Zahl der Gerüste ist in den vergangenen Jahren nicht gestiegen, obwohl das Bundesverkehrsministerium in einer Antwort von „diversen Aktionen in den Bundesländern“ schreibt. Der Bund unterstütze das, indem er Fläche ohne Kosten zur Verfügung stelle.

    Polizist Martin Hottinger hat mit einem Kollegen ein Hinweisschild entwickelt, das Lkw-Fahrer auf Räumstationen hinweist. Es findet sich nicht im Katalog amtlicher Verkehrsschilder, darf aber von November bis März hängen.
    Polizist Martin Hottinger hat mit einem Kollegen ein Hinweisschild entwickelt, das Lkw-Fahrer auf Räumstationen hinweist. Es findet sich nicht im Katalog amtlicher Verkehrsschilder, darf aber von November bis März hängen. © Polizei Sachsen/Montage FMG | Polizei Sachsen/Montage FMG

    Grünen-Verkehrsexperte Kühn nennt es angesichts dieser Zahl „kein Wunder, dass Lkw-Fahrer halsbrecherische Räumaktionen auf eigene Faust daher scheuen und die Eisräumung dem Fahrtwind überlassen.“ Nur mit einem dichten Netz von „Eisfreigerüsten“ im Bundesfernstraßennetz lasse sich das Problem lösen. „Am Geld kann es nicht liegen, denn Alexander Dobrindt verkündet allerorten den sogenannten ,Investitionshochlauf´ bei den Infrastrukturinvestitionen.“

    Kühn: Mittel wären vorhanden

    Aus dem Haushalt für den Ausbau der Rastanlagen könne leicht Geld für diese Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit abgezweigt werden, so Kühn. Dobrindts Umgang mit dem Thema „Eisplatten“ sei symptomatisch für den Stellenwert, den die Bundesregierung dem Thema Verkehrssicherheit einräumt: „Es wird immer nur das Notwendigste getan und das auch nur, wenn der politische Druck hoch genug ist.“ (law)