Was Sigmar Gabriel bei seiner USA-Visite erreicht hat
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Lesezeit: 6 Minuten
Von Michael Backfisch
Washington. Nato, Europa, Freihandel – an Themen fehlte es Sigmar Gabriel in den USA nicht. Der Minister setzte vor allem auf Signale und Gesten.
Am späten Donnerstagabend steht Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) im Presseraum der deutschen Botschaft in Washington. Er sieht müde aus, die Stimme ist noch immer angekratzt wegen einer nicht auskurierten Erkältung. Der deutsche Chef-Diplomat hat einen wahren Gesprächs-Marathon hinter sich.
Am Morgen traf er den Vorsitzenden des einflussreichen Auswärtigen Senatsausschusses, Bob Corker, sowie dessen Stellvertreter. Danach saß er im Westflügel des Weißen Hauses US-Vizepräsident Mike Pence gegenüber. Am Schluss stand eine Unterredung mit US-Außenminister Rex Tillerson.
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Gabriel ist erschöpft, zieht aber ein zufriedenes Fazit: „Auch in der neuen Administration gibt es Menschen, die ein großes Interesse am Beibehalten und am Ausbau der transatlantischen Beziehungen haben.“ Ein Überblick über die wichtigsten Punkte der zweitägigen USA-Visite.
• Welches Kaliber hatten Gabriels Gesprächspartner?
Vizepräsident Pence und Außenminister Tillerson gehören zu den gemäßigten Mitgliedern im Kabinett von Präsident Donald Trump. Pence ist ein wertkonservativer Republikaner, der früher Regierungschef des Bundesstaates Indiana war. Tillerson stand lange Zeit an der Spitze des Erdölkonzerns Exxon Mobil. Bei beiden konnte Gabriel noch am ehesten auf Verständnis für die Partnerschaft zwischen Amerika und Europa hoffen. Die Frage ist allerdings, ob sie sich gegen Hardliner wie den nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn durchsetzen können.
• Was war der Zweck der Reise?
Gabriel suchte nach den Turbulenzen im US-Wahlkampf und den scharfen Tönen bei der Amtseinführung von Präsident Donald Trump den schnellen Kontakt nach Washington. Es gelang ihm, sofort Tuchfühlung aufzunehmen. So traf er seinen Amtskollegen Tillerson einen Tag nach seiner Vereidigung. Nur der jordanische König Abdullah II. hatte noch vor Gabriel ein Tête-à-Tête.
Bei Pence war Gabriel der erste ausländische Gast. Er wollte den Besuch nicht mit ausführlichen Sachgesprächen überfrachten, es ging ihm eher um politische Signale und Gesten. Die Botschaft: Wir wollen für eine Fortsetzung der transatlantischen Partnerschaft kämpfen. Gabriels Agenda hatte drei große Themen – starkes Europa, schlagkräftige Nato und möglichst viel Freihandel zwischen der EU und Amerika.
• „Starkes Europa“ – wie ist das gemeint?
Der Außenminister weiß um die Spaltungstendenzen der EU. Gerade deshalb bemüht er sich um eine Gemeinschaft, die politisch und wirtschaftlich geeint ist. Bei seinem ersten Auslandsbesuch nach Frankreich am vergangenen Samstag hat er mit seinem Amtskollegen Jean-Marc Ayrault eine Abmachung getroffen: Berlin und Paris stimmen sich bei allen entscheidenden Themen noch enger ab, insbesondere mit Blick auf das Verhältnis zu den USA. Auch Italien soll künftig noch mehr einbezogen werden.
Dahinter steckt die Idee eines Kerneuropas, das dem Sog des Brexits und den eher nationalstaatlich orientierten Staaten Osteuropas entgegenwirken soll. Gabriel beschwor die historisch gewachsene Werte-Gemeinschaft zwischen Amerika und Europa: Freiheit, Menschenrechte, Schutz für Minderheiten.
Pence und Tillerson hätten seine Europa-Idee unterstützt, sagt Gabriel. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass Trump hier mitzieht. In bisherigen Interviews hatte er die EU als Exerzierfeld für deutsches Machtstreben kritisiert. Der Brüsseler Klub sei gegründet worden, um Amerika zu schaden. Gabriel hat jedoch ein gutes Argument auf seiner Seite: Nur ein wirtschaftlich florierendes Europa kann die erhöhten Verteidigungslasten schultern, die Trump fordert.
• Bleibt die Nato ein verlässliches Militärbündnis?
Seine Gesprächspartner hätten ihm in dieser Frage Rückenwind signalisiert, betont Gabriel. Sie hatten bereits zuvor den Weiterbestand der Allianz betont und sich damit Trumps Bulldozer-Rhetorik entzogen. Der hatte die Nato als „obsolet“ bezeichnet. Die Amerikaner dürften künftig den Druck erhöhen: Die Mitglieder müssen sich mehr an der Finanzierung beteiligen. Das Bündnis sollte sich darüber hinaus bei der Bekämpfung des Terrors einschalten. Insbesondere bei der letzten Frage sind die Aussichten für einen Konsens gering.
• Rudert Trump bei der Einschränkung des Freihandels zurück?
Die Chancen hierfür stehen nicht gut. Gabriel hat sich zwar in Washington immer wieder für den Abbau von Handelsschranken stark gemacht. So hat er darauf hingewiesen, dass in der globalen Wirtschaft die Wertschöpfungsketten nicht an nationalen Grenzen halt machen. Auch US-Unternehmen würden von Zulieferern im Ausland profitieren, unterstrich er. Importsteuern und Zölle hätten zur Folge, dass die Produkte von US-Firmen im eigenen Land teurer werden. Experten gehen davon aus, dass Trump bei Handelsbarrieren hart bleibt. Zu prominent war dieses Versprechen in seinem Wahlkampf. Die Bundesregierung könnte mit einer stärkeren Ausrichtung auf die Märkte in Asien reagieren.
• Gibt es weitere Sanktionen gegen Russland?
Gabriel hat dafür geworben, die Strafmaßnahmen nur dann abzubauen, wenn Russland bei der Umsetzung des Minsk-Abkommens Fortschritte macht. Darüber hinaus fordert er die Fortsetzung der zweigleisigen Entschärfung des Ukraine-Konflikts. Das sogenannte Normandie-Format mit den Vierer-Verhandlungen zwischen Deutschland, Frankreich, der Ukraine und Russland soll weiter verfolgt werden. Zudem sei eine enge Abstimmung mit den USA nötig. Pence und Tillerson hätten dem zugestimmt. Von Trump war in dieser Frage aber bislang noch nichts zu hören.
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• Wie geht es jetzt weiter?
Gabriel sieht seinen USA-Besuch als ersten Schritt einer großen transatlantischen Annäherungs-Offensive. Er empfiehlt deutschen Politikern auf allen Ebenen, den Draht zur Trump-Regierung zu suchen. Die nächsten Bundesminister sollen schon bald in Washington aufschlagen. Und irgendwann in den kommenden Monaten steht der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel an.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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