Washington. Stephen Bannon ist der einflussreichste Strippenzieher des US-Präsidenten. Er macht vielen Angst. Wer ist der bisher unbekannte Mann?

Wer im Weißen Haus arbeitet und der renommiertesten Zeitung Amerikas ins Gesicht schreit, sie soll „das Maul halten“ und dabei nicht auf der Stelle seinen Job verliert, muss wichtige Freunde haben. Stephen Bannon hat einen sehr wichtigen Freund. Donald Trump. Der neue US-Präsident hat den 63-jährigen ehemaligen Marinesoldaten und Medienunternehmer zuletzt stetig aufgewertet. Vom Wahlkampfberater ist der Sohn einer katholischen-irischen Arbeiterfamilie aus Virginia nach dem Sieg im November neben Trumps Schwiegersohn Jared Kushner zu einem der wirkungsmächtigsten Strippenzieher in der Regierung geworden.

Trumps unversöhnliche „Amerika zuerst“-Antrittsrede, in der viel von Düsternis und „Gemetzel“ und wenig von Licht und nationaler Einheit zu hören war, trägt die Handschrift Bannons. Er sieht Amerika von korrupten Eliten aus Politik und Hochfinanz in Geiselhaft genommen und die „jüdisch-christlichen Traditionen“ in einem Glaubenskrieg mit dem radikalen Islam. Leidtragende aus seiner Sicht: die weißen Arbeiterschichten.

Viele Sonder-Dekrete, mit denen Trump die politische Landschaft umpflügt, sind maßgeblich von dem stets etwas zu bleich und zu unrasiert aussehenden Millionär inspiriert, der durch Anteile an der linksliberal grundierten Comedy-TV-Serie „Seinfeld“ zu Wohlstand kam. Wenn Trump mit Regierungschefs wie Wladimir Putin am Telefon konferiert, sind Bannons Ohren nie weit weg. Und Bannon ist auch der Stichwortgeber, wenn Trump niederwalzt, was sich ihm an Kritik in den Weg stellt. Er selber tut es ja auch.

Bannon hat ständigen Sitz im Nationalen Sicherheitsrat

In einem seiner raren Interviews knallte der als Chef des Krawall-Internet-Portals Breitbart bekannt gewordene Bannon der „New York Times“ um die Ohren, sie möge sich „schämen“ für die Wahlkampf-Berichterstattung über Trump. „Sie sind die Oppositionspartei. Nicht die Demokraten“, identifizierte er das Flaggschiff der vierten Gewalt als Feind der Regierung. Was in anderen Fällen wohl zur vorzeitigen Demission geführt hätte, brachte dem Attackierenden beim Chef ein Extra-Fleißkärtchen ein. Trump erkennt sich in Bannon wieder. Und umgekehrt.

Seit Sonnabend macht das viele in Washington noch nervöser. Trump verfügte, dass sein Chefberater einen ständigen Sitz in jenem Gremium erhält, in dem Amerika über Krieg und Frieden vorentscheidet. Bannon wird im Nationalen Sicherheitsrat (NSC) regelmäßig vertreten sein. Dagegen werden der höchste Militär, Generalstabschef Joseph Dunford, und der Geheimdienstdirektor Dan Coats nur von Fall zu Fall hinzugezogen.

Bannon vergleicht sich selber mit Darth Vader

Obamas ehemalige Sicherheitsberaterin Susan Rice erschrak und nannte die Entscheidung „total behämmert“. Auch im republikanischen Establishment regte sich Widerstand. „Sehr beunruhigend“, erklärte Senator John McCain. In Internetforen heißt es längst: „Stop President Bannon.“ Getrieben von der Sorge, dass nicht der weltpolitisch unerfahrene Trump Entscheidungen von größter Tragweite prägt. Sondern Bannon. Ein Mann, der diebische Freude daran hat, sich in Interviews mit Darth Vader, dem Bösewicht aus „Star Wars“ zu vergleichen. Wahlweise tut es auch Dick Cheney, der Kriegstreiber im Kabinett George W. Bush.

Experten der Anti-Rassismus-Organisation „Southern Poverty Law Center“ in Alabama können darüber nicht lachen. Sie kennen Bannon als Kopf einer „weißen ethno-nationalistischen Propagandamühle“. Gemeint ist „Breitbart News“. Bis zum Einstieg bei Trump im vergangenen Sommer war Bannon Chef des Nachrichtenportals, das mit 30 Millionen Klicks im Monat zum digitalen Lagerfeuer geworden ist, um das sich ein sehr spezielles Publikum versammelt.

Fremdenfeinde, Verschwörungstheoretiker und Co.

Teaparty-Aktivisten, Obama-und-Demokraten-Hasser, Fremdenfeinde, Antisemiten, Verschwörungstheoretiker, Rassisten und die rechtsextreme „Alt-Right“-Bewegung, in der Neonazis wie Richard Spencer von „weißen Rasseninteressen“ schwadronieren, finden hier geistige Wegzehrung. „Schwarzer Reporter verdächtigt, weiße Kollegen hingerichtet zu haben – live im Fernsehen!“, lautete eine symptomatische Schlagzeile der vergangenen Monate.

Wem nach faktenentleerten Geschichten über Trumps Konkurrentin Hillary Clinton gelüstete, wurde ebenfalls blendend bedient. Oft verbreitete Bannon seine von nationalistischen Grundüberzeugungen geleitete Gesinnung persönlich. In einem Radiointerview mit ihm klagte Donald Trump, dass die USA zu viele unternehmerische Talente durch unbarmherzige Visa-Vorschriften verlören. Bannon hielt faktenfrei dagegen: Wenn im kalifornischen Silicon Valley „zwei Drittel oder drei Viertel“ der Vorstandsvorsitzenden asiatischer Abstammung seien, laufe etwas in die falsche Richtung.

Breitbart begleitet die Regierungsarbeit wie eine Pressestelle

Seit Trump im Amt ist, begleitet Breitbart die Regierungsarbeit wie eine outgesourcte Pressestelle. Trump-Kritiker werden abgemeiert. Selbst Republikaner wie Paul Ryan, als Sprecher des Repräsentantenhauses die Nummer drei im Staat, haben bereits Warnschüsse abbekommen.

Bannons Biografie ist bunt. Nach der Schule ging er zur Navy, schob Dienst auf einem Zerstörer im Persischen Golf. Die US-Geiselkrise in Teheran und Jimmy Carters unergiebige Entspannungspolitik weckten seine Wut gegen die Demokraten, obwohl sein Vater in Norfolk/Virginia, Gewerkschafter war. Nach einem Politikstudium in Washington landete er via Harvard bei der Investmentbank Goldman Sachs. Spätestens die Finanzkrise 2008 entfremdete ihn von den Wall-Street-Zockern.

Bannon besitzt „schlecht entwickelten moralischen Kompass“

In Hollywood tummelt er sich als Finanzier und Produzent in der Filmwelt, wurde noch reicher und letztlich politisch. Manche sagen missionarisch. Als Fan von Ronald Reagan suchte er Persönlichkeiten, die das Republikaner-Kartell in Washington sprengen. Bannon promotete die als Vizepräsidentschaftskandidatin irrlichternd in die Geschichte eingegangene Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin. Sein Dokumentarfilm „Das Feuer des Kernlandes: das Erwachen der konservativen Frau“ – erinnert an Leni Riefenstahl.

Früher als andere war Bannon überzeugt, dass der Trump-Express ins Weiße Haus führt, wenn die richtigen Leute auf der Lok sitzen und das „unvollkommene Gefäß“ (Bannon über Trump) füllen – und steuern. Leute wie Ben Shapiro und Kurt Bardella, ehemalige Weggefährten aus Breitbart-Zeiten, warnen, Bannon besitze einen „sehr schlecht entwickelten moralischen Kompass“.

Breitbart will Zweigstelle in Deutschland eröffnen

Auch Europa hat Grund zu Unwohlsein. Bannons gut dokumentierte Verachtung für politisch-wirtschaftliche Eliten und multinationale Bündnisse hat eine feste Adresse: Brüssel. Dass EU-Rechtspopulisten wie Geert Wilders (Niederlande), Marine Le Pen (Frankreich) und Nigel Farage (Großbritannien) schon oft an der Trump-Peripherie gesichtet wurden, geht auf Bannon zurück. Er findet die Idee einer rechtspopulistischen Internationalen sexy, die – kontra EU, Nato, Freihandel und pro Putin – mit Trump eine neue Achse der nationalen Eigenbrötler bildet. Und damit ist es ihm ernst. Breitbart will noch vor der Bundestagswahl in Deutschland eine Zweigstelle eröffnen.