Washington. Ein Trump-Effekt der anderen Art: Die Bürgerrechtsbewegung erlebt einen nie gekannten Zulauf. Der Einreise-Erlass wirkt wie ein Turbo.

Donald Trump spricht oft von einem „Movement“, also einer „Bewegung“, wenn er von seiner Politik und seinen Anhängern spricht. Mit seiner Politik befeuert er aber gerade eine andere Bewegung: Es sind diejenigen, die Sorge haben um die amerikanischen Werte unter einem Präsidenten Trump. Sein Einreise-Erlass zulasten von Muslimen und Flüchtlingen lässt Spenden- und Mitgliederzahlen bei der Bürgerrechtsbewegung explodieren und Wissenschaftler und Weltkonzerne offen gegen ihn Stellung beziehen.

Die Bürgerrechtler: Die US-Bürgerrechtsvereinigung ACLU, die erfolgreich gegen das Einreiseverbot geklagt hat, meldet eine nie gekannte Spendenflut. Von 356.306 Einzelspenden über das Wochenende ist die Rede, eine Summe von 24,2 Millionen Dollar kam über Onlinespenden zusammen. Das sei das Sechsfache dessen, was die ACLU in vergangenen Jahren im gesamten Jahr an Onlinespenden erhalten hat, sagte ein Sprecher.

Bereits in den ersten Tagen nach der Trump-Wahl im November 2016 hatte die ACLU von einer nie gekannten Spendenwelle gesprochen – da waren es aber „nur“ 9 Millionen Dollar in wenigen Tagen. Und nicht nur die Spendenbereitschaft ist enorm. Seit der Wahl hat sich auch die Zahl der Mitglieder der Bürgerrechtsvereinigung auf mehr als eine Million verdoppelt.

Sängerin SIA versprach ihren 2,4 Millionen Followern auf Twitter, Spenden an die ACLU bis zu einer Summe von 100.000 Dollar zu verdoppeln, wenn man ihr die Belege schicke. Andere Nutzer gaben ähnliche Versprechen ab.

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Viele verstehen ihre Mitgliedschaft und ihre Spenden als deutliches Zeichen: Mitfahrdienst und Uber-Konkurrent Lyft etwa kündigte an, in den kommenden vier Jahren eine Million Dollar für die ACLU zu spenden, „um unsere Verfassung zu verteidigen“, wie Boss Logan Green twitterte. An den Flughäfen konnten vielfach Anwälte wieder umdrehen, weil sich bereits mehr als genug Kollegen gefunden hatten, die ohne Honorar für nicht ins Land gelassene Menschen kämpfen wollten.

Demonstranten und Aktivisten am Flughafen in Portland/Oregon.
Demonstranten und Aktivisten am Flughafen in Portland/Oregon. © REUTERS | STEVE DIPAOLA

Die Demonstrationen: An mehr als 80 Flughäfen in den USA versammelten sich über das Wochenende spontan Demonstranten, dazu an Airports in Kanada und in London. Ein Demonstrationszug in Washington erstreckte sich vom Weißen Haus bis zum Capitol. „Kein Hass, keine Furcht“, forderten die Kundgebungsteilnehmer. Der als Kind aus Russland in die USA ausgewanderte Google-Mitgründer Sergej Brin war unter den Demonstranten am Flughafen von San Francisco.

7000 Wissenschaftler unterzeichnen offenen Brief

Der Protest der Wissenschaftler: Über das Wochenende haben mehr als 7000 Wissenschaftler einen Aufruf „No to immigration ban“ unterzeichnet, darunter mehr als 40 Nobelpreisträger wie auch der Deutsch-Amerikaner Thomas Südhof von der Universität Stanford. Veröffentlicht sind unter dem offenen Brief nur die Namen derjenigen, die die Organisatoren bereits gegengecheckt haben, die Liste wird noch weiter wachsen.

Bereits kurz nach der Amtseinführung hatten zahlreiche Wissenschaftler für Behörden inoffizielle neue Twitteraccounts angelegt und gezielt Klimafakten verbreitet. Die Trump-Administration hatte für die Kommunikation der Behörden eine Art Maulkorb-Erlass verkündet. Den umgingen die Wissenschaftler mit den neuen Accounts. Ähnlich wie der „Women“s march“ ist auch ein „Marsch der Wissenschaftler“ geplant.

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Der Protest der Wirtschaft: Starbucks machte eine besonders öffentlichkeitsträchtige Ankündigung, die aber schwer zu überprüfen sein wird: Die Kaffeerestaurantkette will 10.000 Flüchtlingen Jobs zu bieten, kündigte Vorstandschef Howard Schultz in der Nacht zu Montag an. Die Anstellungen seien über den Zeitraum von fünf Jahren in 75 Ländern geplant. Schultz schrieb, er sei angesichts der aktuellen Entwicklungen in tiefer Besorgnis.

Twitter bewirbt Plädoyer für Migranten

Tesla-Chef Elon Musk schrieb, viele der Betroffenen von Trumps Politik seien starke Unterstützer der USA. „Sie haben das Richtige getan, nicht das Falsche, und sie verdienen es nicht zurückgewiesen zu werden.“

Die Tech-Konzerne hatten sich erwartungsgemäß am schnellsten gemeldet. So hatte es Kritik und Reaktionen etwa von Google, Facebook, Microsoft und Twitter gegeben. Die Unternehmen setzen besonders stark auf Experten aus dem Ausland. Aber auch Mischkonzern General Electric kritisierte, viele für den Erfolg des Unternehmens wichtige Mitarbeiter seien vom Einreisestopp betroffen. Die Großbank JP Morgan Chase sicherte betroffenen Mitarbeitern die „unerschütterliche“ Unterstützung der Firma zu.

Eine Nachricht von Twitter erscheint als gesponsorter Beitrag auch in den Nachrichten von Menschen, die den Account nicht abonniert haben – und dürfte auch Trump begegnen, wenn er bei Twitter reinschaut. Twitter sei von Einwanderern aller Religionen aufgebaut worden. „Wir stehen immer auf ihrer Seite.“

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Die US-Politik: Auch Mitglieder der Partei der Republikaner äußerten sich kritisch zu Trumps Entscheidung. Der Erlass diene dem „Islamischen Staat“ (IS) als Propaganda, warnte der republikanische Senator John McCain in einer Talkshow. Bob Corker, Republikaner und Vorsitzender des Ausschusses für Außenpolitik im Senat, erklärte, der Erlass sei schlecht umgesetzt worden. Die Regierung müsse unverzüglich Änderungen daran vornehmen. Der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, kündigte an, er werde einen Gesetzentwurf vorstellen, um den Erlass rückgängig zu machen.

Die internationale Politik: Kanadas Premierminister Justin Trudeau war beinahe erwartungsgemäß der erste, der sich klar positionierte. Sein Plädoyer für Vielfalt wurde über das Wochenende mehr als 400.000-fach retweetet. „Denen, die vor Verfolgung, Terror und Krieg flüchten sagen wir: Kanadier heißen Euch willkommen, egal, welchen Glauben ihr habt: Vielfalt ist unsere Stärke.“

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Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich über Regierungssprecher Steffen Seibert geäußert. Im Telefonat mit Trump habe sie ihr Bedauern über die Entscheidung ausgedrückt. „Sie ist überzeugt, dass auch der notwendige entschlossene Kampf gegen den Terrorismus es nicht rechtfertigt, Menschen einer bestimmten Herkunft oder eines bestimmten Glaubens unter Generalverdacht zu stellen.“

In Großbritannien hatten am Montag 1,2 Millionen Menschen eine Petition unterzeichnet, mit der ein Staatsbesuch von Donald Trump mit offiziellen Ehren verhindert werden soll. Die Forderung ist schon älter, bekam aber über das Wochenende enormen Zulauf. Und am Wochenende forderte der iranischstämmige Grünen-Politiker Omid Nouripour, Betroffener von Trumps neuer Richtlinie, ein Einreiseverbot für Trump zum G20-Gipfel in Hamburg.

Der Zuspruch: In der Öffentlichkeit geht etwas unter, dass es in den USA auch weiterhin viel Zuspruch für Trumps Politik und Unverständnis über die Kritik gibt. „Ich kann nicht glauben, dass die Bürger dieses Landes miteinander streiten, weil unser Präsident alle Amerikaner beschützen will“, ist einer der am häufigsten gelikten Kommentare auf Trumps Facebookseite. Mehr als 100.000 Likes bekam ein Kommentar, geschlossene Grenzen bedeuteten nicht, herzlos zu sein: „Ich schließe jede Nacht meine Tür ab. Ich schließe sie nicht ab, weil ich die Menschen draußen „hasse“. Ich schließe sie ab, weil ich die Menschen drinnen liebe.“

Trump hatte am Freitagabend das US-Programm zur Aufnahme von Flüchtlingen für vier Monate ausgesetzt, bis auf weiteres einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien verhängt und die Einreisebedingungen für viele Muslime deutlich verschärft. In den kommenden 90 Tagen werden Bürger aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern keine Einreisevisa bekommen, heißt es in dem von Trump unterzeichneten Erlass mit dem Titel „Schutz der Nation vor der Einreise ausländischer Terroristen in die Vereinigten Staaten“. Das gilt für Irak, Syrien, Iran, Libyen, Somalia, Sudan und Jemen. (mit dpa)