London. Wissenschaftler haben ein Netz von 350.000 Twitter-Bots entdeckt. Die Roboter wurden nach einer „Star Wars“-Episode schlafen geschickt.

Sie wurde schnell rekrutiert, sie war am Anfang sehr aktiv – und sie wartet seit mehr als drei Jahren darauf, wieder in den Einsatz geschickt zu werden. Forscher des University College London haben eine „Star Wars“-Armee auf Twitter entdeckt: Mehr als 350.000 im Sommer 2013 angemeldete Accounts gehören zu einem Botnetz und haben bislang nur Zitate aus „Star Wars“ getwittert. Es ist das bisher größte Netzwerk von getarnten Accounts, und die Wissenschaftler finden den Fund alarmierend. „Im besten Fall geht es nur um Marketing.“

Gängige Methoden zur Computer-Suche nach Bots hätten die Fake-Accounts nicht aufgespürt, schreiben die Computerwissenschaftler Shi Zhou und Juan Echeverria Guzman in ihrer Zusammenfassung. Sie sind alle zwischem dem 20. Juni und dem 14. Juli 2013 entstanden, ein großer Teil hat Profilbilder unklaren Ursprungs, viele haben auch Ortsangaben und Profilbeschreibungen. Alle Befunde untermauerten aber „die Vermutung, dass die ,Star Wars´-Bots ein großes, computergeniertes Botnetz bilden, das von einem Botmaster kontrolliert wird“, so die Forscher.

Bots können Meinungsbildung manipulieren

Jeder Bot für sich ist harmlos, orchestriert kann schon eine viel kleinere Zahl Twitter manipulieren. Wenn sie massenhaft zu einem Thema twittern, wird das Thema nach oben gespült, sie können den Eindruck erwecken, dass Zustimmung oder Widerstand bei politischen Entscheidungen gewaltig sind. Sie können auch ernsthafte Diskussionen ersticken. Alle im Bundestag vertretenen Parteien und die FDP haben erklärt, auf den Einsatz von Social Bots im Wahlkampf verzichten zu wollen. Nach zunächst anderen Signalen sichert auch die AfD das zu.

Der Zweck der „Star Wars“-Bots ist unklar. Sie könnten nach Ansicht der Wissenschaftler auch als Follower zum Kauf angeboten oder für Spam genutzt werden. Dass sie seit mehr als drei Jahren verstummt sind, hat aus Sicht der Forscher keine Bedeutung. Das könne dazu gedient haben, weiter eine Entdeckung zu vermeiden. Es sei sehr wahrscheinlich, dass bei den mit viel Aufwand generierten Accounts immer noch jemand die Kontrolle darüber habe und jederzeit agieren könne. Das Magazin „New Scientist“ zitiert einen Computerwissenschaftler aus Cambridge mit einer anderen Erklärung: Jon Crowcroft sagt, es könne sich auch um das Experiment eines Amateur-Hackers gehandelt haben.

Aus dem Nirgendwo: Ortsangaben waren verräterisch

Viele der Tweets sind sogar mit Ortsangaben versehen, von wo sie vermeintlich abgeschickt worden sind. Das ließ die Tweets noch echter aussehen. Es hatte die Wissenschaftler bei einer Auswertung von sechs Millionen zufällig ausgewählten englischsprachigen Accounts aber erst stutzig gemacht. Auffällig viele Tweets waren demnach aus menschenleeren Gegenden gesendet worden, von Wasser- und Eisflächen.

Diese 23.820 Tweets schauten sich die Forscher zunächst genauer an: Ein Großteil kam von 3244 Accounts, die nichts anderes von sich gaben als zufällige Textpassagen aus „Star Wars“. Einen Computer Zitate aus Romanen verbreiten zu lassen lässt Tweets stärker nach menschlicher Alltagssprache aussehen. Zugleich war es aus Sicht der Forscher ein Fehler, dafür ausschließlich „Star Wars“-Romane zu nutzen. Leia, Darth Vader und Obi-Wan Kenobi waren auch Echeverria und Zhou vertraut.

Alle Tweets von App für Windows Phone

Manchmal brachen die Zitate wegen der 140-Zeichen-Begrenzung mitten im Satz ab, manchmal waren Hashtags sinnlos gesetzt. Es gab keine Tweets an andere, keine Retweets – und sie waren von maximal zehn Accounts abonniert, die in der Regel genauso gestrickt sind.

Und die ID dieser Accounts, die von Twitter fortlaufend vergeben wird, lag in einem vergleichsweise schmalen Bereich, sie waren also alle zur etwa gleichen Zeit gegründet worden. Die Forscher konnten den Zeitraum auf vier Wochen einschränken. In dieser Zeit hatten die „Star Wars“-Bots täglich rund 150.000 Tweets abgeschickt, bis sie dann verstummten. Alle waren von „Twitter for Windows Phone“ verschickt worden. Das ist sehr ungewöhnlich, in der Kontrollgruppe fand sich das nur bei 0,02 Prozent der Tweets.

Möglicherweise noch größeres Botnet gefunden

Damit hatten die Forscher einige Kriterien, wonach sie suchen müssen. Nun kam bei diesen zu überprüfenden Accounts künstliche Intelligenz ins Spiel. Die Software wurde zunächst mit den Worten aus den vorliegenden Tweets darauf trainiert wurden, „Star Wars“-Accounts am Inhalt der Tweets von anderen zu unterscheiden. Diese Bots nutzten ganz andere Worte häufig als die anderen Nutzer. Eine Wortwolke illustriert die jeweils am häufigsten genutzten Begriffe, häufig genutzte Worte erscheinen größer.

Ein Klassifikator ordnete dann anhand von Wahrscheinlichkeiten die Accounts der Gruppe der Bots zu: Es waren genau 356.957 „Star Wars“-Twitterkrieger. Und inzwischen glauben die Forscher, auf ein noch größeres Netz mit 500.000 Accounts gestoßen zu sein. Dazu planen sie auch eine Veröffentlichung.