Berlin. Ditib-Imame haben im Auftrag Ankaras Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausgehorcht. Nun wächst die Kritik an dem Islamverband.

  • Imame in Deutschland haben Anhänger des Predigers Gülen ausgehorcht
  • Der Generalsekretär der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) spricht von einer Panne
  • Der Prediger Fethullah Gülen lebt in den USA, er gilt in der Türkei als Drahtzieher des Putschversuchs vom Juli 2016

Deutschlands größter Islamverband Ditib hat Bespitzelungen für den türkischen Staat eingeräumt. Imame des Verbandes hätten Informationen über die Gülen-Bewegung an die Regierung in Ankara weitergegeben, sagte der Generalsekretär der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib),Bekir Alboga, am Donnerstag.

„Die schriftliche Anweisung des türkischen Religionspräsidiums Diyanet war nicht an die Ditib gerichtet. Trotzdem folgten dem einige wenige Ditib-Imame fälschlicherweise“, sagte Alboga, der „Rheinischen Post“. „Wir bedauern die Panne zutiefst und haben diesbezüglich auch mit Diyanet gesprochen“, fügte Alboga hinzu. Zuvor hatten die regierungskritische türkische Zeitung „Cumhuriyet“ und „Die Welt“ über den Fall berichtet.

Ditib warnt vor Generalverdacht gegen ihre etwa 1000 Imame

Aus Angst vor Bespitzelung hätten viele Gülen-Anhänger keine Ditib-Moschen mehr besucht, so ein Vertreter der Bewegung.
Aus Angst vor Bespitzelung hätten viele Gülen-Anhänger keine Ditib-Moschen mehr besucht, so ein Vertreter der Bewegung. © dpa | Marcus Brandt

Dem Evangelischen Pressedienst sagte Alboga, dass etwa drei bis fünf Ditib-Imame in Deutschland Informationen zur Gülen-Bewegung in die Türkei weitergegeben hätten. Er warnte vor einem Generalverdacht gegen die etwa 1000 Imame, die bundesweit für den Islamverband im Einsatz sein. Man berate Maßnahmen, um zu verhindern, dass es noch einmal zu einer Bespitzelung komme.

Der im US-amerikanischen Exil lebende Prediger Fethullah Gülen gilt in der Türkei als Staatsfeind. Präsident Recep Tayyip Erdogan macht dessen Hizmet-Bewegung für den Putschversuch im Juli vergangenen Jahres verantwortlich.

Gülen-Vertreter wirft Ditib „Verniedlichung“ vor

Die Hizmet-Bewegung betreibt in mehreren Staaten Schulen und engagiert sich eigenen Angaben zufolge für interkulturellen Dialog. Als deutschlandweiter Hizmet-Ansprechpartner versteht sich die Stiftung Dialog und Bildung in Berlin.

Deren Vorsitzender Ercan Karakoyun sagte der Deutschen Presseagentur: „Das war von vorneherein klar – jetzt von einer Panne zu sprechen, das ist schon sehr verniedlichend.“ Den Ditib-Imamen sei es bei ihren Nachforschungen darum gegangen, herauszufinden, „wer sind die und was tun die, und das wurde dann nach Ankara gemeldet“. In der Folge hätten es viele Hizmet-Anhänger nicht mehr gewagt, in Ditib-Moscheen zu beten.

Kurdische Gemeinde: Ditib von Ankara instrumentalisiert

Der Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, erklärte im Radiosender SWR 2, Ditib sei von Ankara instrumentalisiert. Wer mit dem Verband zusammenarbeite, wie es Landesregierungen in Fragen des islamischen Schulunterrichts täten, der lege die Zukunft der deutschen Muslime in die Hände des türkischen Präsidenten.

Der religionspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, verwies darauf, dass er bereits im Dezember beim Generalbundesanwalt Strafanzeige in diesem Fall gestellt habe – wegen des Verdachts der Spionage zum Nachteil der Bundesrepublik. Die Bundesanwaltschaft bestätigte den Eingang der Anzeige, machte zum Verfahrensstand aber keine Angaben.

Grüne und Linke fordern harte Maßnahmen

Die Zentralmoschee in Köln in der Nähe der Zentrale der türkisch-islamischen Union (Ditib).
Die Zentralmoschee in Köln in der Nähe der Zentrale der türkisch-islamischen Union (Ditib). © dpa | Oliver Berg

Beck erklärte, die Ditib müsse nun der Generalbundesanwaltschaft die Personen benennen, die im Auftrag der türkischen Republik Informationen gesammelt hätten. Nach Angaben von Ditib-Generalsekretär Alboga sind diese Namen den Behörden bereits bekannt, zugleich unterstrich er die Bereitschaft zur Mitarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden.

Die Beauftragte für Migration und Integration in der Bundestagsfraktion der Linken, Sevim Dagdelen, forderte eine Ausweisung der „Ditib-Agenten“. Ditib agiere „als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten in Deutschland“, der Verband sei „keine Religionsgemeinschaft, sondern eine politische Vertretung Ankaras“.

NRW-Regierungsvertreter warnen vor innertürkischen Konflikten

Auch der integrationspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Joachim Stamp, sprach sich für eine Ausweisung aus. Zugleich müssten „reformorientierte Kräfte“ innerhalb der Ditib gestärkt werden. Das Prinzip, in der Türkei ausgebildete Imame zu importieren, habe dagegen keine Zukunft, da es die Integration behindere.

Die Spitzel-Affäre war am Mittwoch auch Thema eines Gesprächs zwischen Ditib-Vertretern aus Nordrhein-Westfalen und der Landesregierung. Die Regierungsvertreter warnten die Ditib davor, die aktuellen innertürkischen Konflikte auf die Gemeinschaft der Türkeistämmigen in Nordrhein-Westfalen übergreifen zu lassen.

Ditib soll aber „wichtiger Partner“ bleiben

Die Landesregierung werde allen Entwicklungen „mit Entschiedenheit entgegentreten, innertürkische Konflikte, ob ethnisch, religiös oder politisch, auf unrechtmäßige Weise in Deutschland auszutragen“, teilte das Integrationsministerium mit. Man erwarte „ein deutliches Zeichen auch vom Landesverband der Ditib, derlei Konflikte mit aus Deutschland herauszuhalten“.

Zugleich unterstrichen die Vertreter der Landesregierung, dass das Land die Ditib weiterhin als „wichtigen Partner in unterschiedlichen Handlungsfeldern“ ansehe. (epd/dpa)