Istanbul. Nach dem Mord des russischen Botschafters in der Türkei macht Ankara Fethullah Gülen verantwortlich. Das sorgt für Spannung mit den USA.

Noch versucht ein türkisch-russisches Ermittlerteam, die Hintergründe des Attentats auf den russischen Botschafter in Ankara auszuleuchten und mögliche Hintermänner zu identifizieren, da steht für den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu bereits fest, wer den Mord in Auftrag gegeben hat: Die Türkei und Russland wüssten, dass die Bewegung des Exil-Predigers Fethullah Gülen hinter dem Anschlag stecke, habe Cavusoglu seinem US-Kollegen John Kerry in einem Telefonat erklärt, berichtete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf Regierungskreise.

Gülen, ein früherer Verbündeter und heutiger Widersacher des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan, lebt seit 1999 in den USA. Die Türkei macht ihn für den Putschversuch vom Juli verantwortlich und verlangt seine Auslieferung, über die aber noch nicht entschieden ist. Der russische Botschafter Andrej Karlow war am Montagabend in Ankara bei einer Ausstellungseröffnung von einem in Zivil gekleideten Polizisten erschossen worden.

Ankara fordert Auslieferung des Predigers

Ein Einsatzkommando tötete den Attentäter. Sein Motiv ist unklar. Es wird ein islamistischer oder nationalistischer Hintergrund vermutet. Regierungsnahe türkische Medien hatten schon gleich nach der Tat auf Gülen als möglichen Drahtzieher gezeigt und die USA mitverantwortlich gemacht. Dass nun Außenminister Cavusoglu diese Spekulation zur Gewissheit umdeutet und seinen Amtskollegen Kerry damit konfrontiert, sorgt für neue Irritationen im ohnehin gespannten Verhältnis zwischen Ankara und Washington.

Die türkische Regierung hatte in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert, dass sich das Auslieferungsverfahren hinzieht. Der türkische Justizminister forderte von den USA, Gülen bis zur Entscheidung über den Auslieferungsantrag in Haft zu nehmen, worauf die amerikanischen Behörden aber nicht eingingen. Der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, wies die türkischen Vorwürfe über eine amerikanische Verwicklung in das Attentat auf den russischen Botschafter als „falsch“ und „absolut lächerlich“ zurück.

Attentat überschattet Beziehungen von Ankara und Moskau

Außenminister Kerry sei „beunruhigt“ über diese Rhetorik aus der Türkei, sagte der Sprecher. Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zeigte sich befremdet und warnte die Türkei vor voreiligen Schlüssen, solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen seien. Insgesamt arbeiten eine 18-köpfige Gruppe aus Russland und 120 Mitarbeiter der Polizei in Ankara zusammen, um den Botschafter-Mord aufzuklären.

Das Attentat überschattet die Beziehungen Ankaras zu Moskau. Sie hatten sich gerade erst von der Eiszeit nach dem Abschuss eines russischen Bombers durch die türkische Luftwaffe erholt. Der russische Premierminister Dmitri Medwedew twitterte nach dem Attentat, die Ermordung eines Botschafters sei „eines der schwersten Verbrechen im Völkerrecht“. Russland werde die Tat „nicht ungesühnt lassen“ – eine deutliche Ansage. Dass der Attentäter ein Polizist war, der die Sicherheitskontrollen passieren und sich als Leibwächter des Botschafters ausgeben konnte, bringt die türkische Regierung zusätzlich in Erklärungsnot.