Ankara. Putin und Erdogan betonen, der Botschaftermord dürfe ihr Verhältnis nicht verschlechtern. Auch vor der US-Botschaft fielen Schüsse.

Schlechter hätte die Reise des türkischen Außenministers nach Russland kaum beginnen können. Mevlüt Cavusoglu ist gerade auf dem Flug nach Moskau, als am Montag um 19.05 Uhr in der türkischen Hauptstadt Ankara der russische Botschafter Andrej Karlow erschossen wird. Nicht nur versagen bei dem Attentat alle Schutzmechanismen. Einer der wichtigsten Diplomaten in der Türkei wird noch dazu von einem türkischen Staatsdiener ermordet – ausgerechnet von einem Polizisten.

Ein tödliches Attentat auf einen Botschafter ist selbst in der gewaltgeplagten Türkei ein Novum. Die Bluttat beweist zugleich, dass es sogar im Herzen der Hauptstadt bei einer an sich harmlosen Veranstaltung – einer russisch-türkischen Fotoausstellung – keine Sicherheit mehr gibt. Das Kulturzentrum für Zeitgenössische Kunst, in der Karlow die Ausstellung eröffnete, liegt gegenüber der Botschaft der USA und keine 300 Meter von der Deutschlands entfernt.

Attentäter rief „Allahu Akbar“

Nur wenige Stunden später, in der Nacht zu Dienstag, ereignete sich ein weiterer Zwischenfall. Vor der US-Botschaft in Ankara zog ein Mann eine Waffe und feuerte mehrere Schüsse ab. Verletzt wurde niemand, die Polizei nahm den Mann in Gewahrsam.

Der Zeitpunkt des Attentats auf den Botschafter – kurz nach dem Fall Aleppos und einen Tag vor der Syrien-Konferenz Russlands, der Türkei und des Irans in Moskau – dürfte kaum ein Zufall gewesen sein. „Allahu Akbar“, rief der 22-jährige Attentäter Mevlüt Mert Altintas, der sich mit seinem Dienstausweis Zutritt verschaffte, und auf Türkisch „Vergesst nicht Aleppo“ sowie „Vergesst nicht Syrien“. Während der Rede Karlows stand Altintas im dunklen Anzug wie ein Leibwächter hinter dem Botschafter, dem er schließlich in den Rücken schoss.

Erst im Sommer kam es zur Aussöhnung

Die Türkei und Russland, die im Syrien-Konflikt lange über Kreuz lagen, haben sich bei dem Thema in der jüngsten Vergangenheit angenähert, was den von Ankara unterstützten Rebellen nicht gefallen kann. Der regimetreue syrische Abgeordnete Fares Schehabi nannte den ermordeten Botschafter auf Twitter „einen Märtyrer für Aleppo, einen Helden für Syrien“.

Ankara und Moskau werteten das Attentat übereinstimmend als Angriff auf das bilaterale Verhältnis. Fast zeitgleich versicherten noch am Montagabend der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Kremlchef Wladimir Putin, die „Provokation“ werde die Annäherung der beiden Länder nicht wieder rückgängig machen. Erst kurz vor dem Putschversuch in der Türkei von Mitte Juli hatte Erdogan sich für den Abschuss eines russischen Kampfjets entschuldigt und so nach monatelanger Krise den Weg für die Aussöhnung mit Putin bereitet.

Russland entsandte am Dienstag ein 18-köpfiges Ermittlerteam, um die Hintergründe des Mordes gemeinsam mit den türkischen Behörden aufzuklären und nach Hintermännern zu fahnden. Putin drohte den Drahtziehern mit Vergeltung. Als Antwort auf den Mord werde Russland seinen Kampf gegen den Terror verstärken, kündigte er an. „Die Banditen werden es zu spüren bekommen.“

Neuer Anlauf für Feuerpause in Syrien

Schon kurz später saßen diplomatische Vertreter von Russland und der Türkei wieder an einem Tisch. Der Iran, die Türkei und Russland haben in Moskau über die nächsten Schritte im Syrien-Krieg beraten. Es war das erste Mal, dass Gespräche in solch einer Runde stattfanden. Ein Foto des getöteten Botschafters Karlow stand auf dem Tisch, die Minister gedachten seiner mit einer Schweigeminute.

Die Ergebnisse ließen Hoffnung für eine Feuerpause in Syrien entstehen. „Wir stimmen überein, dass es keine militärische Lösung geben kann“, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Die neuen Partner wollen zwischen Regierung und Opposition in Syrien vermitteln. Sie stünden als Garantiemächte eines möglichen Abkommens bereit. Örtlich vereinbarte Waffenstillstände sollten auf ganz Syrien ausgedehnt werden.