Berlin. Ereignisse wie in Berlin beunruhigen Kinder und Jugendliche. Experten raten Eltern, Geborgenheit zu vermitteln und sachlich zu bleiben.

An den Bildern aus Berlin, die seit Montagabend Zeitungen, Fernsehen und soziale Medien bestimmen, kommen auch Kinder und Jugendliche nicht vorbei. Terror, Tote, Trauer – das macht Angst. Wichtig sei ein sachlicher Umgang der Eltern, sagen Experten. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie können Eltern die Ereignisse thematisieren?

Es sei wichtig, das Geschehene nicht zu ignorieren. „Wenn Eltern versuchen, die Kinder davon fern zu halten, werden diese sich in ihrer Fantasie die allerschlimmsten Dinge ausmalen“, erklärt Professor Michael Schulte-Markwort, Kinderpsychiater am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Die meisten Kinder würden unweigerlich über die Medien von den Ereignissen erfahren, sagt Kristin Langer, Mediencoach bei der Initiative „Schau hin, was dein Kind mit Medien macht“. Deshalb sei es wichtig, dass Eltern ihre Kinder damit nicht alleine lassen, „denn viele Kinder haben Angst, dass solche Attentate auch bei ihnen passieren können“.

So erkläre ich Kindern den Anschlag

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    Anders ist es, wenn Kinder von den Ereignissen nichts mitbekommen haben. „Auch wenn es den Eltern auf der Zunge liegt, schürt ein Gespräch darüber gerade bei kleinen Kindern unnötig Ängste“, erklärt Maria Große Perdekamp, Leiterin der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (eltern.bke-beratung.de).

    Jugendliche sollten auf das Thema angesprochen werden. „Sie können anders als Jüngere logisch denken und Zusammenhänge erfassen“, sagt Große Perdekamp. Außerdem sei es wichtig Werte und politische Einstellungen gemeinsam zu diskutieren.

    Wie viel Wahrheit vertragen Kinder?

    „Kinder haben grundsätzlich ein Anrecht auf Partizipation in dieser Welt“, sagt Kinderpsychiater Schulte-Markwort. Dazu gehörten die schönen aber auch die schrecklichen Dinge. „Wir müssen ihnen zutrauen, damit umzugehen.“ Wie viel man Kindern zumuten kann, hängt jedoch neben dem individuellen Charakter auch vom Alter ab.

    Trauer um Opfer des Anschlags von Berlin

    Nur wenige Stunden nach dem Anschlag: Nahe des Weihnachtsmarkts an der Berliner Gedächtniskirche, in den ein Lkw gerast war und dabei mehrere Menschen tötete, legten Trauernde erste Blumen nieder.
    Nur wenige Stunden nach dem Anschlag: Nahe des Weihnachtsmarkts an der Berliner Gedächtniskirche, in den ein Lkw gerast war und dabei mehrere Menschen tötete, legten Trauernde erste Blumen nieder. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Der Morgen danach in der Nähe des Tatorts: „Ich bin Berlin – für mehr Menschlichkeit & Mitgefühl“, steht auf dem Zettel.
    Der Morgen danach in der Nähe des Tatorts: „Ich bin Berlin – für mehr Menschlichkeit & Mitgefühl“, steht auf dem Zettel. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Viele Menschen bekundeten ihre Trauer auf dem Platz vor der Gedächtniskirche.
    Viele Menschen bekundeten ihre Trauer auf dem Platz vor der Gedächtniskirche. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
    Auch Schilder an den Straßen nahe der Gedächtniskirche erinnerten am Dienstag an den Anschlag vom Vorabend.
    Auch Schilder an den Straßen nahe der Gedächtniskirche erinnerten am Dienstag an den Anschlag vom Vorabend. © dpa | Michael Kappeler
    Diese Frau betet für die Opfer der Todesfahrt. Zwölf Menschen waren am Montagabend ums Leben gekommen, viele weitere wurden schwer verletzt.
    Diese Frau betet für die Opfer der Todesfahrt. Zwölf Menschen waren am Montagabend ums Leben gekommen, viele weitere wurden schwer verletzt. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
    „Das Licht ist stärker als die Dunkelheit“, steht auf dem Plakat, das dieser Passant in der Nähe des Anschlagsorts befestigt.
    „Das Licht ist stärker als die Dunkelheit“, steht auf dem Plakat, das dieser Passant in der Nähe des Anschlagsorts befestigt. © dpa | Rainer Jensen
    An allen Ecken der Schutzplane, die um den Anschlagsort aufgespannt wurde, legten die Menschen Blumen und Kerzen nieder.
    An allen Ecken der Schutzplane, die um den Anschlagsort aufgespannt wurde, legten die Menschen Blumen und Kerzen nieder. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    „In uns lebt ihr weiter“, steht auf einem Zettel, den jemand nahe des Anschlagsorts zusammen mit Kerzen niedergelegt hat.
    „In uns lebt ihr weiter“, steht auf einem Zettel, den jemand nahe des Anschlagsorts zusammen mit Kerzen niedergelegt hat. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Ein Moment des Innehaltens mitten in der Rush Hour. Eine Frau und ein Mann stehen vor der Gedächtniskirche und gedenken der Opfer.
    Ein Moment des Innehaltens mitten in der Rush Hour. Eine Frau und ein Mann stehen vor der Gedächtniskirche und gedenken der Opfer. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Die brandenburgische Fahne weht in Potsdam auf Halbmast Für den Dienstag ordnete Innenminister Thomas de Maizière für das gesamte Land Trauerbeflaggung an.
    Die brandenburgische Fahne weht in Potsdam auf Halbmast Für den Dienstag ordnete Innenminister Thomas de Maizière für das gesamte Land Trauerbeflaggung an. © dpa | Ralf Hirschberger
    In der Gedächtniskirche zünden Menschen Kerzen des Gedenkens an.
    In der Gedächtniskirche zünden Menschen Kerzen des Gedenkens an. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
    Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller trägt sich in der Gedächtniskirche in Berlin in das Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlags ein.
    Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller trägt sich in der Gedächtniskirche in Berlin in das Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlags ein. © dpa | Maurizio Gambarini
    Auch die Fahnen vor dem Reichstag wehen am Tag nach dem Anschlag auf Halbmast.
    Auch die Fahnen vor dem Reichstag wehen am Tag nach dem Anschlag auf Halbmast. © dpa | Paul Zinken
    Den ganzen Tag über suchten Menschen den Weg zur Gedächtniskirche, um Blumen und Kerzen niederzulegen.
    Den ganzen Tag über suchten Menschen den Weg zur Gedächtniskirche, um Blumen und Kerzen niederzulegen. © Getty Images | Michele Tantussi
    Eine der vielen Botschaften, die auf Zetteln und Plakaten am Anschlagsort zu lesen sind: „Kriege führen zu mehr Terrorismus – Terrorismus verletzt ausnahmslos alle Menschen“.
    Eine der vielen Botschaften, die auf Zetteln und Plakaten am Anschlagsort zu lesen sind: „Kriege führen zu mehr Terrorismus – Terrorismus verletzt ausnahmslos alle Menschen“. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Europa sendet ein Zeichen der Solidarität: Die Fahnen vor dem Gebäude der EU-Kommission hängen auf Halbmast.
    Europa sendet ein Zeichen der Solidarität: Die Fahnen vor dem Gebäude der EU-Kommission hängen auf Halbmast. © dpa | Olivier Hoslet
    Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich am Dienstagnachmittag im Schloss Bellevue zum Anschlag in Berlin:  „Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen“, sagte Gauck.
    Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich am Dienstagnachmittag im Schloss Bellevue zum Anschlag in Berlin: „Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen“, sagte Gauck. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Eine Blume steht im Foyer des brandenburgischen Landtages neben dem Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlages.
    Eine Blume steht im Foyer des brandenburgischen Landtages neben dem Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlages. © dpa | Ralf Hirschberger
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besuchte zusammen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD) am Dienstagnachmittag den Anschlagsort.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besuchte zusammen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD) am Dienstagnachmittag den Anschlagsort. © dpa | Michael Kappeler
    Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in stillem Gedenken an die Opfer.
    Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in stillem Gedenken an die Opfer. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
    Die Kanzlerin zeigt sich beim Trauergottesdienst in der Gedächtniskirche am Dienstagnachmittag sichtlich bewegt.
    Die Kanzlerin zeigt sich beim Trauergottesdienst in der Gedächtniskirche am Dienstagnachmittag sichtlich bewegt. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
    Der Anschlag hat laut diesem Plakat an der Gedächtniskirche „Das Herz Berlins getroffen“.
    Der Anschlag hat laut diesem Plakat an der Gedächtniskirche „Das Herz Berlins getroffen“. © dpa | Michael Kappeler
    Das französische Parlament hielt am Nachmittag eine Schweigeminute ab in Gedenken an die Opfer aus Berlin.
    Das französische Parlament hielt am Nachmittag eine Schweigeminute ab in Gedenken an die Opfer aus Berlin. © dpa | Christophe Petit Tesson
    Trauernde am Dienstagabend in der Nähe des Anschlagsorts.
    Trauernde am Dienstagabend in der Nähe des Anschlagsorts. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Hunderte Kerzen hatten sich an der Gedächtniskirche angesammelt, als die Sonne am Dienstag untergegangen war.
    Hunderte Kerzen hatten sich an der Gedächtniskirche angesammelt, als die Sonne am Dienstag untergegangen war. © Getty Images | Michele Tantussi
    Das  Brandenburger Tor erstrahlte am Dienstagabend in Schwarz-Rot-Gold.
    Das Brandenburger Tor erstrahlte am Dienstagabend in Schwarz-Rot-Gold. © Reto Klar
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    Die Faustregel lautet: Je älter ein Kind ist, desto offener können Eltern über Ereignisse wie die in Berlin sprechen. „Besonders bei jüngeren Kindern ist eines ganz wichtig: dass es ein gutes Ende gibt“, erklärt Isabella Heuser, Direktorin der Klinik für Psychiatrie an der Berliner Charité. Es sei ähnlich wie im Märchen, sagt auch Erziehungsexpertin Maria Große-Perdekamp. „Dort frisst auch der Wolf die Großmutter, aber am Ende wird alles gut.“ Im Fall des Berliner Anschlags könne man etwa sagen: Es ist etwas Schlimmes passiert. Aber dann waren ganz schnell die Helfer da und die Verletzten sind ganz schnell in das beste Krankenhaus gekommen. Und die Polizei hilft uns, dass die Bösen gefangen werden. Auch mit dem Begriff Terrorismus ist ein Dreijähriger überfordert. Hat das Kind diesen aufgeschnappt, kann man ihn kindgerecht erklären. Etwa: Ein Terrorist ist ein Mensch, der Gewalt in Ordnung findet, weil er es nicht gut findet, wie wir hier in Deutschland leben.

    Bei der Frage nach der Herkunft des Täters, raten die Experten zu Ehrlichkeit. „Da müssen wir uns gar keinen Knoten in die Zunge machen. Eltern sollten die Dinge klar benennen. Auf der ganzen Welt gibt es Mörder. In jedem Land, in jeder Gesellschaftsschicht. Das kann man den Kindern auch so sagen“, sagt Schulte-Markwort.

    Wie nehmen Eltern ihren Kindern die Angst?

    Indem sie Sicherheit geben. „Das ist das oberste Gebot“, sagt Isabella Heuser von der Charité. Nichts sei so beruhigend, wie ein Kind in den Arm zu nehmen und ihm Geborgenheit zu geben oder ihm zu sagen: Wir passen immer auf dich auf.

    Trotzdem müssen Eltern das Kind in seinen Ängsten ernst nehmen. „Statt Trauer, Angst und Wut zu beschwichtigen, fragen sie besser nach, was das Kind genau traurig macht“, sagt Mediencoach Kristin Langer von „Schau hin“. Allein schon dieses Wahrnehmen sei tröstlich.

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      Schulte-Markwort rät Eltern, sich zunächst mit ihrer eigenen Angst auseinanderzusetzen: „Sie sollten sich klar machen: Ja, es macht mir Angst. Aber ich muss auch mein Kind vor meiner Angst schützen.“

      Denn Kinder spüren, wenn Eltern Angst haben. Große Perdekamp bestätigt: „Wenn Kinder ihre Eltern in Angst erleben, ist das etwas Beunruhigendes.“ Seien die Eltern gut aufgestellt, könnten auch Kinder die Situation verarbeiten.

      Sollten Kinder von der Berichterstattung fern gehalten werden?

      Für sehr junge Kinder gelte: je weniger Medien desto besser, findet Mediencoach Kristin Langer. Für ältere Kinder würden sich kindgerechte Nachrichten anbieten. Die Initiative „Schau hin“ (www.schau-hin.info) empfiehlt etwa „logo!“ (tivi.de), „neuneinhalb“ (neuneinhalb.wdr.de) oder Informationsseiten im Internet wie kindernetz.de/minitz oder www.sowieso.de.