Berlin. Der Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt ist seit Dienstag das größte Thema in der internationalen Presse. Ein Überblick.

Der Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt in Berlin mit zwölf Toten und 48 zum Teil schwer Verletzten bestimmt an den Tagen danach die internationale Presse. Wir geben einen Überblick darüber, wie Medien weltweit die Tat vom Montagabend einordnen:

• Die „New York Times“ sieht den Anschlag als schrecklichen Test für Deutschland und Europa:

„Die populistische Rechte hat keine Zeit darauf verschwendet, Fakten über die Identität des Attentäters von Berlin oder ein Motiv abzuwarten, um Kanzlerin Angela Merkel für ihre menschliche Asylpolitik scharf zu kritisieren und die eigene fremdenfeindliche Agenda zu pushen. Diese gefährliche – wenn auch vorhersehbare – Reaktion spielt direkt in die Hände des Islamischen Staats, der nichts mehr will, als einen Krieg zwischen Christen und Muslimen in Europa zu beginnen. (...) Mit jedem neuen Anschlag, ob auf einen Weihnachtsmarkt oder eine Moschee, wird die Herausforderung für Europa schwieriger, Toleranz, Inklusion, Gleichheit und Vernunft zu verteidigen.“

• Die Gesellschaften dürften sich dem Terror nicht beugen, schreibt die spanische „El País“ am Mittwoch:

„Sofort, und mit verachtungswürdigem Opportunismus, hat die extreme fremdenfeindliche Rechte (...) die Asylpolitik von Angela Merkel für die Angriffe verantwortlich gemacht und sie beschuldigt, Blut an ihren Händen zu haben. (...) Es muss aber ganz deutlich gesagt werden, dass jene mit den blutbefleckten Händen nicht Angela Merkel oder Matteo Renzi sind, um nur einige der Politiker zu nennen, die mit ihrer Politik die Würde der europäischen Werte in der Mitte einer gigantischen Asylkrise aufrecht erhalten haben. Sondern jene, die durch den Tod unschuldiger Landsleute an der Wahlurne profitieren wollen. (...)

Wir sind überzeugt, dass Deutschland, eine demokratisch reife Gesellschaft und sich seiner Werte und Verantwortung bewusst ist, sich weder den Terroristen beugt, egal, welchen Preis sie fordern, noch jenen, die den Terror nutzen, um an die Macht zu kommen.“

• „Fürchtet euch nicht!“, schreibt die Berliner Morgenpost am Mittwoch.

„Unversehens hat uns die Todesfahrt vom Breitscheidplatz das Weihnachtsfest mit seinem ursprünglichen Sinn nähergebracht. Was ist all der Geschenkewahn gegen den Wert einfachen guten sicheren Zusammenseins? „Friede auf Erden“, fordern die himmlischen Heerscharen, vor allem aber: „Fürchtet euch nicht.“ So lautet die ewig richtige Botschaft, Trost und Auftrag gleichermaßen.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

• „Deutschland ist nicht im Krieg“, kommentiert die „Süddeutsche Zeitung“ am Mittwoch:

„Wer aber Verbrecher als Kombattanten sieht, wer von Krieg redet, der folgt ihrer Logik. Früher wollten die Terroristen der RAF Guerilleros oder Kriegsgefangene sein; heute reden Fanatiker anderer Couleur so. Dem darf man nicht nachgeben - weder als Politiker noch als Bürger. Am Breitscheidplatz hat ein Mörder gewütet, kein Gotteskrieger, Freiheitskämpfer oder Widerständler gegen das System.“

• Der Druck auf die Kanzlerin sei so hoch wie noch nie, kommentiert die „Neue Zürcher Zeitung“ am Mittwoch:

„Deutschland steht als europäische Führungsmacht und wichtiges Nato-Mitglied weit oben auf der Liste potenzieller Ziele. Diese Bedrohung existiert seit Jahren, unabhängig von der forcierten ‘Willkommenskultur’. Genauso offenkundig ist aber, dass der Zustrom an kaum überprüften Migranten aus dem Nahen Osten und Südasien, von Syrien bis Afghanistan, große Risiken birgt. (...)

Das Thema innere Sicherheit in allen seinen Facetten wird die Debatte bis zur Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres bestimmen. Grösser war der Druck auf die Kanzlerin nie, selbst in der Hochphase der Euro-Krise nicht. (...)

Man kann nur hoffen, dass in der Mitte der Gesellschaft Augenmaß die Oberhand behält. Die AfD allerdings spricht bereits von „Merkels Toten“, und dies ist wohl nur der Anfang. Dass extreme Kräfte den Anschlag für sich auszuschlachten versuchen, kann jedoch kein Grund dafür sein, keine Konsequenzen aus den politischen Fehlern der jüngsten Vergangenheit zu ziehen.“

Im Schweizer „Tages-Anzeiger“ heißt es am Mittwoch, von Willkommenskultur sei nicht viel übrig:

„Merkels Regierung hat auf die erhöhte Gefahr und die Kritik längst mit mehr Polizei, mehr Kontrolle und härteren Gesetzen reagiert, sodass von der einstigen „Willkommenskultur“ nicht mehr viel übrig geblieben ist. Sollte es in den kommenden Monaten dennoch zu weiteren Anschlägen kommen, kann eine Entwicklung eintreten, wie wir sie in Frankreich erlebt haben. Die französische Gesellschaft ist von der unausgesetzten Reihe islamistischer Attentate mittlerweile derart eingeschüchtert, dass der Kampf gegen den als Bedrohung empfundenen „Islam“ kaum noch Grenzen kennt und Grundrechte wie die Religionsfreiheit zu schleifen droht. Die Extremismen der einen und der anderen Seite schaukeln sich unentwegt hoch und schütteln die ratlose Mitte hin und her. Auf Dauer zerrüttet ein solcher Zustand eine Gesellschaft, politisch, aber auch was das Zusammenleben im Alltag angeht.“

• Kanzlerin Angela Merkel „sollte standhaft bleiben“, kommentiert die „Financial Times“:

„Es wäre unklug, wenn die deutsche Regierung nun auf jeden Anschlag mit der Ausrufung des Kriegs- oder Ausnahmezustands reagieren würde, wie das in Frankreich geschah. Damit wäre das Risiko verbunden, die Erwartung eines definitiven Sieges (über den Terrorismus) zu wecken, den es niemals geben wird. Ebenso unklug sind symbolische Beschränkungen der Freiheit – etwa ein Burkaverbot –, die das Image eines scheinheiligen illiberalen Westens verfestigen, der den Islam attackiert, statt den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen.

Deutschland muss seine Bemühungen um Integration fortsetzen. Die Ausweisung der Flüchtlinge, die bereits im Lande sind, oder ihre Isolierung ist weder praktisch machbar noch würde sie den deutschen Wertvorstellungen entsprechen. Der Druck auf Angela Merkel wird in den kommenden Monaten zunehmen. Sie sollte standhaft bleiben, was immer der Preis dafür bei Wahlen sein wird.“

• Zu den politischen Folgen nach dem Berliner Anschlag schreibt die katholische Zeitung „La Croix“:

„Berlin (ist) ins Herz getroffen, nach Nizza, Paris, Brüssel, London, Madrid. Europa befindet sich nunmehr im Zentrum terroristischer Pläne. Unser Kontinent erlebt diese permanente Bedrohung seit einiger Zeit. Er versucht, eine Antwort im Inneren zu finden. Jedes Land verstärkt die Überwachung und verabschiedet – wie Frankreich – eine Ausnahmegesetzgebung, um die Gefahr einzudämmen. Seit gestern wurden in einer Reihe von europäischen Ländern die bereits weitgehenden Sicherheitsvorkehrungen verstärkt.

Während Europa sich schützt, bereitet es sich auf Weihnachten vor. Das wäre ein Sieg über die Terroristen statt einer Herrschaft der Angst. Die Hoffnung muss unseren Weg begleiten. Dieses radikale Übel, das uns verfolgt und das in einer frontalen Weise unsere Symbole angreift, wird besiegt werden. Das sind die Begriffe der Erklärung von Angela Merkel nach dem Anschlag. (...) Die Kanzlerin, die wegen ihrer Migrationspolitik von der extremen Rechten, aber auch von einem Teil der Deutschen angegriffen wird, will nicht nachgeben. Sie wird weiter mit anderen daran arbeiten, um eine zusammenhängende europäische Antwort auf die Dramen (zu finden), die den Nahen Osten erschüttern.“

• Die konservative lettische Tageszeitung „Neatkariga Rita Avize“ kommentiert am Mittwoch:

„Terrorakte können nur verringert werden, indem man zeigt, dass sie keinen Sinn ergeben, dass es dadurch nicht möglich ist, Europas Politik und das öffentliche Verhalten zu verändern. Deshalb ist die vernünftigste Antwort auf den Terroranschlag in Berlin, eben Berlin nicht zu meiden. Lasst die zuständigen Behörden ihre Arbeit machen, aber keiner von uns sollte seine Pläne und Absichten ändern. Auf Europas Straßen sind 2015 mehr als 26.000 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, bei Terrorakten in der EU sind 2016 (bis zum 20. Dezember) 142 Menschen getötet worden. Für einen Europäer, der durch die EU reist, ist damit das Risiko, durch einen Verkehrsunfall getötet zu werden im Durchschnitt 184-mal größer als durch einen Terroranschlag.“

• Die belgische Tageszeitung „De Tijd“ schreibt zum Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt:

„Für Merkel ist der Terroranschlag eine Heimsuchung. Ihre Gegner – vor allem die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) – dürften ihn in zehn Monaten bei den Bundestagswahlen ausschlachten. Von „Merkels Toten“ war schon in einer ersten Reaktion des AfD-Lagers die Rede. Unvermeidlich wird die Debatte über das Herangehen an die Flüchtlingskrise wieder hohe Wellen schlagen. (...)

Dieser Anschlag ist für Deutschland ein Wendepunkt, so wie es die Anschläge vom 22. März für Belgien waren. Die politischen Folgen sind noch nicht vollständig absehbar, doch ganz sicher wird dieses Unheil politisch benutzt und auch missbraucht werden. Bereits als Merkel am 19. November bekannt gab, dass sie für eine vierte Amtszeit kandidiert, wurde gesagt, dass diese Wahlen für sie wohl die mit Abstand schwierigsten sein werden. Die Prophezeiung scheint wahr zu werden. Der Umgang mit diesem Anschlag und das weitere Vorgehen werden das Urteil der deutschen Wähler im September 2017 stark beeinflussen. Die hellsichtige Kanzlerin weiß das.“

• Die niederländische Zeitung „de Volkskrant“ sieht Merkel nach dem Anschlag in der Bedrängnis:

„Kurz nach dem Anschlag sprach ein Politiker der populistischen AfD bereits von ‘Merkels Toten’.(...)

Glücklicherweise äußerte sich Bundeskanzlerin Merkel intelligenter. Sollte der Täter ein Flüchtling sein, dann wäre dies ‘besonders widerwärtig gegenüber den vielen, vielen Deutschen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind und gegenüber den vielen Menschen, die sich um Integration in unser Land bemühen.’

Nette Worte. Aber die können nicht vertuschen, dass dieser Anschlag Merkel in die Bredouille bringt. Denn neben den Deutschen, die Flüchtlingen helfen, gibt es noch eine viel größere Gruppe, die sich Sorgen um ihre Sicherheit macht. Und die sich fragt, ob diese Sicherheit nicht durch Merkels ‘Wir schaffen das’ vermindert wurde. Merkel steht nun vor der schwierigen Aufgabe, die Deutschen davon zu überzeugen, dass die Sicherheit aller bei ihr in guten Händen ist. Und dies im Wissen, dass es keine Garantien beim Schutz vor neuen Terroranschlägen gibt.“

• In der russischen Zeitung „Moskowski Komsomolez“ heißt es:

„Eine Tragödie nach der anderen bricht über die Welt herein, und man kommt nicht damit nach, sie zu verstehen und zu verarbeiten. Der russische Botschafter in Ankara wird ermordet. In Berlin rast ein Lastwagen in die Menschenmenge. Ein Bewaffneter versucht, in die US-Botschaft in der Türkei einzudringen. Drei Menschen werden bei dem Überfall auf ein islamisches Zentrum in Zürich verletzt. In der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden schießt jemand auf Menschen. Einer stirbt, zwei werden verletzt. Und all diese Dramen ereigneten sich in weniger als 24 Stunden.“

Bereits am Dienstag bestimmten die Ereignisse in Berlin auch die ausländischen Medien:

(ba/dpa)