Berlin. Der Grüne Hans-Christian Ströbele tritt nicht zur Bundestagswahl an. Damit könnte AfD-Vize Alexander Gauland Alterspräsident werden.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (77) verzichtet auf eine weitere Kandidatur für den Bundestag. Ströbele habe seine Entscheidung am Dienstag im Berliner Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg mitgeteilt, wie ein Sprecher der Grünen am Abend bestätigte. Ströbele war erstmals 1985 als Nachrücker für zwei Jahre in den Bundestag gekommen. Später eroberte er viermal in Folge ein Direktmandat für den Wahlkreis Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost und saß seit 1998 ununterbrochen im Bundestag. Er verkündete seine Entscheidung auch selbst auf Twitter.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Bislang ist der älteste Abgeordnete und Alterspräsident der CDU-Abgeordnete Heinz Riesenhuber. Der 81-Jährige hatte aber bereits erklärt, nicht mehr zu kandidieren. Damit steigen die Chancen des 75-jährigen Alexander Gauland, den nächsten Bundestag zu eröffnen und die erste Rede vor den neu gewählten Abgeordneten zu halten. Das ist traditionell das Vorrecht des Alterspräsidenten. Der Brandenburgische AfD-Politiker hat gute Aussichten, 2017 mit seiner Partei ins Parlament einzuziehen.

Gauland könnte Bundestag eröffnen

Als Alterspräsident könnte Gauland dann die Rede bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags halten. Für viele Politiker in den übrigen Parteien ein Horrorszenario, das sie unbedingt verhindern wollen. Deshalb hatten viele Kollegen das Grünen-Urgestein Ströbele überreden wollen, erneut anzutreten.

Die „Bild am Sonntag“ hatte berichtet, Ströbeles Frau stehe einer weiteren Runde im Bundestag kritisch gegenüber. Das Gauland-Szenario allein reiche ihm nicht als Motivation.

Zweifel an Kandidatur schon 2013

Mit dem Fahrrad zur Bundespressekonferenz: Hans-Christian Ströbele.
Mit dem Fahrrad zur Bundespressekonferenz: Hans-Christian Ströbele. © dpa | Michael Kappeler

Im September 2013 war der 77-Jährige (geb. 7. Juni 1939) zum letzten Mal direkt gewählt worden. Schon da hatte es Zweifel gegeben, ob er es noch einmal will und macht. Ströbele war damals schon 74 Jahre alt, eine Krebserkrankung hatte ihn geschwächt. Doch dann sagte der hagere Mann mit den grauen Haaren und den buschigen Augenbrauen: „Ich will nicht nur von außen zusehen, sondern mitmischen.“

Das ist nun vorbei. Aber Ströbele hatte - aus seiner Sicht gesehen - Glück mit der letzten Legislaturperiode. Denn die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden machten die Überwachungspraxis des US-Geheimdienstes NSA und anderer Dienste zum Riesenthema - und boten Ströbele noch einmal eine große Bühne. Im Oktober 2013 flog er nach Moskau, um Snowden dort zu treffen. Sichtbar genoss er die Aufmerksamkeit, die er damit erntete.

2002 erstmals Wahlkreis gewonnen

Und die hielt an, als die Verwicklungen des BND in die NSA-Aktivitäten bekannt wurden: „Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass der BND in dem Ausmaß verheimlicht, irreführt, täuscht und lügt“, sagte Ströbele später.

2002 wäre es mit seiner politischen Karriere fast schon vorbeigewesen. Nach vier Jahren im Bundestag verweigerte ihm seine Partei einen sicheren Listenplatz. Aber dem Alt-Linken gelang die Sensation: Er gewann seinen Wahlkreis direkt. Geworben hatte er auch mit seiner entschlossenen Opposition gegen den damaligen Grünen-Außenminister Joschka Fischer. „Ströbele wählen heißt Fischer quälen“, hieß sein Slogan. Vor allem die Beteiligung am Kosovo-Krieg nahm er Fischer und der rot-grünen Regierung unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder übel.

Als Anwalt RAF-Terroristen verteidigt

Hans-Christian Ströbele und Otto Schily im Oktober 1972 als Verteidiger des RAF-Mitgründers Horst Mahler.
Hans-Christian Ströbele und Otto Schily im Oktober 1972 als Verteidiger des RAF-Mitgründers Horst Mahler. © dpa | Chris Hoffmann

Auch Ströbele war einmal bei der SPD, als Anwalt verteidigte er RAF-Terroristen, bei der Gründung der „taz“ und der Alternativen Liste in Berlin war er dabei. Man darf ihn einen klassischen 68er nennen. Auch heute noch ist er Pazifist, aber an seine Zeit bei der Bundeswehr hat er nicht nur schlechte Erinnerungen: „Ich konnte schießen, mit der Kanone und der MP. Und ich habe getroffen“, erzählte er im September dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“. (law/dpa)