Aleppo. In Ost-Aleppo sollen die Waffen schweigen und die Rebellen abziehen dürfen. UN-Chef Ban gesteht ein Versagen der Weltgemeinschaft ein.

Nach jahrelangen Gefechten und einer monatelangen Blockade durch Regierungstruppen stehen die Kämpfe um Aleppo offenbar vor dem Ende. Russland erklärte, alle Militäraktionen seien eingestellt worden. Bereits zuvor hatte Russlands UN-Gesandter Witali Tschurkin mitgeteilt, es sei eine Feuerpause vereinbart worden.

Die Rebellen hatten von einer Einigung mit der syrischen Regierung auf einen Abzug aus der erbittert umkämpften Stadt berichtet. Zivilisten und einigen Kämpfern werde es erlaubt, die Stadt zu verlassen, sagte ein Sprecher der wichtigen Rebellengruppe Nur al-Din al-Sinki. Das syrische Militär hatte am Dienstag bereits mitgeteilt, es stehe unmittelbar vor der Rückeroberung von Aleppo.

UN-Chef Ban: „Wir haben versagt“

Nach der überraschenden Einigung rief UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zur Solidarität mit den Zivilisten auf. „Wir alle haben die Menschen in Syrien bislang kollektiv hängenlassen“, sagte Ban bei einer kurzfristig einberufenen Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats.

Ban Ki-moonrief die Kriegsparteien auf, den verbleibenden Zivilisten den Abzug aus der Stadt zu ermöglichen und humanitäre Hilfe hineinzulassen.
Ban Ki-moonrief die Kriegsparteien auf, den verbleibenden Zivilisten den Abzug aus der Stadt zu ermöglichen und humanitäre Hilfe hineinzulassen. © REUTERS | LUCAS JACKSON

„Der Sicherheitsrat hat seine Hauptaufgabe in Hinblick auf den Erhalt von internationalem Frieden und Sicherheit nicht erfüllt. Die Geschichte wird uns nicht leicht freisprechen, aber dieses Versagen zwingt uns, mehr zu tun, um den Menschen in Aleppo jetzt unsere Solidarität zu zeigen“, sagte Ban. Den Vereinten Nationen lagen Berichte vor, nach denen Regierungssoldaten und verbündete Milizen mindestens 82 Zivilisten während der Vorstöße ins Rebellengebiet getötet hätten, darunter elf Frauen und 13 Kinder.

Das Kinderhilfswerk Unicef berichtete von mehr als 100 Mädchen und Jungen, die in einem Gebäude in Ost-Aleppo festsäßen, das unter schwerem Beschuss stehe.

Syrisches Militär hatte Rückeroberung gemeldet

Aus syrischen Regierungskreisen hieß es, dass die Rebellen am Mittwoch die verbliebenen Stadtviertel im Osten räumen würden. Die Unterhändler bestünden darauf, dass die Rebellen vor dem Abzug ihre Waffen ablegten. Der Rebellensprecher sagte allerdings, dass den Kämpfern ein Abzug mit ihren persönlichen Waffen erlaubt sei.

Vertreter mehrerer Rebellengruppen erklärten, noch am Dienstagabend würden die Kämpfe eingestellt. Die eingeschlossenen Zivilisten könnten in Sicherheit gebracht werden. Die Rebellen würden sich in andere syrische Gebiete unter Kontrolle der Aufständischen zurückziehen.

Zustände katastrophal

Nach Berichten über Gräueltaten der vorrückenden Armee war international die Sorge um die Menschen im Osten der seit langem umkämpften Stadt gewachsen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Dienstag in Berlin, die Lage sei desaströs: „Sie bricht einem das Herz“, betonte sie bei einem Treffen mit dem französische Präsidenten François Hollande.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana verbreitete am Dienstag Fotos aus Teilen Aleppos, die die Regierungstruppen von den Rebellen zurückerobert haben.
Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana verbreitete am Dienstag Fotos aus Teilen Aleppos, die die Regierungstruppen von den Rebellen zurückerobert haben. © dpa | Sana Handout

Nach Angaben der Vereinten Nationen waren in den vergangenen Tagen mehr als 40 000 Menschen aus den umkämpften Gebieten geflohen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Syrien sprach zuletzt von katastrophalen Zuständen. Es habe demnach keine medizinische Versorgung mehr gegeben. Die Menschen hätten sich teilweise tagelang versteckt, ohne Wasser und Nahrung.

Rebellen hatten Ost-Teil 2012 erobert

Mitte November hatte die Armee von Präsident Baschar al-Assad zusammen mit Verbündeten eine Offensive auf die von den Rebellen kontrollierten Viertel im Osten begonnen. Unter schwerem Artilleriefeuer und mit Hilfe russischer Luftangriffe gelang es der Armee, Viertel um Viertel zurückzuerobern. Bereits seit dem Sommer war der Ostteil der ehemaligen Handelsmetropole von der Armee umzingelt worden und so gut wie von der Außenwelt abgeschnitten.

Aleppo war lange Zeit eine der am heftigsten umkämpften Städte im syrischen Bürgerkrieg. Bereits kurz nach Beginn der Kämpfe im Jahr 2012 eroberten verschiedene Rebellengruppen Stadtviertel im Osten der Stadt, während westliche Viertel vom syrischen Regime kontrolliert wurden. (dpa/rtr/epd)