Washington. Der designierte US-Präsident Donald Trump hat nach eigenen Angaben rund 1000 Arbeitsplätze in Indiana gerettet. Aber zu welchem Preis?

Im Wahlkampf hatte Donald Trump regelmäßig gegen die Globalisierung gewettert und die Verlagerung von US-Fabriken ins Ausland kritisiert. Dabei war der Heiz- und Klima-Anlagen-Hersteller „Carrier“ im US-Bundesstaat Indiana sein Paradebeispiel. Die Firma hatte im Februar angekündigt, insgesamt 1400 Arbeitsplätze nach Mexiko zu verlagern. Trump hatte getönt, den Job-Killer abzuwenden – „und zwar zu 100 Prozent“.

Am Donnerstag will der designierte US-Präsident vor den Werkstoren von Carrier in Indianapolis Teil-Vollzug medienwirksam Teil-Vollzug melden. Bis zu 1000 Arbeitsplätze bleiben in Amerika, erklärte das Unternehmen am Mittwoch nach Verhandlungen mit Team Trump überraschend. Noch vor einer Woche hatte Carrier den Weggang nach Mexiko als alternativlos bezeichnet und über vier Jahre Umschulungsmaßnahmen und Finanzhilfen für die Arbeiter angeboten.

Details des Deals noch im Dunkeln

Die Details des Deals liegen noch im Dunkeln. Die zuständige Gewerkschaft United Steelworkers wusste am Mittwoch nach eigenen Angaben von nichts. Vor allem ist nicht bekannt, was mit den restlichen rund 1000 Arbeitsplätzen geschieht. Eine zweite Firma aus Huntington/Indiana, die ebenfalls zum Konzern gehört und 700 Jobs anbietet, sollte ebenfalls gen Süden umziehen.

Weil Trumps Vizepräsident Mike Pence (bis vor kurzem Gouverneur Indianas) aktiv beteiligt war, gehen US-Medien von massiver staatlicher Unterstützung aus. Der Sender MSNBC, traditionell links, spricht bereits von einer „großen Bestechung“. Die „New York Times“ macht ihr Urteil über die Sicherung des Standortes davon abhängig, „welche Kosten dem Steuerzahler dafür aufgebürdet werden“. Trump-freundliche Medien wie der Sender Fox News sehen das Glas mehr als halbvoll: „Trump hat Wort gehalten.“

In Indianapolis selbst zählen die Nuancen weniger. „Trump hat sich zum Retter der Arbeiterklasse aufgespielt“, sagte ein Techniker gestern vor Beginn der Frühschicht, „wenn er liefert, ist er unser Mann.“

Nackte Wut in der Belegschaft

Carrier gilt als rundum gesundes Unternehmen. Produktpalette, Fertigung und Gewinne – „alles im grünen Bereich“, schreiben Lokalzeitungen. Um langfristig Erfolg zu haben, sei die Belegschaft sogar zu Kürzungen bei Lohn und Betriebsrente bereit gewesen. Volumen: 25 Millionen Dollar pro Jahr.

Die Unternehmensspitze wollte mehr als doppelt so viel einsparen. Darum der Plan, ins Billiglohn-Domizil Monterrey nach Mexiko zu gehen. Als den Arbeitern im Frühjahr die Nachricht überbracht wurde, herrschte nackte Wut. Hunderte, die noch 2008 und 2012 für den Demokraten Obama gestimmt hatten, kündigten später an, diesmal Donald Trump zu wählen.

Experten: Globalisierung kann nicht revidiert werden

Bisher nicht dementiert ist die Spekulation, dass Trump und Pence auf die Muttergesellschaft von Carrier sanften Druck ausgeübt haben könnten. „United Technologies“ mit Sitz im Ostküsten-Bundesstaat Connecticut stellt über das Tochter-Unternehmen Pratt & Whitney Triebwerke für Kampfjets der US-Luftwaffe her. Die Kostenersparnis im Fall Carrier – ein Arbeiter in Mexiko verdient am Tag zirka 23 Dollar, also etwa das, was ein US-Arbeiter in der Stunde bekommt – hätte also für United-Chef Greg Hayes durch den Verlust von staatlichen Aufträgen im Militärbereich neutralisiert werden können.

Wirtschaftsexperten schätzen darum die Wiederholbarkeit der Trumpschen Rettungsaktion schon heute verhalten ein. Zigtausende Industriearbeitsplätze aus Billiglohnländern nach Amerika zurückzuholen und damit 20 Jahre Globalisierung zu revidieren, sei „unmöglich“, sagt John Van Reenen, Wirtschaftsprofessor an der Universität M.I.T in Massachusetts. Aktionäre und vor allem der weltweit fortschreitende Prozess der Automatisierung, die den Menschen in der Produktionskette überflüssig macht, ließen das nicht zu. Hier seien „fundamentale Kräfte am Werk“, die auch durch noch so großzügige Steuergeschenke kaum kompensiert werden könnten.

Anders als im Fall Ford hat Trump laut US-Medien bisher in der Causa Carrier jedenfalls nicht völlig geschwindelt. Zuletzt hatte der designierte US-Präsident behauptet, der Autobauer habe auf sein Drängen hin die Verlagerung einer Fabrik aus dem US-Bundesstaat Kentucky nach Mexiko storniert. Die Nr. 2 im US-Automarkt dementierte umgehend. Es habe nie eine Schließung in Amerika zur Debatte gestanden.