Aleppo. Es könnte ein Wendepunkt im syrischen Bürgerkrieg sein: Die Truppen des Assad-Regimes dringen nach Ost-Aleppo vor. Tausende fliehen.

Das syrische Regime drängt die Rebellen in Ost-Aleppo immer weiter zurück. Nachdem die Soldaten von Präsident Baschar al-Assad am Samstagabend den Bezirk Hanano im Norden der belagerten Gebiete eingenommen hatten, entbrannten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge auch Kämpfe in benachbarten Stadtteilen.

Teile der Bezirke Dschabel Badro und Sachur seien von den Regierungseinheiten eingenommen worden, 1700 Zivilisten in die eroberten Bereiche geflohen und teilweise in den Westen der Stadt gebracht worden. Es ist das erste Mal seit Monaten, dass eine solche Zahl an Zivilisten die seit Juli eingeschlossene Rebellen-Enklave verlässt. Hunderte weitere versuchten den Menschenrechtlern zufolge, sich vor den Regimetruppen in anderen Teilen Ost-Aleppos in Sicherheit zu bringen.

Aleppo ist zum Symbol des Bürgerkriegs geworden

Offensichtlich versucht das syrische Regime, eine Schneise in die Rebellengebiete im Osten Aleppos zu schlagen. Damit wäre die Enklave der Aufständischen geteilt und könnte anschließend leichter eingenommen werden. Staatliche Medien berichteten, der Bezirk Dschabel Badro sei bereits eingenommen. Die russische Armee als Verbündeter bestätigte das Vordringen der syrischen Regierungstruppen.

Aleppo gilt als eines der wichtigsten Schlachtfelder in Syrien und Symbol für das Bürgerkriegsland. Wenn das Regime den Ostteil der Stadt einnimmt, kontrolliert es wieder alle größeren Städte im Land. Dies könnte auch ein Wendepunkt für den seit mehr als fünf Jahren andauernden Bürgerkrieg sein. Der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, hatte zuletzt vor einer völligen Zerstörung Ost-Aleppos bis Weihnachten gewarnt.

Das sind die Konfliktparteien in Syrien

Syriens Diktator Baschar al-Assad konnte sein Regime stabilisieren. Lange Zeit schien es, als könnten die Rebellengruppen seine Herrschaft stürzen – bis Russland dem bedrohten Despoten zur Hilfe kam.
Syriens Diktator Baschar al-Assad konnte sein Regime stabilisieren. Lange Zeit schien es, als könnten die Rebellengruppen seine Herrschaft stürzen – bis Russland dem bedrohten Despoten zur Hilfe kam. © dpa | Syrian Presidency / Handout
Russische Kampfflugzeuge greifen zwar auch den „Islamischen Staat“ an – vor allem bekämpfen sie aber syrische Rebellengruppen. Russlands Präsident Wladimir Putin will die Macht seines syrischen Verbündeten Baschar al-Assad unbedingt erhalten.
Russische Kampfflugzeuge greifen zwar auch den „Islamischen Staat“ an – vor allem bekämpfen sie aber syrische Rebellengruppen. Russlands Präsident Wladimir Putin will die Macht seines syrischen Verbündeten Baschar al-Assad unbedingt erhalten. © REUTERS | SERGEI KARPUKHIN
Das oberste Ziel von US-Präsident Barack Obama ist es, den „Islamischen Staat“ zu stoppen. Amerikanische Kampfflugzeuge bombardieren Stellungen der Islamisten. Bodentruppen sollen allerdings nicht eingesetzt werden, die US-Bevölkerung ist nach den Konflikten in Irak und Afghanistan kriegsmüde.
Das oberste Ziel von US-Präsident Barack Obama ist es, den „Islamischen Staat“ zu stoppen. Amerikanische Kampfflugzeuge bombardieren Stellungen der Islamisten. Bodentruppen sollen allerdings nicht eingesetzt werden, die US-Bevölkerung ist nach den Konflikten in Irak und Afghanistan kriegsmüde. © dpa | Ned Redway
An den Luftschlägen der USA gegen den „Islamischen Staat“ beteiligt sich auch Frankreich. Seit den Terror-Anschlägen in Paris sieht Präsident François Hollande sein Land im Krieg gegen die Islamisten.
An den Luftschlägen der USA gegen den „Islamischen Staat“ beteiligt sich auch Frankreich. Seit den Terror-Anschlägen in Paris sieht Präsident François Hollande sein Land im Krieg gegen die Islamisten. © REUTERS | PHILIPPE WOJAZER
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will mit allen Mitteln das Entstehen eines kurdischen Staates verhindern. Deshalb bekämpft er die syrische Rebellengruppe Partei Demokratische Union (PYD), die in Verbindung zur kurdischen Guerilla PKK stehen soll.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will mit allen Mitteln das Entstehen eines kurdischen Staates verhindern. Deshalb bekämpft er die syrische Rebellengruppe Partei Demokratische Union (PYD), die in Verbindung zur kurdischen Guerilla PKK stehen soll. © REUTERS | HANDOUT
Saudi-Arabiens König Salman ibn Abd al-Aziz unterstützt radikalsunnitische Rebellen in Syrien. Das Ziel des Herrscherhauses ist es, Diktator Baschar al-Assad zu stürzen. Damit kämpft König Salman in Syrien auch gegen seinen regionalen Konkurrenten Iran. Der König signalisierte, sein Land sei auch bereit für den Einsatz von Bodentruppen.
Saudi-Arabiens König Salman ibn Abd al-Aziz unterstützt radikalsunnitische Rebellen in Syrien. Das Ziel des Herrscherhauses ist es, Diktator Baschar al-Assad zu stürzen. Damit kämpft König Salman in Syrien auch gegen seinen regionalen Konkurrenten Iran. Der König signalisierte, sein Land sei auch bereit für den Einsatz von Bodentruppen. © imago/Xinhua | imago stock&people
Irans Präsident Hassan Rohani unterstützt das syrische Regime von Baschar al-Assad  finanziell, Assads Armee kämpft auch mit iranischem Kriegsgerät. Ziel von Rohani ist es, den „Islamischen Staat“ und andere sunnitische Islamisten zurückzudrängen und den regionalen Kontrahenten Saudi-Arabien zu schwächen.
Irans Präsident Hassan Rohani unterstützt das syrische Regime von Baschar al-Assad finanziell, Assads Armee kämpft auch mit iranischem Kriegsgerät. Ziel von Rohani ist es, den „Islamischen Staat“ und andere sunnitische Islamisten zurückzudrängen und den regionalen Kontrahenten Saudi-Arabien zu schwächen. © dpa | Daniel Bockwoldt
Der „Islamische Staat“ will zunächst Syrien erobern – und dann ein globales Kalifat errichten. Doch IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi musste durch Angriffe kurdischer Rebellen und die Luftbombardements der USA zuletzt empfindliche Gebietsverluste hinnehmen.
Der „Islamische Staat“ will zunächst Syrien erobern – und dann ein globales Kalifat errichten. Doch IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi musste durch Angriffe kurdischer Rebellen und die Luftbombardements der USA zuletzt empfindliche Gebietsverluste hinnehmen. © screenshot/Islamic State video | screenshot/Islamic State video
Die syrische Opposition besteht aus 800 bis 1000 verschiedenen Gruppen, manche sind islamistische Terroristen wie die al-Nusra Front, andere sind gemäßigte Oppositionelle und wollen Demokratie. Der 2011 begonnene Krieg hat in Syrien zahlreiche Städte und weite Teile des Landes zerstört.
Die syrische Opposition besteht aus 800 bis 1000 verschiedenen Gruppen, manche sind islamistische Terroristen wie die al-Nusra Front, andere sind gemäßigte Oppositionelle und wollen Demokratie. Der 2011 begonnene Krieg hat in Syrien zahlreiche Städte und weite Teile des Landes zerstört. © dpa | Mohammed Badra
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Acht von neun Krankenhäusern sollen außer Betrieb sein

„Jeder, der auf einer der Hauptstraßen des belagerten Aleppos steht, wäre sich sicher, dass der Weltuntergang gekommen ist“, schrieb Aktivist Rami Sien am Sonntag auf Facebook. Zehntausende Vertriebene seien zu Fuß auf den Straßen unterwegs. Verletzte würden zu dem gebracht, was von den zerstörten Notaufnahmen noch übrig bleibe. „Es ist alles vorbei“, sagte ein Bewohner Aleppos der Deutschen Presse-Agentur bei einem Kontakt über das Internet.

Die Zustände im Osten Aleppos sind verheerend. Nach heftigen Bombardierungen in den vergangenen Wochen durch das syrische Regime und seine Verbündeten, zu denen auch Russland zählt, sind nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) acht von neun Krankenhäusern außer Betrieb. Das internationale Rote Kreuz hatte zuletzt berichtet, dass in dem eingekesselten Gebiet die Nahrungsmittel zur Neige gehen. Dort sollen sich noch mehr als 250.000 Menschen aufhalten.

Hinweise auf Giftgaseinsatz durch den IS

Derweil wurden in Nordsyrien 22 protürkische Rebellen bei einem Giftgasangriff der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verletzt, wie die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf eine Mitteilung des türkischen Militärs am Sonntag mitteilte. „Nach einem vom Daesh (IS) gestarteten Raketenangriff wurden an den Augen und Körpern von 22 Oppositionsmitgliedern Anzeichen von Giftgas festgestellt“, hieß es in der von Anadolu zitierten Mitteilung.

Im Bürgerkrieg in Syrien sind mehrfach Chemiewaffen eingesetzt worden, nachweislich auch vom syrischen Regime selbst. In den letzten Wochen warf Russland der Opposition in Syrien vor, Giftgasgranaten verschossen zu haben. Die türkische Armee war Ende August mit von ihr unterstützten Rebellen erstmals in Nordsyrien einmarschiert und hatte einen Grenzstreifen unter ihre Kontrolle gebracht, in dem zuvor IS-Extremisten herrschten. (dpa)