Brüssel. In Brüssel hätte er wohl kaum eine Aussicht auf ein weiteres Spitzenamt. In Berlin wird Schulz hingegen für mehrere Posten gehandelt.

Die Entscheidung war keine Überraschung, der genaue Zeitpunkt schon eher. Bislang hatte Schulz unermüdlich drei Karriere-Bälle in der Luft gehalten: dritte Amtszeit an der Spitze des EU-Parlaments, Außenminister in Berlin, Kanzlerkandidat der SPD. Warum räumt er die erste Option jetzt ab?

Der Druck im Kessel stieg von Tag zu Tag. In Brüssel wie in Berlin mehrten sich Stimmen, der Mann möge sich endlich erklären. Dabei half ihm der nüchterne Blick auf das Risiko, bei einer neuerlichen Bewerbung im Parlament durchzufallen. „Das ist ihm signalisiert worden“, heißt es in der christdemokratischen EVP-Fraktion.

Deren Chef Manfred Weber hält viel von Schulz („ein kraftvoller und durchsetzungsstarker Europäer“) und war in die Bemühungen des Amtsinhabers eingeweiht, sich jenseits des eigenen Lagers Stimmen zu sichern. Doch Hoffnung konnte er ihm nicht machen. „Schulz hatte einen transparenten Blick auf die Konstellation in unserer Fraktion“, heißt es in Webers Dunstkreis.

Der Ausgang einer Abstimmung wäre für Martin Schulz ungewiss

Da bot sich ein unerfreuliches Bild: „Das war für Schulz kein Selbstläufer“, erläutert CDU-Veteran Elmar Brok, „der Ausgang war zu ungewiss.“ Die meisten EVP-ler verlangen einen eigenen Kandidaten. Sie pochen auf eine von Schulz 2014 unterzeichnete Zusicherung, nach zweieinhalb Jahren den Stuhl für einen EVP-Nachfolger zu räumen. Die Sozialdemokraten halten dagegen: Der Deal sei daran gekoppelt gewesen, dass sie den Chef des Europäischen Rats stellen.

Es könne nicht angehen, dass die drei EU-Präsidenten (Rat, Kommission, Parlament) sämtlich in schwarze Hand kämen. Dies Argument steht nun erneut im Raum. „Ein Monopol der Rechten bei den europäischen Institutionen ist unannehmbar“, erklärt der sozialdemokratische Fraktionschef Gianni Pittella und fordert „eine politische Balance“. Das ist eine Abfuhr für Weber.

Jetzt laufen sich erst einmal die Bewerber um die Nachfolge des scheidenden Parlamentschefs Schulz warm. Allein bei der EVP sind fünf mehr oder weniger offizielle Kandidaten im Rennen, keiner davon hat annähernd die Statur des derzeitigen Amtsinhabers. Und Gipfelpräsident Tusk, ebenso wie Kommissionschef Juncker müssen mit Fragen rechnen, ob sie gegebenenfalls bereit sind, den Stuhl zu räumen. Am Donnerstag winkten beide ab.