Kanzlerin Merkel fordert mehr Offenheit statt Abschottung
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Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor Populismus in der Politik gewarnt. Er gefährde die Errungenschaften des demokratischen Staates.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor einem Verfall der Errungenschaften der Demokratie gewarnt. Grundpfeiler des westlichen poltischen Systems wie der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat, die soziale Marktwirtschaft und das Gewaltmonopol des Staates seien nicht mehr so selbstverständlich „wie das eine Weile lang schien“, sagte Merkel am Mittwochmorgen in der Generaldebatte im Bundestag.
„Populismus und politische Extreme nehmen zu“ in den westlichen Ländern, so die Kanzlerin. Politischer Streit müsse sein, so die Kanzlerin, „aber das muss im Geiste des Respekts vor der Würde des jeweils anderen stattfinden. Das passiert aber an vielen Stellen nicht“.
Merkel: „Offenheit bringt mehr als Abschottung“
Merkel sprach sich dafür aus, „unsere Werte nicht nur zuhause zu stärken“, sondern sie gemeinsam mit den Partnern in Europa und in den USA „in die Welt zu tragen“. Die Zustände in der Türkei nach Ausrufung des Ausnahmezustandes nannte Merkel „alarmierend“. Trotzdem werde sie das Gespräch mit Ankara nicht abreißen lassen.
Die Kanzlerin wandte sich gegen eine Abschottung Deutschlands angesichts internationaler Krisen und Unsicherheiten. „Offenheit wird uns mehr Sicherheit bringen als Abschottung, davon bin ich fest überzeugt“, so Merkel weiter.
Merkel kritisierte die Absage des gewählten US-Präsidenten Donald Trump an das geplante Freihandelsabkommen TPP. „Ich bin nicht froh, dass das transpazifische Abkommen jetzt wahrscheinlich nicht Realität wird“, sagte sie und lobte zugleich das kürzlich ausgehandelte Freihandelsabkommen Ceta zwischen der Europäischen Union und Kanada als wegweisend.
Merkel sprach anlässlich der Generaldebatte im Bundestag. Die Generalaussprache gilt als Höhepunkt der Haushaltsberatungen im Bundestag. Dabei wird offiziell der Etat des Bundeskanzleramts beraten – Regierung und Opposition nutzen die Aussprache aber traditionell für einen grundsätzlichen Schlagabtausch über die Leitlinien der Politik.
Wagenknecht warnt vor einem „deutschen Donald Trump“
Zuvor hatte Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht zum Auftakt der Generaldebatte im Bundestag die Politik der großen Koalition scharf attackiert. Die Regierung habe aus dem Brexit und der Wahl Donald Trumps in den USA nichts gelernt und agiere nach dem Motto „Weiter so“.
Ein Beispiel dafür sei die Aufstellung des „Konsenskandidaten“ Frank-Walter Steinmeier für das Amt des Bundespräsidenten. Dies sei ein „muffiger Konsens“. Wagenknecht: „Es sind genau solche Wahlen, die die Menschen an der Demokratie verzweifeln lassen“, so Oppositionsführerin Wagenknecht.
Wenn im nächsten Jahr in Frankreich Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National an die Macht gewählt werde, „dann werden Sie alle wieder geschockt sein“, sagte die Politikerin mit Blick auf die Regierung. Sie warnte vor einem „deutschen Donald Trump“.
Das ist Bundeskanzlerin Angela Merkel
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„Wohlfühlprogramm für Konzerne und Reiche“
Wagenknecht warf Schwarz-Rot vor, die soziale Schieflage zu fördern: „In Deutschland wachsen soziale Ungleichheit und Verunsicherung.“ Die Regierung betreibe ein „staatliches Reichtumsprogramm“ und ein „steuerliches Wohlfühlprogramm für Konzerne und Reiche“. Dies sei „eine fatale Politik“, so Wagenknecht.
Der Regierung fehle der Mut, „sich mit den wirtschaftlich Mächtigen anzulegen“ und habe „kein politisches Rückgrat“. Sie forderte eine höhere Besteuerung von Reichen und die Austrocknung von Steueroasen.
Oppermann wirft Wagenknecht Nähe zu Trump vor
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warf Wagenknecht eine geistige Nähe zum Donald Trump vor. „Ich habe mich gewundert, wie Sie die ökonomische Kompetenz von Donald Trump bewundert haben und gleichzeitig über die politischen Eliten in Europa gewettert haben, die angeblich nur den Mächtigen dienen.“
Oppermann weiter: „Früher hieß es: Proletarier aller Länder vereinigt euch. Heute heißt es: Populisten aller Länder vereinigt euch.“ Wagenknecht wolle offenbar die AfD-Vorsitzende „Frauke Petry im Bundestag überflüssig machen“, so Oppermann unter wütenden Zwischenrufen aus der Linksfraktion. (W.B.)
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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