Postlin/Luckenwalde. In der brandenburgischen Provinz will die Partei den Protest vieler Bürger aufsammeln. Und diesen dann später in Stimmen umwandeln.

Es dauert ein bisschen, aber dann fällt er, der Name von Donald Trump. Einer der Zuhörer im Saal steht auf und sagt, der künftige US-Präsident habe Kanzlerin Merkel wegen ihrer Flüchtlingspolitik eine „Verbrecherin“ genannt, und wenn der neue Präsident das sage, dann könne es ja so falsch nicht sein.

Dienstagabend in der vergangenen Woche in Postlin, einem 300-Seelen-Dorf in Brandenburg: Im Gasthof „Zur Schmiede“ hat die AfD zum „Bürgerdialog“ geladen. Zwei Landtagsabgeordnete sind gekommen, um Werbung für ihre Partei zu machen und zu hören, was man so denkt hier oben in der Prignitz, wo es außer viel Landwirtschaft wenig gibt. Im Festsaal der „Schmiede“ sind die Tische zu zwei langen Reihen zusammengeschoben.

Flüchtlinge von Weide gejagt

Vorne, vor der Bühne mit dem roten Vorhang, haben sich die Abgeordneten platziert. 35 Leute sind gekommen, überwiegend Männer, zum Teil handfeste Typen mit Händen, die ordentlich zudrücken und sich anfühlen wie Schmirgelpapier. Einer der Bauern hat im Sommer drei junge Flüchtlinge von seiner Weide gejagt, weil sie Kirschen gepflückt haben.

Sven Schröder, einer der beiden AfD-Landtagsabgeordneten, verwandelt den Elfmeter, der da vor ihm liegt: Amerika, der neue Präsident, der Sieg gegen den etablierten Politikbetrieb – da ergeben sich doch Parallelen. „Das ist bei uns ja alles genauso!“, ruft Schröder. Ihm sei das ja „vorher auch nicht bewusst“ gewesen, aber auch Brandenburg sei deindustrialisiert! Auch hier verschwinde die Mittelschicht! Wie in den Teilen Amerikas, in denen Donald Trump gewählt wurde.

Politisch heimatlos und offen für Verschwörungstheorien

Eine Woche ist es an diesem Abend her, dass wütende Amerikaner den Milliardär aus New York ins mächtigste Amt der Welt gehievt haben. Damit ist Trump Vorreiter: In fast allen Ländern der westlichen Welt buhlen Rechtspopulisten um die Frustrierten und Enttäuschten, aber in nationale Regierungsverantwortung haben sie es noch nicht geschafft.

Auch die AfD ist noch davon entfernt, aber ihre Ergebnisse bei den vergangenen Landtagswahlen lassen erwarten, dass sie in einem Jahr in den Bundestag einziehen wird. Wie viel Trump also steckt in der AfD?

Als man sich im Festsaal über die Wiederansiedlung des Wolfs beklagt und die „rot-roten Ganoven“ in der Landesregierung dafür verflucht hat und die Wirtin die ersten Biergläser nachfüllt, meldet sich der Ortsvorsteher von Postlin zu Wort, André Lüdemann. Gebügeltes Hemd, darüber eine Weste, man sieht ihm den Bürojob an.

Wer das falsche Parteibuch hat, muss sehen, wo er bleibt

Lüdemann hält eine Rede in eigener Sache: Die CDU, in die er mal eingetreten sei, sagt er, „die gibt es so nicht mehr“. Und dass er es gut finde, „dass in acht Jahren zum zweiten Mal Landtagsabgeordnete hier sind“. Wenn man das falsche Parteibuch habe, könne man fern der Landeshauptstadt sehen, wo man bleibe.

Er kritisiert die Kreisreform, erntet damit den ersten Beifall des Abends und endet mit den Worten: „Wenn man Deutschland regieren will, dann soll man Deutschland mögen. Das sehe ich nicht mehr!“ Lüdemann macht kein Geheimnis daraus, dass er es war, der die beiden AfD-Politiker eingeladen hat. Er überlegt auch nicht erst seit diesem Abend, die Partei zu wechseln. „Ich bin schon sehr konservativ“, sagt er, als er den Zigarettenrauch in die Nachtluft bläst. Offen bleibt, was das genau heißt.

Abgehängt, politisch heimatlos – diese Wählerstimmen will auch die AfD einsammeln

Auch der Landtagsabgeordnete Schröder bekennt: „Ich war mal CDU-Wähler.“ In den USA habe Trump den Leuten aus der Seele gesprochen. Die Menschen vertrauten den etablierten Politikern nicht mehr. Die AfD werde von den anderen Parteien und den Medien gezielt von politischen Ämtern ferngehalten, „denn dann würden wir so viel aufdecken – das darf nicht sein! Ich erinnere nur an die schwarzen Koffer von Kohl!“

Abgehängt, nicht beachtet, politisch heimatlos und offen für Verschwörungstheorien – das sind die Wähler, die Donald Trump gewählt haben. Diesen bisher stummen Protest will die AfD auch in Deutschland einsammeln und in Wählerstimmen umwandeln. Doch der Trump-Sound, er findet zumindest in der Prignitz noch keine große Resonanz.

Beifall als Petry den Raum betritt

Denn wenn man genau hinhört an diesem Abend, dann kommen die wirklich scharfen Worte nur von den AfD-Funktionären im Saal. Der Rest der Anwesenden will konkrete Antworten auf konkrete Fragen – zur Energiewende, zur Kreisreform und auch zur Rente. „Ihr müsst mehr Sozialpolitik machen“, sagt einer im Publikum. Doch alles, was der Abgeordnete Schröder ihm antworten kann, ist dies: „Da arbeiten wir noch an Lösungsvorschlägen.“

Ortswechsel. Die Stadt Luckenwalde im Süden von Berlin, zwei Tage später. Noch ein „Bürgerdialog“ der AfD, dieses Mal mit der Parteichefin persönlich: Frauke Petry. Als sie den Saal betritt, brandet Beifall auf. Die Luft ist schon vor Beginn der Veranstaltung stickig, immer mehr Stühle werden hineingestellt.

Rund 120 Leute – mittleres Alter, mehr Männer als Frauen – wollen Petry hören, sie sind dafür extra in einen Technologiepark ganz am Rand von Luckenwalde gefahren. Für die Partei sei es schwer, Veranstaltungsräume zu finden, sagt die Landtagsabgeordnete, die den Abend moderiert.

Trump muss jetzt zeigen, dass Populisten regieren können

Protestparteien leben von der Provokation. Donald Trump hat mit verbalen Ausfällen gegen Ausländer, Minderheiten und politische Gegner gepunktet. Die AfD sprach vom Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge. Die „AfD-Programmatik“ werde ja „emotional diskutiert“, sagt Petry zu Beginn ihrer Rede. Man möge Andersdenkenden deshalb „Respekt erweisen“ und sie ausreden lassen. Die vier im Punker-Stil gekleideten Jugendlichen, die im Saal sitzen, grinsen.

Petry stellt sofort den Bezug zu den USA und zum neuen Präsidenten her. Es sei ja gut, dass es in Amerika nun einen Regierungswechsel gebe, sagt sie. Aber: „Ob es ein Politikwechsel wird, muss man dann an den Taten messen.“ Immer wieder taucht Trump als Referenz in ihrer Rede auf, aber immer wieder scheint die AfD-Chefin unsicher, ob der Amerikaner wirklich als Vorbild taugt. Denn er muss jetzt zeigen, dass Populisten regieren können.

Petry: Globalisierung verletzt Völkerrecht

Petry arbeitet sich über die Kritik an der EU und der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zum Freihandelsabkommen TTIP vor. In ihrer Globalisierungskritik gerät sie so weit auf die linke Spur, dass sich die jungen Punks erstaunt anschauen. Einer von ihnen klatscht, als die AfD-Chefin sagt, die Globalisierung verletze das Völkerrecht.

Die EU könne nicht die Annexion der Krim durch Russland anprangern und selbst daran arbeiten, die Welt grenzenlos zu machen. Beifall. Donald Trump hat seine Wähler durch kurze, klare Sätze begeistert. Kritiker attestierten ihm das Sprachniveau eines Grundschülers. Andere sahen in dem Immobilienunternehmer einen genialen Verkäufer von schlichten, aber umso einprägsameren Botschaften.

Petry ist Technokratin, keine Verkäuferin – erreicht die Menschen aber trotzdem

Frauke Petry verkörpert das genaue Gegenteil. Sie spricht eine technokratische Sprache, benutzt Fachbegriffe, verliert sich in Schachtelsätzen und Details. Und doch: Bis auf eine Handvoll Leute, die zwischendurch die Flucht ergreifen, bleiben alle anderen zweieinhalb Stunden lang im Saal sitzen.

„Frau Dr. Petry hat eine hohe Intellektualität“, sagt einer der Besucher, ein ehemaliger Pfarrer, nachher. Ihr Studium in Großbritannien, ihre Promotion, das alles zeichne sie aus. Im Internet habe er sich schon viele Reden von ihr angehört.

Petry ist auf ihre Art so wenig Profipolitiker wie Trump. Aber auch sie weiß, womit sie ihr Publikum begeistern kann. Trump wollte Hillary Clinton wegen ihrer E-Mail-Affäre ins Gefängnis stecken. Petry wird in Luckenwalde von einem Zuhörer gefragt, warum man „Frau Merkel“, die ja deutsche Gesetze nicht beachtete, nicht einsperre: „Die soll in den Knast!“, ruft er.

Mehrere Polizeiwagen zum Schutz

Petry sagt, die AfD habe die Kanzlerin wegen der „Einschleusung von Ausländern“ angezeigt, aber das sei „erwartungsgemäß verpufft“, weil es in Deutschland „keine völlig unabhängige Rechtsprechung“ gebe. Und sie fügt hinzu: „Das werden Sie in allen Ländern erleben, dass es häufig erst einen Regierungswechsel geben muss, damit Straftaten von Vorgängerregierungen geahndet werden. Da sind wir in Deutschland nicht alleine.“

Für die Partei sei es schwer, Veranstaltungsräume zu finden, sagt die Landtagsabgeordnete, die den Abend moderiert. Auch bei dieser Veranstaltung gibt es einen Sicherheitsdienst; vor der Tür stehen mehrere Polizeiwagen. Die vier Leibwächter der sächsischen Polizei, die Petry begleiten, nehmen am Rande des Saals Aufstellung.

Petry, wie immer in hellblauer Bluse und dunkelblauem Hosenanzug, stellt sofort den Bezug zu den USA und zum neuen Präsidenten her. Es sei ja gut, dass es in Amerika nun einen Regierungswechsel gebe, sagt sie. Aber: „Ob es ein Politikwechsel wird, muss man dann an den Taten messen.“ Immer wieder taucht Trump als Referenz in ihrer Rede auf, aber immer wieder scheint die AfD-Chefin unsicher, ob der Amerikaner wirklich als Vorbild taugt. Denn er muss jetzt zeigen, dass Populisten regieren können.

Angeblich Gesetze nicht beachtet

Donald Trump hat seine Wähler durch kurze, klare Sätze begeistert. Kritiker attestierten ihm das Sprachniveau eines Grundschülers. Andere sahen in dem Immobilienunternehmer einen genialen Verkäufer von schlichten, aber umso einprägsameren Botschaften. Frauke Petry verkörpert das genaue Gegenteil. Sie spricht eine technokratische Sprache, benutzt Fachbegriffe, verliert sich in Schachtelsätzen und Details. Und doch: Bis auf eine Handvoll Leute, die zwischendurch die Flucht ergreifen, bleiben alle anderen zweieinhalb Stunden lang im Saal sitzen.

Es steckt ziemlich viel Trump in Petry und der AfD.