Seoul. Südkoreas Präsidentin Park hat den Rückhalt in der Bevölkerung verloren – wegen eines Skandals. Eine Spur führt dabei nach Deutschland.

Im Koreanischen gibt es seit einigen Tagen ein neues Verb: „Ich sunsile, du sunsilst, wir sunsilen“. Es bedeutet etwa: „jemanden solange beeinflussen, bis er etwas Gewünschtes tut“. Je häufiger dieser neue Ausdruck benutzt wird, umso unbeliebter wird die aktuelle Präsidentin von Südkorea, Park Geun Hye.

Sie trat an als erste Frau im Amt und derzeit gibt es Wochenende für Wochenende Demonstrationen, wie man sie nur aus dem Ende der Diktatur 1988 kennt: Millionen sind auf den Straßen der südkoreanische Hauptstadt Seoul. Warum Präsidentin Park in diese Krise geriet, ist kompliziert und einige Spuren führen nach Deutschland, aber noch komplizierter ist, dass Frau Park wohl trotz der Millionen Demonstranten nicht zurücktreten wird.

Vater von Park war ebenfalls Präsident

Doch der Reihe nach: Park Geun-Hye ist die Tochter des dritten Präsidenten Südkoreas, Park Chung-Hee, der von vielen Historikern inzwischen Diktator genannt wird. Unter seiner strengen fast 20 Jahre dauernden Herrschaft wurden politische Gegner eingesperrt und gefoltert, er sorgte aber auch dafür, dass sich Südkorea vom Stand eines afrikanischen Entwicklungslandes nach dem Koreakrieg zur heute elftgrößten Wirtschaftsnation der Welt entwickelt hat.

Doch seine Amtszeit endete blutig: Erst erschoss ein nordkoreanischer Spion seine Ehefrau bei einem Attentat, dann tötete der Geheimdienstchef den Präsidenten selbst – die Tochter Park Geun-hye ist also eine Präsidentin mit einer traumatischen Kindheit. Sie trägt bis heute die Frisur ihrer Mutter, weit mehr als eine Äußerlichkeit. Park stand bei älteren Menschen für alle guten Werte, die sie nach vielen Korruptionsskandalen bei jungen Politikern vermissten.

Blogger: „Menschen schämen sich für ihre Präsidentin“

„Genau diesen Vorsprung hat sie jetzt komplett verspielt“, sagt Se-Woong Koo, ein südkoreanischer Blogger und Dozent für Korea-Studien. Koo veröffentlichte vergangene Woche einen Meinungstext in der „New York Times“ mit dem Titel: „Südkoreas Präsidentin muss gehen“.

Er sagt, sie wurde gewählt, weil sie die Wirtschaft dezentralisieren und die Beziehungen zu Japan, China und Nordkorea verbessern wollten. Sie habe davon nichts erreicht. „Die Menschen sind nicht nur enttäuscht von ihr“, sagt er, „es ist weitaus schlimmer: die Menschen schämen sich für ihre Präsidentin.“ Der aktuelle Skandal um Choi Sun-Sil sei da nur die Spitze einer Reihe von Verfehlungen.

Freundin der Präsidentin soll großen Einfluss auf Politik gehabt haben

Choi Sun-Sil ist die Tochter eines Sektenführers, der mit dem Vater der Präsidentin bis zu dessen Tod eng befreundet war. Choi Sun-Sil wurde eine enge Freundin von Präsidentin Park – und soll in den vergangenen drei Jahren tiefen Einblick in und Einfluss auf die politischen Handlungen von Park gehabt haben.

Sie habe Reden von Park redigiert – und nutzte ihren Zugang zur Macht, indem sie große Unternehmen wie Samsung dazu zwang, mehrere Millionen auf ein Stiftungskonto zu überweisen. Von diesem Konto bezahlte sie unter anderem die Turnier-Reitausbildung ihrer Tochter, ein Pferd sowie ein Hotel. Gestüt und Hotel liegen nicht in Südkorea, sondern in Deutschland, genauer: Arnoldshain im Taunus.

Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Geldwäsche

In Deutschland hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt bisher noch keine Anklage erhoben, die Polizei ermittelt in dem Fall wegen Geldwäsche, auch ein Deutscher soll von den Ermittlungen betroffen sein. In diesem Hotel im Taunus verschanzte sich Choi auch, als der Skandal in Seoul losbrach – flog aber schließlich doch in die Heimat.

Bei ihrer Einreise wurde sie von der Presse am Flughafen so stark bedrängt, dass sie weinend davonlief und ihren Schuh verlor: Er war ausgerechnet von der Marke Prada. Aktuell sitzt Choi in Untersuchungshaft und Millionen fordern auf den Straßen Parks Rücktritt. Hannes Mosler, Korea-Experte der Freien Universität Berlin, glaubt jedoch nicht, dass sich Park Geun-hye von den Protesten beeinflussen lässt.

Park plant offenbar „kontrollierten Rückzug“

„Sie hat sich in der Vergangenheit als sehr zäh und fast stur gezeigt“, sagt er. „Sie ist zudem beratungsresistent und auch eine derzeitige Beliebtheitsrate von fünf Prozent wird sie nicht beeindrucken.“ Park sei angetreten, das Erbe ihres Vaters in einem besseren Licht dastehen zu lassen und deshalb werde sie ihr Amt nicht verlassen.

Schon früher wurde ihre Politik scharf kritisiert: Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaftsregulierung bis hin zu Vorwürfen wegen Wahlmanipulation, die nie entkräftet wurden. „Die aktuelle Situation ist trotzdem eine Zäsur“, sagt er, „denn bisher hatte sie zumindest die konservativen Medien auf ihrer Seite.“ Doch der Skandal um Choi beendete auch das.

Das aktuelle Szenario, für Experten derzeit am wahrscheinlichsten, ist offenbar ein „kontrollierter Rückzug“. So hat es die Regierung angeboten, auch, weil die Opposition keinen geeigneten Kandidaten präsentieren kann. Bei diesem Szenario zieht sich die Präsidentin mehr aus den Amtsgeschäften zurück und lässt den Ministerpräsidenten für die übrigen 16 Monate ihrer Amtszeit regieren. Den hat sie soeben erst ins Amt berufen, mittlerweile den fünften in ihrer Amtszeit. Die anderen vier hatten meist wegen Korruptionsverdacht zurücktreten müssen.

Rolle von Park soll von unabhängigen Ermittlern untersucht werden

Doch solange sie nicht zurücktritt, werden auch die Proteste nicht aufhören. Am Donnerstag demonstrierten die Abiturienten, deren Prüfungstag normalerweise ein Grund ist für einen landesweiten Stillstand des öffentlichen Lebens. Doch nach ihren Prüfungen trafen sie sich in der Innenstadt Seouls.

Am Freitag erhöhte das Parlament Südkoreas den Druck auf Präsidentin Park Geun Hye. Die Nationalversammlung verabschiedete ein von allen Parteien unterstütztes Gesetz, das unabhängige Ermittlungen in der Affäre und Parks Rolle darin vorsieht.

Demonstrationen in zahlreichen südkoreanischen Städten

Am Samstag gingen erneut Hunderttausende auf die Straße – das vierte Wochenende in Folge. Die Veranstalter sprachen von 500.000 Demonstranten. Nach Polizeiangaben versammelten sich auf einem zentralen Platz in Seoul rund 155.000 Menschen mit Kerzen. Auch in zahlreichen anderen Städten machten die Menschen ihrem Unmut über Park Luft.

Nach wie vor lässt Park ungeklärt: Was wusste sie von dem Gebaren ihrer besten Freundin? Was veranlasste sie, Privatleben und Amt in einer derartigen Weise zu verbinden? „Bisher hat sie nur zugegeben“, sagt Se-Woong Koo, „dass sie einen Fehler gemacht hat.“

In einer vom Fernsehen übertragenen Rede, gab sie lediglich an, den falschen Freunden vertraut zu haben. „Das aber brachte die Demonstranten noch mehr auf.“ Am vergangenen Wochenende sei die Stimmung so erhitzt gewesen, wie noch nie. „Ich habe Menschen weinen und schreien sehen“, sagt Koo. Die Proteste brächten einen großen Moment der Einigkeit des Volkes. „Das gab es lange nicht in Südkorea und man könnte Choi Sun-Sil fast dankbar sein.“ (mit Material von Reuters)