Berlin. Womöglich äußert sich Merkel am Sonntag dazu, ob sie erneut als Kanzlerkandidatin antritt. Was spricht für, was gegen eine Kandidatur?

Seit elf Jahren ist Angela Merkel Kanzlerin – nun wird erwartet, dass sie sich zu ihren Plänen erklärt. Was für und gegen eine erneute Kandidatur der 62-Jährigen spricht:

PRO:

• INTERNATIONALE LAGE: Der designierte US-Präsident Donald Trump steht für neuen Populismus. Die Zukunft von Matteo Renzi als Italiens Regierungschef ist fraglich. Großbritannien organisiert den Brexit. In Frankreich wird 2017 ein Rechtsruck befürchtet. Und Russland und die Türkei sind wenig verlässlich – da wird Merkel etwa in den USA als ein letzter Garant westlicher Werte bezeichnet.

• PERSONALNOT DER UNION: Die Union dürfte nur schwer jemanden finden, der das Amt kann und will. Die Bundesminister Wolfgang Schäuble, Thomas de Maizière oder Ursula von der Leyen vielleicht? Oder Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer? NRW-CDU-Chef Armin Laschet?

• WAHLCHANCEN: Zwar sind die Umfragewerte der Union im Vergleich zum 41,5 Prozentergebnis bei der Bundestagswahl 2013 schlecht – aber CDU/CSU liegen doch mit rund 33 Prozent zehn Punkte vor der SPD.

• FLÜCHTLINGE: Merkel könnte einstehen wollen für ihre persönliche Verantwortung in der Flüchtlingskrise – und nun die Integration der Gekommenen vorantreiben wollen, jetzt da für viele die Tore nach Deutschland wieder verschlossen sind.

CONTRA:

• ANSEHEN IHRER KOALITION: In Umfragen beurteilen Mehrheiten die Merkel-Regierung als eher schlecht. Viele wollen Schwarz-Rot nicht mehr. Auch eine mögliche schwarz-grüne Koalition unter Merkel erscheint vielen Umfragen zufolge nicht als Traumalternative, wenn sie auch immer noch besser abschneidet als Rot-Rot-Grün.

• RISIKO NACH MODELL KOHL: Will Merkel tatsächlich eine 16-jährige Kanzlerschaft – und riskieren, am Ende vielleicht genauso verbraucht zu wirken wie damals Helmut Kohl? Dass Merkel die Union wieder zu einstiger Stärke führen könnte, ist derzeit nicht greifbar.

• REPUTATIONSVERLUST: Die Kanzlerin hat an Vertrauen eingebüßt. Ihr Siegerimage ist dahin. Viele verübeln ihr das Verhalten in der Flüchtlingskrise, auch an der CDU-Basis. Dass sie sich mangels eigener Alternativen auf SPD-Mann Frank-Walter Steinmeier als nächsten Bundespräsidenten einließ, sehen Merkel-Kritiker als Anfang vom Ende ihrer Kanzlerschaft. Beliebter ist Finanzminister Wolfgang Schäuble. Warum sollte sich nicht für ihn die K-Frage stellen?

• UNSICHERHEIT: Merkel geht nicht gern in ein unkalkulierbares Rennen – und angesichts schwankender Beliebtheitswerte ist ihre Lage weniger stabil als früher. Manche in der Union sagen, dass sie sich zur Parteivorsitzenden wiederwählen lassen, aber nichts über ihre Zukunft als Kanzlerin sagen könnte, weil die CSU erst nächstes Jahr entscheiden wolle, ob sie Merkel als Kanzlerin unterstütze.

SZENARIO:

Dennoch erwarten viele, dass Merkel am Sonntagabend in der CDU-Zentrale auch die erneute Kanzlerkandidatur ankündigt. Parteivorsitz und Kanzleramt begreift sie nach eigenen Worten als Einheit. CSU-Chef Horst Seehofer würde Merkel trotz all seiner Kritik an ihrem Flüchtlingskurs wohl schon jetzt auch zur nächsten Kanzlerin erklären wollen. Die CSU hat zeitgleich in München ein eigenes Spitzentreffen und könnte postwendend reagieren. (dpa)