Berlin. Bei seiner Vorstellung als Kandidat fürs Präsidentenamt nannte Außenminister Steinmeier seine Ziele. Er möchte auch unbequem sein.

Frank-Walter Steinmeier kann es kaum abwarten. Oder ist der Außenminister etwa nervös in diesem „sehr besonderen Moment“, wie er den Auftritt im Reichstagsgebäude später nennen wird? Steinmeier knetet seine Hände, während die CDU-Vorsitzende Angela Merkel ihn als „richtigen Kandidaten in dieser Zeit“ lobt. Steinmeier zupft an seinen Hemdsärmeln, als SPD-Chef Sigmar Gabriel ihn als Verkörperung von „Vertrauen und Verantwortungsbewusstsein“ preist. Und als der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer schließlich die „große Erfahrung und Besonnenheit“ des künftigen Präsidenten würdigt, da muss sich der SPD-Politiker dringend an der Stirn kratzen.

Sechs Minuten dauern die Vorreden der drei Parteichefs, die Steinmeier am Mittwochmittag offiziell als gemeinsamen Kandidaten für das Bundespräsidentenamt vorstellen. Seehofer spricht am kürzesten, Gabriel am längsten. Dann endlich ist Steinmeier dran – und skizziert im Eiltempo ein paar grundsätzliche Gedanken über das neue Amt: Zuversicht vor allem will er vermitteln und Vertrauen in die demokratischen Institutionen – auch als Antwort auf den wuchernden Populismus, wie der SPD-Politiker andeutet. Es geht ihm um den Zusammenhalt der Gesellschaft und eine politische Kultur des respektvollen Streits: „Ich will die Kräfte wecken, die in dieser Gesellschaft stecken.“

Steinmeier: "Es ist mir eine große Ehre"

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    Steinmeier ruft Deutsche zu mehr Selbstbewusstsein auf

    Das künftige Staatsoberhaupt spricht nicht nur länger, sondern auch lauter als die Parteichefs. Steinmeier breitet die Arme aus, als er die Deutschen zu mehr Selbstbewusstsein aufruft. Und: „Ein Bundespräsident kann die Welt nicht einfacher machen, als sie ist. Ein Bundespräsident darf kein Vereinfacher sein, er muss ein Mutmacher sein.“ Das Mutmachen ist nun keine sehr originelle Idee, Steinmeiers Vorgänger Joachim Gauck und Christian Wulff haben das zu Beginn ihrer Amtszeit genauso versprochen.

    Aber Steinmeier findet mit seiner Erfahrung als Außenminister doch einen anderen Ansatz. Er erzählt von einer Bürgerversammlung in Brandenburg, in der er über eine Nahost-Reise berichtete und dann gefragt wurde: „Muss ich eigentlich Angst haben um unsere Zukunft hier in Deutschland?“

    Steinmeiers Antwort: „Mit Blick von uns auf die Welt da draußen kann ich die Sorgen gut nachvollziehen.“ Aber als Außenminister erfahre er den anderen Blick der Welt auf Deutschland, der mache ihn zuversichtlich: „Unser Land verkörpert wie kein anderes Land der Welt die Erfahrung, dass aus Kriegen Frieden werden kann. Aus Teilung Versöhnung. Und dass nach der Raserei von Nationalismus und Ideologien so etwas einkehren kann wie politische Vernunft.“ Das könne Deutschland einbringen „in diese unfriedliche Welt“.

    Steinmeier wirbt für eine lebendige politische Kultur

    Dass die internationale Politik für ihn eine große Rolle spielen wird auch im neuen Amt, war zu erwarten. Es gibt schon Stimmen in der Koalition, die Steinmeier davor warnen, im Schloss Bellevue Außenpolitik mit anderen Mitteln zu betreiben. Aber es wird unterschätzt, wie breit Steinmeiers Themenspektrum in Wirklichkeit ist. Sein Netzwerk reicht weit in Wissenschaft, Kirche und Kultur.

    Steinmeier nutzt den internationalen Hintergrund aber, um seine Botschaften zuzuspitzen: Politische Erdbeben wie der Brexit, die Wahl in den USA oder die Lage in der Türkei rüttelten die Menschen auf, „aber sie können uns auch wachrütteln“. Jetzt komme es „auf lebendige, auf eine wache politische Kultur an“. Merkel hört aufmerksam zu, gelegentlich nickt sie zu Steinmeiers Worten. Ihr ernster Blick ist aber meist in die Ferne gerichtet. Die Kanzlerin lässt sich anmerken, dass ihr dieser Auftritt nur bedingt Freude bereitet – so sehr sie Steinmeier persönlich schätzt, als Präsident hätte sie den SPD-Mann gern verhindert.

    Gabriel genießt den Moment seines Triumphs

    Gabriel an ihrer Seite genießt still den Moment seines Triumphs. Doch dürfte er ahnen, dass sein Kandidat auch für die SPD kein bequemer Präsident sein wird. Überraschend spricht Steinmeier in feinen Andeutungen die umstrittenen Sozialreformen an, die er als Kanzleramtschef unter Gerhard Schröder mit dem Titel „Agenda 2010“ entworfen hat. Er habe Verantwortung getragen auch in Zeiten, als es Deutschland „schlecht ging“, sagt Steinmeier offenbar mit Blick auf die Wirtschaftskrise Anfang des vorigen Jahrzehnts.

    Die damals beschlossene Hartz-Reform nennt er nicht beim Namen, sagt aber: „Ich durfte erfahren, dass diese Gesellschaft die Kraft hat, sich aus Krisen zu befreien.“ Man habe sich den Schwierigkeiten gestellt und sich angestrengt. „Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Und ich glaube, wir sind dabei besser durch die Krisen gekommen als andere.“ Für diese Haltung wolle er antreten. Man darf also gespannt sein: Der künftige Präsident wird auch kontroverse Debatten auslösen.

    Aber sein Kapital ist das große Vertrauen, das ihm die Bürger schenken. Mit diesem Vertrauen begründen auch die Parteichefs seine Nominierung. Doch zeichnet sich ab, dass der SPD-Mann in der Bundesversammlung am 12. Februar 2017 dennoch nicht alle Stimmen aus der Union erhalten wird. Vielsagend wünscht Seehofer dem Kandidaten für seine Wahl „viel Glück“.

    Deutsche Bundespräsidenten seit 1949

    Theodor Heuss (FDP) war der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Er bekleidete das Amt von 1949 bis 1959. Heuss diente in der orientierungslosen Nachkriegszeit durch seine liberal-demokratische Haltung vielen Menschen als Vorbild. Für ihn waren „Demokratie und Freiheit nicht nur Worte, sondern lebensgestaltende Werte“. Auch im Ausland warb er mit Erfolg für das aufstrebende Deutschland.
    Theodor Heuss (FDP) war der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Er bekleidete das Amt von 1949 bis 1959. Heuss diente in der orientierungslosen Nachkriegszeit durch seine liberal-demokratische Haltung vielen Menschen als Vorbild. Für ihn waren „Demokratie und Freiheit nicht nur Worte, sondern lebensgestaltende Werte“. Auch im Ausland warb er mit Erfolg für das aufstrebende Deutschland. © © epd-bild / KEYSTONE | Pelikan
    Auch Heinrich Lübke (CDU) wurde für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Er war von 1959 bis 1969 der zweite Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesversammlung wählt den Bundespräsidenten für die Dauer von fünf Jahren. Nur eine einmalige Wiederwahl ist zulässig.
    Auch Heinrich Lübke (CDU) wurde für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Er war von 1959 bis 1969 der zweite Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesversammlung wählt den Bundespräsidenten für die Dauer von fünf Jahren. Nur eine einmalige Wiederwahl ist zulässig. © © epd-bild / Keystone | Keystone
    Zum dritten deutschen Bundespräsidenten wurde 1969 Gustav Heinemann (SPD) gewählt. Er führte das Amt fünf Jahre aus – bis 1974. Der Nationalökonom und Jurist, damals Mitglied der CDU, wurde am 20. September 1949 von Konrad Adenauer zum ersten Innenminister der Bundesrepublik berufen. 1957 trat Heinemann in die SPD ein und wurde Mitglied des Bundestages. Während der großen Koalition von 1966 bis 1969 amtierte er als Justizminister. Von 1949 bis 1955 leitete er als Präses die EKD-Synode; der rheinischen Kirchenleitung gehörte er von 1945 bis 1962, dem Rat der EKD bis 1961 an.
    Zum dritten deutschen Bundespräsidenten wurde 1969 Gustav Heinemann (SPD) gewählt. Er führte das Amt fünf Jahre aus – bis 1974. Der Nationalökonom und Jurist, damals Mitglied der CDU, wurde am 20. September 1949 von Konrad Adenauer zum ersten Innenminister der Bundesrepublik berufen. 1957 trat Heinemann in die SPD ein und wurde Mitglied des Bundestages. Während der großen Koalition von 1966 bis 1969 amtierte er als Justizminister. Von 1949 bis 1955 leitete er als Präses die EKD-Synode; der rheinischen Kirchenleitung gehörte er von 1945 bis 1962, dem Rat der EKD bis 1961 an. © © epd-bild / Keystone | Keystone
    Walter Scheel (FDP) war von 1974 bis 1979 im Amt und somit vierter Bundespräsident. Das Amt des Bundespräsidenten wird stark von der Persönlichkeit des Amtsinhabers geprägt. Trotz geringer Machtbefugnisse ...
    Walter Scheel (FDP) war von 1974 bis 1979 im Amt und somit vierter Bundespräsident. Das Amt des Bundespräsidenten wird stark von der Persönlichkeit des Amtsinhabers geprägt. Trotz geringer Machtbefugnisse ... © imago | Rainer Unkel
    ... verfügt dieser vor allem mit seinen Reden über erhebliche Möglichkeiten der öffentlichen Wirkung.
    ... verfügt dieser vor allem mit seinen Reden über erhebliche Möglichkeiten der öffentlichen Wirkung. © imago stock&people | teutopress
    Von 1979 bis 1984 bekleidete Karl Carstens (CDU) das höchste Amt im Staat.
    Von 1979 bis 1984 bekleidete Karl Carstens (CDU) das höchste Amt im Staat. © Sven Simon
    Richard von Weizsäcker (CDU) wurde auch für eine zweite Amtszeit wiedergewählt und war von 1984 bis 1994 deutscher Bundespräsident – der sechste in der deutschen Nachkriegsgeschichte.
    Richard von Weizsäcker (CDU) wurde auch für eine zweite Amtszeit wiedergewählt und war von 1984 bis 1994 deutscher Bundespräsident – der sechste in der deutschen Nachkriegsgeschichte. © imago stock&people | Kraufmann&Kraufmann
    Roman Herzog (CDU) wurde 1994 von der Bundesversammlung zum siebten Bundespräsidenten gewählt und bekleidete das Amt bis 1999.
    Roman Herzog (CDU) wurde 1994 von der Bundesversammlung zum siebten Bundespräsidenten gewählt und bekleidete das Amt bis 1999. © Hoffmann
    Zweimal scheiterte Johannes Rau (SPD) bei dem Versuch, in die höchsten Staatsämter aufzusteigen: 1987 als Kanzlerkandidat und 1993 als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. Am 23. Mai 1999 wurde Johannes Rau im zweiten Wahlgang zum neuen Bundespräsidenten und Nachfolger von Roman Herzog (CDU) gewählt. Er bekleidete das Amt bis 2004.
    Zweimal scheiterte Johannes Rau (SPD) bei dem Versuch, in die höchsten Staatsämter aufzusteigen: 1987 als Kanzlerkandidat und 1993 als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. Am 23. Mai 1999 wurde Johannes Rau im zweiten Wahlgang zum neuen Bundespräsidenten und Nachfolger von Roman Herzog (CDU) gewählt. Er bekleidete das Amt bis 2004. © © epd-bild / Norbert Neetz | Neetz, Norbert
    Große Reputation bei den Landsleuten und im Ausland erwarb der neunte Bundespräsident Horst Köhler (CDU) von 2004 bis 2010. Köhler trat ein Jahr nach seiner Wiederwahl überraschend am 31. Mai 2010 zurück. Sein Nachfolger ...
    Große Reputation bei den Landsleuten und im Ausland erwarb der neunte Bundespräsident Horst Köhler (CDU) von 2004 bis 2010. Köhler trat ein Jahr nach seiner Wiederwahl überraschend am 31. Mai 2010 zurück. Sein Nachfolger ... © © epd-bild/Peter Endig/dpa-Poolf | Peter Endig
    ... Christian Wulff (CDU) hielt es nur zwei Jahre (2010 bis 2012) im Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten Schloss Bellevue in Berlin aus. Er erklärte im Februar 2012 nach knapp 20 Monaten im Amt seinen Rücktritt. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft ...
    ... Christian Wulff (CDU) hielt es nur zwei Jahre (2010 bis 2012) im Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten Schloss Bellevue in Berlin aus. Er erklärte im Februar 2012 nach knapp 20 Monaten im Amt seinen Rücktritt. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft ... © REUTERS | REUTERS / FABIAN BIMMER
    ... Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsannahme gegen ihn eingeleitet. Der Verdacht erhärtete sich jedoch nicht, die Ermittlungen wurden eingestellt.
    ... Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsannahme gegen ihn eingeleitet. Der Verdacht erhärtete sich jedoch nicht, die Ermittlungen wurden eingestellt. © REUTERS | REUTERS / POOL
    Am 18. März 2012 wählte die Bundesversammlung Joachim Gauck zum elften Präsidenten der Bundesrepublik. Am 6. Juni 2016 erklärte der parteilose 77-jährige Amtsinhaber öffentlich, ...
    Am 18. März 2012 wählte die Bundesversammlung Joachim Gauck zum elften Präsidenten der Bundesrepublik. Am 6. Juni 2016 erklärte der parteilose 77-jährige Amtsinhaber öffentlich, ... © Getty Images | Sean Gallup
    ... aus Altersgründen nicht erneut kandidieren zu wollen. „Ich möchte für eine erneute Zeitspanne von fünf Jahren nicht eine Energie und Vitalität voraussetzen, für die ich nicht garantieren kann“. Gaucks Amtszeit endet offiziell am 18. März.
    ... aus Altersgründen nicht erneut kandidieren zu wollen. „Ich möchte für eine erneute Zeitspanne von fünf Jahren nicht eine Energie und Vitalität voraussetzen, für die ich nicht garantieren kann“. Gaucks Amtszeit endet offiziell am 18. März. © dpa | Fredrik Von Erichsen
    Frank-Walter Steinmeier ist am 12. Februar von der Bundesversammlung in Berlin im ersten Wahlgang mit 931 von 1239 gültigen Stimmen zum Nachfolger Gaucks und somit zum zwölften Bundespräsidenten gewählt worden.
    Frank-Walter Steinmeier ist am 12. Februar von der Bundesversammlung in Berlin im ersten Wahlgang mit 931 von 1239 gültigen Stimmen zum Nachfolger Gaucks und somit zum zwölften Bundespräsidenten gewählt worden. © dpa | Kay Nietfeld
    Der 61-Jährige stammt aus dem nordrhein-westfälischen Brakelsiek. Seine politische Karriere begann Steinmeier 1993 als Büroleiter des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und späteren Kanzlers Gerhard Schröder (SPD). Später war er Kanzleramtschef und bereits in der großen Koalition von 2005 bis 2009 Außenminister.
    Der 61-Jährige stammt aus dem nordrhein-westfälischen Brakelsiek. Seine politische Karriere begann Steinmeier 1993 als Büroleiter des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und späteren Kanzlers Gerhard Schröder (SPD). Später war er Kanzleramtschef und bereits in der großen Koalition von 2005 bis 2009 Außenminister. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
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