Berlin. Nach heftiger Kritik hat Migrationsbeauftragte Özoguz (SPD) ihre Äußerungen über Razzien gegen mutmaßliche Islamisten relativiert.

Am nächsten Tag will sie alles nicht so gemeint haben. Ihre Zitate seien „aus dem Zusammenhang gerissen“ worden, sagt Aydan Özoguz (SPD) immer wieder an diesem Mittwochmittag in der Bundespressekonferenz in Berlin. Sie redet wie eine Sicherheitsexpertin: „Wir können und sollten Islamismus nicht dulden.“ Die Razzia gegen die Salafistengruppe „Die wahre Religion“ ist für sie ein „Riesenerfolg“. Und: „Ich habe wirklich hohen Respekt vor dem, was Sicherheitsbehörden tun.“ Kein Wort mehr von „Willkür“.

Eigentlich ist Aydan Özoguz, Staatsministerin und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, hier, um eine Studie zum Wahlverhalten von Migranten vorzustellen. Zunächst aber muss sie sich zu ihrer heftigen Kritik an der Polizei äußern. Am Dienstagmorgen hatten Sicherheitsbehörden in zehn Bundesländern eine groß angelegte Aktion gegen Salafisten gestartet, 200 Moscheen, Wohnungen, Büros und Lagerhallen wurden durchsucht.

Aydan Özoguz eckt nicht zum ersten Mal an

Und Özoguz sagte kurz danach auf dem TV-Sender Phoenix, dass bei vielen Razzien in der Vergangenheit nichts herausgekommen sei, hinterlasse bei Jugendlichen Spuren. „Da hat man den Eindruck von Willkür, da werden natürlich schnell auch Verschwörungstheorien wach, was man eigentlich als Staat gegen diese Menschen macht.“ Man müsse bei der Verfolgung von Islamisten mit „sehr großem Augenmaß“ vorgehen, damit es nicht heiße, man dringe willkürlich in Moscheen ein.

Wie konnte ihr das passieren? Das fragen sich auch Politiker, die Özoguz mögen und unterstützen.

Und andere kritisieren sie besonders scharf. „Anstatt unseren Sicherheitsbehörden für ihre hervorragende Arbeit zu danken, tritt ihnen Frau Özoguz vors Schienbein“, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber der „Bild“-Zeitung. „Unfassbar“, kommentierte Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Absolut unverantwortlich“, kritisierte CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. Und die stets auf Ausgleich bedachte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warf Özoguz vor, sie habe offenbar ihrerseits jedes Augenmaß verloren.

Es ist nicht das erste Mal, dass Özoguz danebenliegt. Vor ein paar Wochen äußerte sie sich zu Kinderehen in Deutschland. Die Union forderte das komplette Verbot. Die Staatsministerin grätschte dazwischen: „Ein pauschales Verbot von Ehen von Minderjährigen ist zwar vielleicht gut gemeint, kann aber im Einzelfall junge Frauen ins soziale Abseits drängen.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nannte das Verhalten des Staatsministerin „beschämend und absolut unwürdig“.

Ende 2013 kam der Sprung ins Kanzleramt

Auch im August gab es Ärger. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte gesagt: „Von den Türkischstämmigen, die schon lange in Deutschland leben, erwarten wir, dass sie ein hohes Maß an Loyalität zu unserem Land entwickeln.“ Özoguz hielt dagegen, eine deutliche Mehrheit der Türkischstämmigen fühle sich „unserem Land“ zugehörig: „Wir sollten daher diesen Menschen nicht pauschal Loyalitätskonflikte unterstellen.“ Scheuer konnte es nicht fassen: Das sei eine „Bankrotterklärung“, Özoguz sei im Kanzleramt „fehl am Platz“.

Die Politikerin, die seit Wochen in der Kritik steht, war lange Zeit wenig bekannt. 2014 schrieb der „Spiegel“ über ein Özoguz-Porträt „Die Unsichtbare“. 2015 charakterisierte der „Focus“ sie als „Die Machtlose“, die manchmal mit der damaligen SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi verwechselt wurde.

Solche Schlagzeilen wird es in der nächsten Zeit wohl nicht mehr geben. In ein paar Monaten hat sich Özoguz von einer unauffälligen Staatsministerin zur umstrittensten Politikerin des Bundeskabinetts gewandelt.

Dabei war die 1967 in Hamburg als Tochter türkischer Einwanderer geborene Özoguz aufgebaut worden, damit sie die SPD in Sachen Integration nach vorne bringt. 2011 wurde sie stellvertretende SPD-Chefin. Ende 2013 dann der Sprung ins Kanzleramt. Die Staatsministerin ist die erste Politikerin mit türkischen Wurzeln im Bundeskabinett.

Zumindest ungewöhnlich sind Özoguz’ Äußerungen im Zusammenhang mit ihrer Familie. Zwei ihrer Brüder betreiben eine Homepage mit dem Namen „Muslim Markt“. Es ist eine Seite mit teilweise radikalen Inhalten, auf der Iran gefeiert und Israel verdammt wird. Berichten zufolge beobachtet der Verfassungsschutz die Netz-Aktivitäten der Özoguz-Brüder.

Mehrfach hatte Özoguz betont, dass sie die dort vertretenen Meinungen nicht teile. Am Mittwoch vor der Bundespressekonferenz reagiert die Staatsministerin kurz angebunden: „Kann ich Ihnen nicht beantworten. Also persönlich zu meiner Familie will ich hier, glaub ich, nicht Stellung nehmen.“