Risikofaktor Trump – Was die Donald-Versteher ausblenden
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Von Dirk Hautkapp
Washington. Vertrauensvorschuss und Nachsicht für den nächsten US-Präsidenten? Hat Trump nach diesem Wahlkampf nicht verdient – ein Kommentar.
Seltsames Phänomen. Da wird in Amerika eine Kanaille zum Präsidenten gewählt. Ein Mann, der über 18 Monate Wahlkampf jedes Tabu gebrochen und die Hasskurve in der Bevölkerung mit Kalkül auf neue Höhen getrieben hat. Ein Mann, der lügt, beziehungsweise grotesk unter- wie übertreibt, sobald er den Mund aufmacht – und in Deutschland schieben sich in Politik und Kommentariat reihenweise die Beschwichtiger, Versteher und Der-will-doch-nur-spielen-Propheten an die Mikrofone.
Nicht so ruppig umgehen mit dem Mann, forden sie. Ist jetzt kein Kandidat mehr, sondern zukünftiger Führer der freien Welt, der Mann. Haben schließlich 60 Millionen gewählt, den Mann. Muss man doch erst mal eine Chance geben, dem Mann. Hat doch schon eingelenkt und Kreide gefressen, der Mann. Wer sind wir deutschen Rosinenbomber-Profiteure denn, als das wir, wie Angela Merkel es uneingeschränkt lobenswert gemacht hat, rote Linien ziehen und Ratschläge erteilen?
Großer Irtrtum.
Trump hat keinen Vertrauensvorschuss verdient
Donald Trump hat keinen Vertrauensvorschuss und keine Nachsicht verdient. Sondern allein erhöhte Wachsamkeit. Dutzende seiner Äußerungen – ob zum Welthandel, zu Krisenherden oder Allianzen – müssen Anlass zu größter Sorge geben. Sein Auftreten im Wahlkamp war durchweg dem eines aufrechten Demokraten unwürdig.
Mit Trump ist es gesellschaftsfähig geworden, eine Konkurrentin vor nicht mehr als einer Woche als Landesverräterin zu stigmatisieren und damit den Volkszorn bis zur Weißglut zu füttern. Um sie nach dem Wahlsieg stickum als tolle, „sehr kluge“ Frau zu preisen. Mit Trump sind die Gesetze des TV-Seifenoper-Dschungels endgültig in die Politik eingezogen. Heute angeheuert, morgen gefeuert. Der Zweck heiligt jedes Mittel. Pflichtschuldig hinterher Sorry sagen kann man immer noch.
Donald Trump – sein Leben in Bildern
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Kritik an Merkels Trump-Ansage ist unangebracht
Wer sich als Europäer davor klein macht, wer etwa Bundeskanzlerin Merkel dafür kritisiert, dass sie Trump unmissverständlich an den Werte-Kanon erinnerte, der das deutsch-amerikanische Verhältnis prägt (und gegen den er fortgesetzt im Wahlkampf und in seinem Leben davor verstoßen hat), praktiziert genau das Duckmäusertum, dass sich die „America First“-Trumpianer insgeheim wünschen.
Sie wollen keine Verhandlungspartner auf Augenhöhe. Sie wollen Befehlsempfänger. Leute, die keine Fragen stellen, Claqueure. Anders ist das angedrohte Tabula-rasa-Machen vom Klimaschutzabkommen über die Nato bis hin zum Iran-Atomdeal und einem neuen Russland-Appeasement nicht zu interpretieren.
Donald Trump diktiert Bedingungen
Wer aber auf internationalem Parkett Reformen hinkriegen will, muss überzeugen und mitnehmen. Das dauert. Und nervt. Donald Trump hat keine Geduld. Er diktiert Bedingungen. Werden sie nicht erfüllt, so muss man befürchten, steht er vom Verhandlungstisch auf und geht. Über Twitter werden dann die entsprechenden Schuldzuweisungen verteilt.
Das ist nicht nur infantil. Das ist gemessen am Kompliziertheitsgrad vieler Konfliktlagen gefährlich. Die Bundesregierung und mit ihr alle anderen vernunftbestimmten, selbstbewussten Entscheider in Europa tun gut daran, dem Zocker Trump so früh und so fair und so unzweideutig wie möglich zu bedeuten, dass man die Weltpolitik nicht wie einen Casino-Tisch in Atlantic City bespielen kann. Bis zum Beweis des Gegenteils bleibt Trump ein Risikofaktor für den Weltfrieden.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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