Berlin. Terror-Propaganda im Namen des Islam – so sehen die Ermittler die salafistische Gruppe „Die wahre Religion“. Doch wer steckt dahinter?
Großrazzia der Polizei am frühen Dienstagmorgen: Im Fokus der Ermittler stehen mutmaßliche Unterstützer der islamistischen IS-Terrormiliz. Es geht offenbar auch um islamistische Propaganda. Was will „Die wahre Religion“?
Seit Jahren schon sorgt die islamistische Vereinigung „Die wahre Religion“ für Schlagzeilen in Deutschland – vor allem wegen ihrer umstrittenen Koran-Verteilaktionen. Erklärtes Ziel der Kampagne unter dem Namen „Lies!“ ist es, jedem Haushalt in Deutschland eine Koran-Übersetzung zur Verfügung zu stellen.
Gruppe will Krieger für den Dschihad rekrutieren
Großrazzia gegen Islamisten-Netzwerk
Laut dem Gründer, dem gebürtigen Palästinenser Ibrahim Abou-Nagie, sind bis Mitte 2016 etwa 3,5 Millionen Exemplare verteilt worden. Doch für den deutschen Verfassungsschutz ist die Koran-Verteilung in Fußgängerzonen nur Fassade, um für eine verfassungsfeindliche Ideologie zu werben.
Die Behörden sehen in „Die wahre Religion“ eine Gruppe, die zur Rekrutierung dschihadistischer Islamisten beiträgt. Führende Akteure, Unterstützer und Aktivisten glorifizierten Terroranschläge und stünden der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nahe.
Teilnehmer seien bereits zur Beteiligung am Dschihad, dem „Heiligen Krieg“, nach Syrien oder in den Irak gereist. Dem Salafisten-Netzwerk sollen mehrere hundert Personen angehören. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht heißt es: „Die im In- und Ausland stetig expandierende Kampagne wird von der Öffentlichkeit verstärkt wahrgenommen und entfaltet gerade auf Jugendliche und Heranwachsende eine besondere Anziehungskraft.“
Gründer Ibrahim Abou-Nagie bereits verurteilt
Das Predigernetzwerk wurde laut den Behörden 2005 gegründet und konzentrierte sich zunächst auf Vorträge und Seminare, bevor es mit den Koran-Verteilaktionen mehr Aufmerksamkeit erlangte. Netzwerkgründer und Laienprediger Abou-Nagie wurde in Köln im Februar verurteilt – allerdings wegen gewerbsmäßigen Betrugs.
Zuletzt forderte der nordrhein-westfälische Landtag alle staatlichen Institutionen auf, die Aktivitäten des Netzwerks unverzüglich zu unterbinden. Ein Vereinsverbot liege allerdings in der Zuständigkeit des Bundesinnenministers, befand der NRW-Landtag noch im Oktober.
Salafisten wollen islamistischen Gottesstaat
Salafisten wollen Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach mittelalterlichen Regeln umgestalten. Sie sehen sich als Verfechter eines unverfälschten Islams, lehnen Reformen ab und betreiben die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bezifferte die Zahl radikal-islamistischer Salafisten in Deutschland bis Ende Oktober auf 9200. Es radikalisieren sich dabei immer mehr junge Menschen.
Motor der Radikalisierung ist oft das Internet. Eine autoritäre Erziehung, innerfamiliäre Gewalt und soziale Unsicherheit verstärken Studien zufolge die Bereitschaft junger Menschen, selbst gewalttätig zu werden und sich von Islamisten vereinnahmen zu lassen. (dpa)