Berlin. Es wächst die Sorge, dass Donald Trump den Russen freie Hand in Osteuropa lassen könnte. Trump hatte die Krim-Annexion legitim genannt.

In der Ukraine und im Baltikum schrillen die Alarmglocken. Die Nachricht, dass Donald Trump bald ins Weiße Haus einzieht, weckt alte Befürchtungen. Seit Trump angekündigt hatte, er könne sich vorstellen, gut mit Kremlchef Wladimir Putin auszukommen, war sie bereits unterschwellig da: die Angst, dass Moskau die Gunst der Stunde für einen Einmarsch nutzen könne. Mit dem Ergebnis der US-Wahl hat die Sorge neue Nahrung erhalten.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bat US-Botschafterin Mary Jovanovic zum Gespräch. Er übermittelte Glückwünsche an Trump und drückte seine Hoffnung aus, dass die USA an ihrer Unterstützung für die Ukraine festhalten mögen.

„Wir brauchen diese Unterstützung im Kampf gegen die russische Aggression und für die Wiederherstellung unserer territorialen Integrität.“ Gemeint war nicht zuletzt die russische Annexion der Krim im März 2014, die Trump im Wahlkampf wiederholt als legitim bezeichnet hatte. Die prowestliche „Kyiv Post“ bilanzierte die US-Wahl aus Kiewer Sicht mit den Worten: „Die Ukraine hat mehr Grund zur Sorge als alle anderen Länder.“

Trump hatte den Schutz durch die Nato in Frage gestellt

Das allerdings würden manche Politiker in Estland, Lettland und Litauen vermutlich bestreiten. Trump hatte im Wahlkampf die Beistandsgarantie der Nato für das Baltikum infrage gestellt. Der Trump-Unterstützer Newt Gingrich, der als neuer US-Außenminister gehandelt wird, bezeichnete Estland gar als einen „Vorort von St. Petersburg“.

In Litauen tauchten Wandmalereien auf, die Putin und Trump beim Bruderkuss zeigten. Litauens Außenminister Linas Linkevicius zeigte sich besorgt, dass Moskau die nächsten gut zwei Monate vor der Vereidigung Trumps als Präsident ausnutzen könne. „Ein Vakuum in der Führung bietet immer die Versuchung, es mit etwas auszufüllen, hinter dem nicht immer die besten Absichten stehen“, sagte er der „Financial Times“.

Balten übten scharfe Kritik an Russlands Kurs

Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite machte hingegen auf Zweck-Optimismus. „Die Vereinigten Staaten sind und bleiben ein verlässlicher Bündnispartner.“ Ähnlich formulierte es auch der polnische Außenminister Witold Waszczykowski, der ebenfalls versuchte, die Wogen zu glätten: „Wir müssen keine Angst haben. Viele Aussagen Trumps waren reine Wahlkampf-Rhetorik. Ich bin mir sicher, dass seine Nato-Kritik Polen nicht direkt betreffen wird.“

In der Vergangenheit hatten die Staats- und Regierungschefs der baltischen Staaten, Polens und der Ukraine immer wieder vehement Kritik an Russlands Kurs geübt. Die Annexion der Ukraine durch Russland löste Ängste vor einer weiteren Intervention Moskaus aus. Vor allem das Baltikum und Polen pochten auf eine Nato-Stationierung an der Ostflanke des Bündnisses.

Bundeswehr führt Bataillon in Litauen an

Auf dem Nato-Gipfel im Juli in Warschau hatte die Allianz beschlossen, in einem rotierenden System jeweils 1000 Soldaten nach Litauen, Lettland, Estland und Polen zu verlegen. Die USA sollen demnach das Bataillon in Polen anführen, Deutschland die Einheit in Litauen. Das Bündnis wollte damit vor allem ein Zeichen setzen, dass ein Angriff auf eines dieser Länder als Attacke auf die gesamte Militär-Allianz angesehen würde.

Im Wahlkampf hatte Trump mehrmals kritisiert, dass die USA einen „unverhältnismäßigen Anteil“ des Nato-Budgets zahlten. „Die Nato kostet uns ein Vermögen.“ Amerika übernimmt etwa 22 Prozent des Bündnis-Etats, dahinter folgt Deutschland mit 14,7 Prozent. Trump forderte die Mitgliedstaaten auf, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben – andernfalls müssten sie für amerikanische Militär-Präsenz zahlen.

Auch einen Austritt aus der Nato stellte er in den Bereich des Möglichen. Die Zwei-Prozent-Marke gilt Nato-intern bereits seit Jahren als Zielmarke. Aber außer den USA erfüllen nur vier weitere Staaten die Vorgabe – darunter Polen und Estland.

Putin gratulierte Trump als einer der ersten

Steht nun gar ein Putin-Trump-Pakt an? Nach Trumps Wahlsieg war Putin jedenfalls einer der ersten, die gratulierten. Er hoffe, schrieb der Kremlchef, gemeinsam mit dem künftigen US-Präsidenten „das russisch-amerikanische Verhältnis aus der Krise führen zu können“. So setze er auf einen konstruktiven Dialog „auf der Basis von Gleichberechtigung“ und gegenseitiger Anerkennung“. Damit hatte Putin Gesprächsbereitschaft signalisiert und eigene Erwartungen formuliert.

Russland fühlt sich seit Langem, nicht zuletzt in Gestalt Putins persönlich, von den USA unter Wert behandelt, als Großmacht nicht anerkannt und in vielen Fragen der Weltpolitik übergangen. Das gilt für Syrien und den gesamten Nahen Osten, vor allem aber für die Entwicklung im postsowjetischen Raum mit dem Krisenherd Ukraine. Trump seinerseits hatte den russischen Präsidenten im Wahlkampf mehrfach als „großen Staatsmann“ gewürdigt, was in Moskauer Medien mit viel Wohlwollen registriert worden war.