Berlin/Washington. Hillary Clinton erhielt mehr Wählerstimmen als Donald Trump – trotzdem wird „The Donald“ neuer US-Präsident. Wie passt das zusammen?

Fast hundert Prozent der Wählerstimmen sind in den USA inzwischen ausgezählt. Hillary Clinton kann demnach 47,7 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. Ihr Konkurrent Donald Trump folgt mit 47,5 Prozent knapp dahinter. Das macht gut 200.000 Wählerstimmen Vorsprung für Clinton. Klar ist aber schon lange: Trump zieht ins Weiße Haus ein, nicht Clinton.

Der Grund für diese scheinbare Absurdität ist das amerikanische Wahlsystem mit seiner Kombination aus indirekter Wahl und Mehrheitswahlrecht. Und das funktioniert so:

528 Wahlleute entscheiden

Der Präsident wird in Amerika nicht direkt vom Volk gewählt, sondern gleichsam über den Umweg des Wahlleutegremiums, auch Electoral College genannt.

Dieses Gremium besteht aus insgesamt 538 Wahlleuten. Dabei stellt jeder Bundesstaat so viele Wahlmänner oder Wahlfrauen, wie er über Abgeordnete und Senatoren verfügt. Ausschlaggebend ist hierbei die Bevölkerungszahl.

So stellt beispielsweise Kalifornien mit seinen etwa 40 Millionen Bürgern 55 Wahlleute in dem Gremium. Das kleine New Hampshire an der Ostküste dagegen mit 1,3 Millionen Einwohnern entsendet lediglich vier Wahlleute. Für den Sieg braucht ein Kandidat 270 Stimmen im Electoral College.

Trauer und Freude in der Wahlnacht

Eine dramatische US-Wahlnacht ist zu Ende gegangen. Besonders für Clinton-Anhänger war es ein Wechselspiel zwischen Bangen und Hoffen. Donald Trump ist zum 45. und neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden.
Eine dramatische US-Wahlnacht ist zu Ende gegangen. Besonders für Clinton-Anhänger war es ein Wechselspiel zwischen Bangen und Hoffen. Donald Trump ist zum 45. und neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden. © REUTERS | LUCAS JACKSON
Siegerpose und Stars-and-Stripes-Anzug auf den Straßen der Pennsylvania Avenue in der Hauptstadt Washington.
Siegerpose und Stars-and-Stripes-Anzug auf den Straßen der Pennsylvania Avenue in der Hauptstadt Washington. © dpa | Michael Reynolds
Trump-Anhänger feiern ihren neuen Präsidenten überall auf der Welt – auch wie hier in der australischen Universität Sydney.
Trump-Anhänger feiern ihren neuen Präsidenten überall auf der Welt – auch wie hier in der australischen Universität Sydney. © dpa | Dean Lewins
Pure Verzweiflung bei dieser Frau auf einer Wahlparty in New York.
Pure Verzweiflung bei dieser Frau auf einer Wahlparty in New York. © dpa | Justin Lane
Auch diese Clinton-Anhängerin hatte sich das Ergebnis anders vorgestellt.
Auch diese Clinton-Anhängerin hatte sich das Ergebnis anders vorgestellt. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Republikaner feiern ausgelassen auf einer Wahlparty in Manhattan.
Republikaner feiern ausgelassen auf einer Wahlparty in Manhattan. © REUTERS | CARLO ALLEGRI
Auch auf den Straßen von Manhattan waren überall Trump-Anhänger zu sehen.
Auch auf den Straßen von Manhattan waren überall Trump-Anhänger zu sehen. © REUTERS | JONATHAN ERNST
Fassungslosigkeit und Entsetzen dagegen bei den Unterstützern von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton.
Fassungslosigkeit und Entsetzen dagegen bei den Unterstützern von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Auch dieser Mann konnte den Verlauf der Abstimmung nicht begreifen.
Auch dieser Mann konnte den Verlauf der Abstimmung nicht begreifen. © REUTERS | ADREES LATIF
Der Schock nach der Niederlage von Clinton sitzt bei ihren Anhängern, die sich unter anderem im Jacob K. Javits Convention Center in New York versammelten haben, tief.
Der Schock nach der Niederlage von Clinton sitzt bei ihren Anhängern, die sich unter anderem im Jacob K. Javits Convention Center in New York versammelten haben, tief. © dpa | Gary He
Vor diesem Szenario hatten sich große Teile der Welt gefürchtet. Donald Trump entschied wichtige US-Staaten für sich. In New York bangten Clinton-Anhänger um ihre Kandidatin.
Vor diesem Szenario hatten sich große Teile der Welt gefürchtet. Donald Trump entschied wichtige US-Staaten für sich. In New York bangten Clinton-Anhänger um ihre Kandidatin. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Ausgelassene Stimmung unter freiem Himmel bei den Trump-Fans in der Nähe der Kreuzung West 54th Street und der Fifth Avenue in New York.
Ausgelassene Stimmung unter freiem Himmel bei den Trump-Fans in der Nähe der Kreuzung West 54th Street und der Fifth Avenue in New York. © REUTERS | ALEX WROBLEWSKI
Zwischenzeitlich gab es auch Freudenschreie bei den Clinton-Anhängern: Die Demokratin konnte unter anderem den wichtigen US-Staat Virginia sowie ihren Heimatstaat New York für sich entscheiden.
Zwischenzeitlich gab es auch Freudenschreie bei den Clinton-Anhängern: Die Demokratin konnte unter anderem den wichtigen US-Staat Virginia sowie ihren Heimatstaat New York für sich entscheiden. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Auch in einer englischen Bar in London können diese Fans von Clinton das Abstimmungsergebnis nicht fassen.
Auch in einer englischen Bar in London können diese Fans von Clinton das Abstimmungsergebnis nicht fassen. © Getty Images | Chris J Ratcliffe
Gespannte Blicke aufs Handy und auf die Leinwände, wo die Zwischenstände angezeigt wurden, prägten in New York das Bild der Clinton-Anhänger.
Gespannte Blicke aufs Handy und auf die Leinwände, wo die Zwischenstände angezeigt wurden, prägten in New York das Bild der Clinton-Anhänger. © REUTERS | SHANNON STAPLETON
Donald Trump hat es tatsächlich geschafft. Noch zu Beginn der Wahlnacht standen seine Chancen schlecht. Jetzt hat er gewonnen.
Donald Trump hat es tatsächlich geschafft. Noch zu Beginn der Wahlnacht standen seine Chancen schlecht. Jetzt hat er gewonnen. © REUTERS | LUCAS JACKSON
Als sich das Endergebnis abzeichnete, flossen Tränen bei den Anhängern von Clinton.
Als sich das Endergebnis abzeichnete, flossen Tränen bei den Anhängern von Clinton. © REUTERS | LUCY NICHOLSON
„Make America Great Again“ – der bekannte Wahl-Slogan von Trumps Präsidentschaftskampagne steht auf einem Schild dieses euphorischen Unterstützers des neuen US-Präsidenten.
„Make America Great Again“ – der bekannte Wahl-Slogan von Trumps Präsidentschaftskampagne steht auf einem Schild dieses euphorischen Unterstützers des neuen US-Präsidenten. © REUTERS | JONATHAN ERNST
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Es gilt: „The Winner takes it all“

Die Wahlleute des jeweiligen Staates erhält der Kandidat, der dort die meisten Stimmen holt. Egal, ob er hauchdünn oder haushoch gewinnt. Das Prinzip lautet: The Winner takes it all – Der Sieger bekommt alles. Nur in zwei Bundesstaaten, nämlich in Maine und Nebraska, gilt dieses Mehrheitsprinzip nicht.

Dieses Wahlsystem macht nun folgendes Ergebnis möglich: Ein Kandidat verliert in vielen kleineren Bundesstaaten, holt aber trotzdem den „Gesamtsieg“, weil er in mehreren Staaten mit hoher Bevölkerungszahl vorn liegt.

Clintons Siege in New York und Kalifornien halfen nicht

Andersherum ist es möglich, dass ein Kandidat zwar in wenigen bevölkerungsstarken Staaten hohe Siege erringt – und somit sehr viele Wählerstimmen einfährt. Dennoch reicht es für ihn in Summe nicht für die Mehrheit im Electoral College. Auf seinem Konto hat er dann zwar die meisten Stimmen, aber nicht genügend Wahlleute. So wie jetzt Hillary Clinton.

Clinton siegte hoch in „großen“ Staaten wie New York und Kalifornien. Trotzdem sammelte sie nur 228 Wahlleute ein. Trump dagegen kam auf 279.

Solch eine Situation gibt es bei der Wahl 2016 nicht zum ersten Mal. Bereits dreimal in der Geschichte kamen ähnliche Ergebnisse zustande. Zuletzt bei der Wahl im Jahr 2000. Damals sicherten ganze 537 Stimmen Vorsprung dem Republikaner George W. Bush den Sieg in Florida. Bush bekam alle Wahlleute des Staates – und hatte die Mehrheit im Electoral College. Sein Rivale, Al Gore von den Demokraten, verbuchte zwar USA-weit mehr Wählerstimmen – doch das half ihm so wenig wie jetzt Hillary Clinton.

Nur jeder vierte Wahlberechtigte stimmte für Trump

Und auch das zeigen die Zahlen: Die Unterstützung für Trump in der Bevölkerung ist bemerkenswert gering. Gerade einmal jeder vierte Wahlberechtigte (25,5 Prozent) stimmte für den Republikaner. Clinton wählten 25,6 Prozent der insgesamt 231,56 Millionen Wahlberechtigten. Zwei Prozent sprachen sich für die vier weiteren Kandidaten aus – und 46,9 Prozent gingen erst gar nicht zur Wahl. (W.B.)