Washington. Hillary Clinton war Favoritin im Rennen um die US-Präsidentschaft, doch am Ende gewann Trump. Protokoll einer dramatischen Wahlnacht.

Wovor sich weite Teile der Welt gefürchtet haben, ist eingetreten. Er hat es tatsächlich geschafft. Donald Trump wird der 45. Präsident der USA. Der Traum von der ersten Frau im Oval Office in der 240-jährigen Geschichte der Vereinigten Staaten ist geplatzt. In einem von fast allen Demoskopen nicht für wahrscheinlich gehaltenen Triumphzug eroberte der 70-jährige Republikaner in der Nacht zu Mittwoch Bundesstaat um Bundesstaat und siegte am Ende deutlich gegen seine Widersacherin Hillary Clinton.

An den internationalen Börsen sorgte die Nachricht für ein Beben, die Kurse stürzten ab. Die 69-jährige ehemalige First Lady und Außenministerin wurde ihrer Favoritenrolle nicht gerecht. Die politische Landkarte Amerikas sah in der Nacht tiefrot aus; die Farbe der Republikaner. Bis die Entscheidung um 8.32 Uhr deutscher Zeit feststand, lieferten sich die Kontrahenten eine Achterbahnfahrt der politischen Gefühle. Das Protokoll eines historischen Wahltages:

Dienstag, 0 Uhr Ortszeit: Die ersten Wahllokale öffnen. Rund 165 Millionen Amerikaner trugen sich rechtzeitig in die Wählerverzeichnisse ein. Über 45 Millionen gaben bereits vorzeitig ihre Stimme ab. In der Latino-Gemeinde zeichnete sich eine hohe Beteiligung ab. Letzte Umfragen attestieren Clinton eine klare Siegchance. Aber: „Trump ist für eine echte Überraschung gut“, sagen Meinungsforscher.

8.01 Uhr. In ihrem Wohnort Chappaqua nördlich von New York gibt Hillary Clinton mit Ehemann Bill (70) ihre Stimme ab. „Ich werde mein Bestes geben, wenn ich heute die Chance bekomme zu gewinnen“, sagt sie. Drei Stunden später trifft Donald Trump in Manhattan zur Stimmabgabe ein, umgeben von Ehefrau Melania und seinen Kindern. „Es sieht sehr gut aus“, sagt er. Demonstranten rufen: „New York hasst dich.“ Eine Frau, die mit nackter Brust gegen Trump zu Felde zieht, wird abgeführt.

13 Uhr: Trump lässt wieder einmal offen, ob er einen Wahlniederlage akzeptiert. „Man muss es sehen. Man hört so viele schreckliche Geschichten“, sagt er – und meint Wahlbetrug. Sein Sohn Eric schränkt ein: Ist Clintons Vorsprung am Ende klar, wird sich mein Vater beugen. Nur dann.

13.16 Uhr: Trumps Adlatus Rudy Guiliani, Ex-Bürgermeister von New York, leistet sich auf Twitter den ersten Aussetzer: „Wir können nicht zulassen, dass Schwarze und Latinos allein die Wahl für Hillary entscheiden. Alle anderen: Auf zur Wahl!“ „Rassismus pur“, sagen Reporter in New York.

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14 Uhr: Trump-Leute reichen in Nevada Klage ein. Ein Wahllokal soll Öffnungszeiten überzogen haben. Eine Richterin schmettert den Antrag ab. Trump moniert Probleme mit Wahlmaschinen in Pennsylvania. Auch das wird zurückgewiesen.

17.30 Uhr: 70 Prozent der Amerikaner haben ein Problem mit Trumps Frauen-Bild. Das sagen die ersten Befragungen von Wählern, die ihre Stimme abgegeben haben („exit polls“). Auch nicht vorteilhaft für ihn: 70 Prozent finden, dass Illegale nicht deportiert werden sollten. Mehr als 50 Prozent lehnen Trumps Mauer-Plan an der Grenze zu Mexiko ab.

18 Uhr: Ein Ex-Präsident meldet sich zu Wort. George W. Bush hat weder für Trump noch für Clinton gestimmt. Stimmenthaltung als Ausdruck von Gewissensnöten?

19 Uhr: Erste Wahllokale schließen. Interessant: 15 Prozent der Wähler waren Debütanten. 2012 gaben nur neun Prozent zum ersten Mal ihre Stimme ab. Dann die ersten Botschaften: Trump gewinnt Indiana und Kentucky, Clinton hat in Vermont die Zahlen für sich. Damit sind 23 Stimmen im Wahlleute-Gremium vergeben. Hat noch nichts zu bedeuten. 270 Stimmen müssen es am Ende für den Sieg sein. Spannender: In Florida, wichtiger Schlachtfeld-Staat, ist bereits zu diesem Zeitpunkt ein Kopf-an-Kopf-Rennen im Gange.

19.37 Uhr: Die arbeitslosen Kohle-Kumpel sind für Trump. In West-Virginia sagen die großen TV-Sender dem Republikaner einen Sieg voraus. Dagegen gibt es in North Carolina Probleme mit Wahl-Computern. Deshalb werden in einigen Wahlkreisen die Wahllokale eine Stunde länger geöffnet bleiben.

20 Uhr: Zeit für einen Schwung von neuen Prognosen: Clinton holt Illinois, New Jersey, Massachusetts, Maryland, Rhode Island, Delaware, Connecticut und die Bundeshauptstadt Washington DC; alles wie erwartet. Trump zieht Oklahoma, Tennessee, Mississippi und South Carolina auf seine Seite; auch das im Rahmen des Üblichen. Trump hat jetzt cirka 50 Wahlleute, Clinton 70.

20.10 Uhr: Ein alter Bekannter tauchte wieder in den Schlagzeilen auf, diesmal positiv. Marco Rubio, einst Latino-stämmige Hoffnung der Republikaner, bevor Trump ihn zerstörte, hat seinen Senatssitz gegen einen Demokraten verteidigt – wichtig, um die konservative Mehrheit zu behalten.

Apropos Florida mit seinen wichtigen 29 Wahlleute-Stimmen: Eine Wiederholung des Krimis von 2012 ist beim Präsidentschaftsrennen nicht ausgeschlossen, sagen Analysten. Damals hatte Obama wenige als einen Prozentpunkt Vorsprung vor dem Republikaner Mitt Romney. Der Vorsprung von knapp 75.000 Stimmen wurde erst einen Tag später offiziell beglaubigt. Trump wie Clinton hoffen diesmal: Bitte keine Zitterpartie!

20.25 Uhr: Traurige Nachricht, von der man jetzt noch nicht weiß, ob sie mit der Wahl zu tun hat: In Azusa im Süden Kaliforniens kommt es zu einer Schießerei in der Nähe eines Wahllokals. Ein Mensch stirbt, drei weitere werden verletzt.

20.30 Uhr: Die Hälfte der 50 Bundesstaaten hat den Wahlvorgang abgeschlossen. Immer noch kein echter Trend. Zentrale Bundesstaaten wie Ohio, Florida, North Carolina, Pennsylvania, New Hampshire und Virginia sind noch mitten im Zählprozess.

20.33 Uhr: Hilfreich für Trump, wenn er gewönne: Die Republikaner haben im Repräsentantenhaus, einer der beiden Kammern im Kongress, ihre Mehrheit (bisher 247) verteidigt. Mindestens 218 Stimmen sind ihnen sicher, so die Sender CNN und CBS. Jetzt blickt alles auf den Senat.

Dort sieht es im Moment noch nicht nach einem demokratischen Wachwechsel aus. Allein die an beiden Beinen amputierte Kriegs-Veteranin Tammy Duckworth hat ihrem republikanischen Konkurrenten Mark Kirk den Sitz im „Oberhaus“ entreißen können. Sollte es so bleiben und würde Clinton gewinnen: Sie liefe von Tag eins an im Parlament gegen eine doppelte Mauer.

21 Uhr: Experten in Washington bereiten ihre Kunden auf eine „lange Nacht“ vor. Clinton schneide gut in städtischen Milieus ab, Trump sei „auf dem platten Land eine Macht – alles noch offen.“ Interessanter Nebenschauplatz: Zwei Drittel der Wähler befürworten inzwischen strengere Kontrollen beim Waffenbesitz, 2012 waren es nur 59 Prozent.

21.01 Uhr: Gute Nachricht für Hillary Clinton. Sie hat „ihren“ Bundesstaat, für den sie bereits im Senat saß, gewonnen: New York = 29 Stimmen. Dort ist auch Trump zu Hause. Der siegt dafür in Texas (38 Stimmen). Das Kopf-an-Kopf-Rennen geht weiter.

21.15 Uhr: Einer denkt schon an den Morgen danach. „Egal was passiert, die Sonne wird morgen wieder aufgehen, und Amerika wird auch weiterhin das großartigste Land auf der Welt sein“, sagt Präsident Obama in einem Video – und ruft die Amerikaner nach der Schlammschlacht des Wahlkampfes zu einer Anstrengung der nationalen Einheit auf.

21.16 Uhr: Ein Hillary-Fan schlägt Alarm. Stellvertretend für viele Experten stellt der renommierte Ökonom Paul Krugman anhand der ersten Ergebnisse fest, dass Trump eine echte Gewinnchance habe. Die „Wut des weißen, ländlichen Amerikas ist unterschätzt worden.“ Hintergrund: Abseits der großen Metropolen und Ballungsräume sind weit mehr Amerikaner an die Wahlurnen gegangen als erwartet – wütende Amerikaner.

21.45 Uhr: Schreck für das Clinton-Lager. Clinton rutscht bei den Siegchancen von 85 Prozent auf 49 Prozent ab. Nicht irgendwo, sondern bei der New York Times. Im Moment hat die Demokratin 104 Wahlleute auf ihrer Seite, Trump bereits 137. Außerdem: Die Meinungsforscher bescheinigen ihm in fast allen Swing-States, die am Ende das Zünglein an der Waage sein können, „leichte Vorteile“. Die Börsen reagieren verschnupft. Der Dow Jones-Index geht herunter, ebenso der mexikanische Peso.

22.02 Uhr: Es gibt noch gute Nachrichten für Clinton: Virginia, 13 Stimmen, geht an sie.

22.20 Uhr: Hiobsbotschaft und vielleicht schon die Vorentscheidung: Florida mit seinen 29 Wahlleuten geht an Trump. Er hat dort rund 130 000 Stimmen Vorsprung. Ebenso North Carolina. Zusammen 44 Wahlleute. Für Hillary Clinton wird es jetzt sehr eng, auch wenn sie Kalifornien (55 Stimmen) gewinnt. Clinton hat um 23.15 Uhr 197 Wahlleute, Trump 216.

24 Uhr: Es läuft immer schlechter für Clinton. Wisconsin, Iowa, Georgia, Utah; alles landet auf Trumps Konto. Ihm fehlen jetzt nur noch 16 Wahlleute zum Sieg.

0.30 Uhr: Winziger Lichtblick für Hillary Clinton. Der Wüstenstaat Nevada bleibt demokratisch; leider nur 6 Wahlleute.

0.40 Uhr: Hollywood-Stars, in großer Mehrzahl pro Clinton, werden nervös. Stellvertretend für viele schreibt der in Mexiko geboren Schauspieler Gael Garcia Bernal: „Wie peinlich, was für ein Land.“ Unterdessen meldet das kanadische Einwanderungsministerium den Absturz seiner Internetseite. Wollen die Amerikaner in großer Zahl auswandern?

0.55 Uhr: Im Hilton-Hotel in Midtown Manhattan laufen sich Tausende Fans von Trump allmählich warm für die Siegesfeier. Trump sei „bester Laune“, sagt seine Wahlkampf-Managerin. Aber noch ist es nicht endgültig. Wenige Kilometer entfernt in einem Messe-Zentrum am Hudson River, wo Clinton ihren Sieg feiern wollte, fließen unterdessen Tränen.

1.25 Uhr: Es kommt noch dicker. Wenn Trump gewinnt, hat er den Kongress an seiner Seite. Die Republikaner behalten voraussichtlich in beiden Häusern die Mehrheit. Die demokratischen Attacken liefen ins Leere. Regieren aus einem Guss für mindestens zwei Jahre. Dann wird wieder gewählt.