Berlin. Brüssel verklagt Deutschland wegen zu hoher Nitratbelastung durch Dünger und Gülle. Auf Berlin könnten hohe Strafzahlungen zukommen.

Zu viel Gülle, zu viel Kunstdünger: Deutschland tut zu wenig, um sein Grundwasser zu schützen. Seit Jahren beklagen Umweltschützer, dass die Nitratbelastung der Böden und Gewässer durch Überdüngung steigt. Die EU-Kommission hat jetzt eine Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht – und erhöht so den Druck auf die Bundesregierung, endlich schärfere Düngeregelungen einzuführen. Denn: Im Fall einer Verurteilung droht Deutschland eine Milliardenstrafe.

Der Vorwurf: Deutschland verschleppt den Gewässerschutz. Viele Landwirte bringen deutlich mehr Dünger auf die Äcker aus, als die Pflanzen überhaupt aufnehmen könnten. Ursache ist oft die industrielle Tierhaltung, die dazu führt, dass Betriebe mehr Gülle produzieren, als die Bauern in der Region zum Düngen gebrauchen. Manche exportieren die Gülle in Bundesländer mit weniger Viehwirtschaft, andere aber „verklappen“ den Viehmist schlicht auf den Feldern in der eigenen Region.

Kritik an der Regelung der Sperrzeiten

Kritik gibt es auch an der Regelung der Sperrzeiten, in denen das Ausbringen von Gülle verboten ist. Viele Fachleute fordern eine Verlängerung der dreimonatigen Düngepause. Das Nitrat in der Gülle fördert das Pflanzenwachstum – belastet bei Überdosierung aber Flüsse und Grundwasser. Nitrat kann zudem für Säuglinge gefährlich sein, umgewandelt in Nitrit steht es im Verdacht, Krebs zu erregen. Das Bundesumweltministerium hatte erst vergangene Woche in seinem Gewässerbericht auf die Nitratbelastung in Deutschland hingewiesen.

Bei Weser und Ems etwa gibt es demnach dauerhaft zu hohe Nitrateinträge in das Grundwasser. Dem Umweltministerium zufolge lag der Anteil der Messstellen, an denen der Nitratgehalt den Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter überschritt, im vergangenen Jahr bei 18,1 Prozent. Inzwischen sind demnach fast ein Drittel aller Flächen in Deutschland betroffen. In Nordrhein-Westfalen (40 Prozent), Schleswig-Holstein (50 Prozent) und Niedersachsen (60 Prozent) ist der Anteil noch deutlich höher.

Grundsätzliche Einigung auf neue Düngeregelungen

Immerhin gibt es in der Bundesregierung mittlerweile eine grundsätzliche Einigung auf neue Düngeregelungen. „Ab dem kommenden Jahr wird es eine neue Düngeverordnung mit neuen Vorgaben geben, die mittelfristig zu weniger Nitrat in den Gewässern führen sollen“, sagte ein Sprecher von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) will dem Bundesrat im Dezember einen Entwurf für eine neue Verordnung vorlegen. Unklar ist jedoch, ob die Reform ausreichend ist, um die Vorwürfe der EU zu entkräften.

Die Grünen fühlen sich durch die EU-Klage bestätigt: „Seit Jahren wird unser Wasser schlechter und diese Regierung unternimmt nichts“, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter dieser Redaktion. Es sei beschämend, dass erst die EU-Kommission der jahrelangen Tatenlosigkeit, unter anderem des Bundeslandwirtschaftsministers, eine Grenze aufzeige: „Diese Klage ist der letzte Weckruf für die Bundesregierung.“

Für die Steuerzahler könne die Untätigkeit sehr teuer werden

Für die Steuerzahler könne die Untätigkeit sehr teuer werden – „wenn eine ignorante Bundesregierung lieber Strafzahlungen in Kauf nimmt, statt die Güllefluten aus der industriellen Massentierhaltung zu begrenzen“.

Frankreich ist bereits wegen des Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie verurteilt worden. Dem Land droht eine Geldstrafe zwischen einer und drei Milliarden Euro. Die Grünen und viele Umweltverbände fordern seit Langem den Ausstieg aus der Massentierhaltung.