Wie die US-Wahl den Obersten Gerichtshof verändern wird
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Von Dirk Hautkapp
Washington. Der neue US-Präsident kann die Rechtsprechung für eine ganze Generation prägen. Das Wahlergebnis könnte einige drastische Folgen haben.
Donald Trump oder Hillary Clinton – der Sieger könnte maximal acht Jahre im Weißen Haus regieren. Die wichtigsten Personalentscheidungen eines amerikanischen Präsidenten wirken dagegen Jahrzehnte nach.
Vor allem die Benennung der neun auf Lebenszeit berufenen Frauen und Männer, die am Obersten Gerichtshof in Washington die wichtigsten Urteile des Landes fällen. Selten stand so viel auf dem Spiel wie diesmal. Ein Generationswechsel bahnt sich an. Die Frage ist: in welche politische Richtung?
Einige Entscheidungen liegen auf Eis
Seit dem Tod des von Ronald Reagan ernannten und 30 Jahre lang im Geiste der Erzkonservativen tätig gewesenen Antonin Scalia im Februar herrscht am „Supreme Court“ eine Patt-Situation.
Mehrere zentrale Vorhaben, etwa der „Clean Power Plan“ des scheidenden Präsidenten Obama, der das Aus für ältere Kohlekraftwerke beschleunigen würde, liegen auf Eis. Weil die Republikaner mit ihrer Verhinderungsmehrheit im Senat den von Obama nominierten Scalia-Nachfolger Merrick Garland seit Monaten kategorisch ablehnen.
Vier gegen Vier
Andere Themen sind insofern gescheitert, als dass die Unentschiedenheit des Gerichts dazu führte, dass die Urteile untergeordneter Instanzen weiter Bestand haben. So kam im Sommer Obamas Versuch abrupt zum Stillstand, Millionen illegale Einwanderer ohne Aufenthaltstitel (vor allem aus Latein-Amerika) vor der Abschiebung zu schützen.
Die vier als liberal-gemäßigt geltenden Juristen Elena Kagan, Sonia Sotomayor, Ruth Bader Ginsburg und Stephen Breyer standen am Ende den vier in der Regel konservativ abstimmenden Kollegen Samuel Alito, Clarence Thomas, John Roberts und Anthony Kennedy unversöhnlich gegenüber. „Ein Unentschieden, das der Zukunft des Landes nicht guttut“, urteilten damals Kommentatoren in Washington.
Gewinnt Clinton, gehen die Waffenliebhaber auf die Barrikaden
Gewinnt die Demokratin Hillary Clinton die Wahl, ist beim Scalia-Ersatz der Papierform nach der Weg für eine Person vorgezeichnet, die das Gericht bei gesellschaftlich kontroversen Themen auf einen Mitte-Linkskurs führen wird.
Ein Alptraum für das konservative Amerika, das dann um den Fortbestand des uneingeschränkten Rechts auf Waffenbesitz fürchtet. Clinton hat mehrfach erklärt, dass sie die jährlich über 30.000 Schusswaffen-Toten nicht länger hinnehmen und die Verfügbarkeit von Pistolen und Gewehren strengeren Kontrollen unterwerfen will. Trump ist strikt dagegen. Darum unterstützt ihn die Waffen-Lobby.
Gewinnt Trump, könnte die Homo-Ehe wieder wackeln
Macht der New Yorker Milliardär das Rennen, wird voraussichtlich ein republikanische Wertvorstellungen durchsetzender Richter nachrücken. Was wiederum Demokraten und Liberale in Angst versetzt. Sie machen sich um die 2015 abgesegnete Homo-Ehe und Obamas mit knapper Mehrheit vor dem juristischen Exitus bewahrte Krankenversicherung („Obamacare“) Sorgen.
Beides will Trump abräumen lassen. Die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau soll nach seinen Worten „Priorität genießen“. Verpflichtende Gesundheitsvorsorge für alle dagegen nicht.
„Amerikas Schicksal entscheidet sich am Supreme Court“
Um seine Entschlossenheit zu demonstrieren, hat Trump die Namen von 20 erzkonservativen Juristen veröffentlicht. Aus ihren Reihen will er „im Sinne der Gründerväter der Verfassung“ die Richterbank auffüllen lassen.
Trump wie Clinton schärfen ihren Anhängern auf der Zielgeraden des Wahlkampfs Tag für Tag ein: „Amerikas Schicksal entscheidet sich am Supreme Court. Geht wählen!“.
So funktionieren die Wahlen in den USA
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Richtung für die nächsten 50 Jahre
Übertrieben? Ja. Falsch? Nein. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass drei Richter (Ruth Bader Ginsburg, Anthony Kennedy und Stephen Breyer) Ende 70 oder schon deutlich über 80 Jahre alt sind. Ihr Tod oder ein freiwilliger Übergang in den Ruhestand ist eine „reale Möglichkeit, mit der gerechnet werden muss“, sagt der CNN-Gerichtsexperte Jeffrey Tobin.
Würden in kurzer Zeit mehrere Nachbesetzungen fällig, könnten Clinton oder Trump die Richtung des Supreme Court „sogar für die nächsten 50 Jahre prägen“, schreiben Rechtsgelehrte.
Was bedeutet: Selbst wenn sich ein, sagen wir mal, demokratischer Präsident mit einem republikanisch beherrschten Kongress im unproduktiven Dauer-Clinch befindet (bei umgekehrten politischen Farben gilt dasselbe), würde das Oberste Gericht im Sinne der dort versammelten ideologischen Mehrheit seine Bahnen ziehen. Und niemand könnte daran etwas ändern.